Reporterlegende wird 80Herbert Watterott, die deutsche Stimme der Tour de France

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WDR-Reporter Herbert Watterott (r.) und Telekom-Sprinter Erik Zabel bei der Tour de France 1998

Bensberg – Die Tour de France, die Reisen durch die Weite Frankreichs, ist immer ein unsichtbarer Passagier, wenn Herbert Watterott zu erzählen beginnt. Es ist gar nicht möglich, an etwas anderes zu denken, auch wenn der langjährige WDR-Kommentator über ganz profane Dinge spricht wie seine Lehre zum Lebensversicherungskaufmann beim Kölner Gerling-Konzern. Es ist die markante Betonung der Worte, die den Zuhörer vor dem Fernsehschirm wähnt, was ja auch nicht verwundert, denn schließlich ist Watterott tatsächlich die deutsche Stimme der Tour, für die er 41 Mal akkreditiert war. Hinzu kamen 25 Einsätze beim Giro d‘Italia, 17 bei Olympischen Spielen, 60 als Hallensprecher bei Sechstagerennen und auch noch 25 bei Eishockey-Weltmeisterschaften. 80 Jahre alt wird der gebürtige Bensberger Watterott an diesem Dienstag. Ruhig wird er diesen besonderen Tag begehen, daheim im Bergisch Gladbacher Stadtteil Lückerath ohne große Feier, stattdessen möchte er sich einen schönen Tag mit seiner Frau Maria machen.

Watterotts schwerer Sturz

Aktuell gehe es ihm gut erklärt er, auch wenn er seinen Körper spürt, der Rücken schmerzt. Womöglich die Folge eines schweren Sturzes bei der Tour der Hoffnung in der Nähe von Oldenburg zugunsten krebskranker Kinder. Das war vor fünf Jahren, doch die Aktion von Prominenten auf Rennrädern nahm eine furchtbare Wendung für Watterott. Auf einer Passage wurde er rechts von Friedrich Neukirch überholt, dem ehemaligen Vizepräsidenten des 1. FC Köln, es kam zu einer Kollision, Watterott stürzte schwer, mit dramatischen Folgen: Schlüsselbein- und Oberschenkelhalsbruch, zudem brachen fünf Rippen. Seinen 75. Geburtstag verbrachte Watterott im Krankenhaus, zehn Wochen insgesamt wurde er stationär behandelt, es folgte eine Reha, lange musste er an Krücken gehen, ein Bandscheibenvorfall schloss sich an. „Aber nun gut, ich würde sagen, ich bin wieder auf dem Damm. Und mir geht es gut. Vor allem bin ich fit im Kopf. Ich weiß noch alles, was ich so erlebt habe“, sagt Watterott.

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Watterott fand nach seiner Gerling-Lehre und einem Aufenthalt in der Schweiz, wo er in einem Werbebüro angestellt war, 1962 zum WDR, dem Ziel seiner beruflichen Wünsche. Schon als Schüler war er, einst selbst Leichtathlet, vom Radsport fasziniert. Er legte Karteikarten zu allen Fahrern an, mit Siegen, Platzierungen und persönlichen Anmerkungen, von denen er via Radio oder von Zeitungen erfuhr. Daraus entwickelte sich später eine faszinierende Sammlung, „meine Kollegen nannten das  „Herberts Gehirn“, und sie haben auch davon profitiert“.

Günther Isenbügel etwa, ein Radioreporter, der dank Watterotts Sammlung viel Expertise in seine Tour-Reportagen einbauen könnte.  In Frankreich erlebte  Watterott viele verrückte Sachen. Das begann schon 1965, Watterotts erster Tour, die vor dem Südportal des Kölner Doms startete – „für einen Rheinländer wie mich natürlich unglaublich“. Watterott erlebte auch große Stunden des deutschen Radsports, Dietrich Thuraus 15 Tage in Gelb im Jahre 1977 etwa: „Niemand hat damit gerechnet, dass der Thurau den Prolog in Fleurance in der Gascogne gewinnt. Ich habe sofort bei der Tagesschau angerufen und “Sensation, Sensation„ gerufen, auf dass wir davon wenigstens Bilder in der Spätausgabe hatten, was auch geklappt hat.“ Oder Jan Ullrichs Tour-Sieg 1997 – „daran denke ich natürlich auch in der Rückschau“, sagt er.

Und an die schlimmen Dinge, die er erlebte, den Tod von Tom Simpson am 13. Juli 1967 kurz vor dem Gipfel des Ventoux. Nach dem Rennen erfuhr die Welt, dass Simpson verstorben sei: „Das war ein fürchterlicher Schock. Doch auch 1995 waren wir dabei, als Fabio Casartelli starb. Von seinem Tod erfuhren wir ebenfalls erst später. Seinen fürchterlichen Sturz am Portet d“Aspet in den Pyrenäen haben wir gesehen – und daraufhin während der Übertragung fast nur noch geschwiegen.“

Letzte Tour de France im Jahr 2006

Auch wenn es gegen Ende seiner Tätigkeit als TV-Reporter möglich war, auf Knopfdruck alle möglichen Daten zu allen möglichen Fahrern aus allen möglichen Epochen zu erhalten, blieb Watterott bei seinem Karteikarten-Prinzip: „Da hatte ich mich einfach dran gewöhnt.“ Und damit ist Watterott weiterhin zu sehen, wenn er etwa im Zielwagen von „Rund um Köln“ moderiert oder daheim vor dem Bensberger Schloss, ebenfalls für „Rund um Köln“ ins Mikrofon spricht. „Ich informiere mich natürlich weiter über den Radsport“, sagt er.

Lange Zeit ist er auch selbst aktiv Rennrad gefahren. Eine Zeitlang auch auf der Maschine des einstigen Profis Udo Bölts, zudem ausgestattet mit einer Amateur-Lizenz seines Vereins Staubwolke Refrath.

2006 erlebte Watterott seine letzte Tour, danach verabschiedete er sich in den Ruhestand. Doch jene Frankreich-Rundfahrt war eine, die mit dem Ausschluss von Jan Ullrich wegen dessen Verstrickung in die Fuentes-Dopingaffäre begann – und über der deshalb aus deutscher Sicht vom ersten Tag an ein Schatten lag: „Ich bin durchaus traurig, dass ausgerechnet das meine letzte Tour war“, sagt Watterott.

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