Sprinter im InterviewSagan über das Grüne Trikot, Buchmann und Feuerlöscher-Späße

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Der dreimalige slowakische Weltmeister Peter Sagan (29) 

  • Peter Sagan peilt den siebten Gewinn der Sprintwertung bei der Tour de France an, das wäre alleiniger Rekord.
  • Der slowakische Weltmeister spricht im Interview über die diesjährige Tour und Späße mit seinem Teamkollegen Emanuel Buchmann.

Nîmes – Herr Sagan, dem Tross Ihres Teams folgt auch ein Peter-Sagan-Camper, den einer Ihrer Schulfreunde fährt, und der Ihnen als begehbarer Kleiderschrank dient. Dort haben Sie als Slogan zwei Sätze aufgeklebt, die übersetzt bedeuten: »Sie lachen über mich, weil ich anders bin. Ich lache über sie, weil sie alle gleich sind.« Was gefällt Ihnen so sehr daran, anders zu sein?

Ich haben diese Sätze irgendwann mal entdeckt und erfahren, dass Sie von Nirvana-Sänger Kurt Cobain stammen. Sie erzählen sehr viel über mich und passen sehr gut zu mir. Deshalb habe ich sie an dem Auto angebracht. Es ist einfach so, dass ich manchmal das Gefühl habe, anders zu sein. 

Bei dieser Tour konnte man das wieder erleben, etwa als Sie während des Zeitfahrens einen steilen Anstieg auf Ihrem Hinterrad hochgefahren sind, die  linke Hand am Lenker, mit der rechten klatschten Sie die Menge ab. Oder als Sie auf dem Weg hinauf zum Tourmalet einem neben Ihnen laufenden Fan den Gefallen getan haben, ihm mitten im Rennen Ihre Autobiografie zu signieren. Gibt Ihnen das Extraenergie?

Im Tourmalet war es so, dass noch vier Kilometer zu fahren waren, ich wusste, dass ich das Zeitlimit nicht überschreiten würde. Da habe ich mir gedacht: Warum denn nicht? Für den Fan war das natürlich eine große Sache.

Ihr deutsches Team Bora-hansgrohe gehört spätestens seit dem vergangenen Jahr  zu den erfolgreichsten Mannschaften der Welt. Wie   haben Sie es geschafft,  diesen Schritt zu gehen?

Ich finde, man kann nun sehr gut sehen und feststellen, dass sich unser Team nicht mehr nur um mich dreht. Sondern um alle anderen auch, viele andere Fahrer aus unserer Mannschaft sind ebenfalls sehr erfolgreich.  Wir hatten seit Januar Erfolg – inklusive der Tour.   Viele nun erfolgreiche Fahrer sind schon länger bei uns. Sie haben sich hier weiterentwickelt, vor allem auch mental. Das gilt auch für das Umfeld des Teams, also alle Angestellten. Auch da haben wir enorme Fortschritte gemacht. Die Fahrer schätzen auf jeden Fall auch, dass sie hier viele Chancen haben und sie auch in den Rennen bekommen.

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Sagan ist ein vielseitiger Fahrer, er hat in seiner Karriere bereits 113 Rennen gewonnen. Darunter sind zwölf Tagessiege bei der Tour de France. 

Gerade im Moment ist das offensichtlich, weil es neben Ihnen einen zweiten Kapitän gibt: Emanuel Buchmann ist derzeit Sechster der Gesamtwertung. Wie gehen Sie damit um, dass es nun zwei Chefs in Ihrem Team gibt?

Das ist völlig in Ordnung für mich. Ich habe diese Situation schon häufiger in meinen früheren Teams erlebt, damals etwa mit den Italienern Ivan Basso oder Vincenzo Nibali, später auch mit dem Spanier Alberto Contador. Damit kann ich also sehr gut umgehen. Im Gegenteil, ich bin total glücklich, dass  Emanuel hier so stark fährt. Ich hoffe sehr, dass er das beste Ergebnis seines Lebens herausfährt. Das wäre dann ja auch eine große Sache für unser ganzes Team.

Was  trauen Sie  Buchmann bei dieser Tour noch zu?

Das ist die Zukunft. Und ich mag es nicht, über die Zukunft zu sprechen. Niemand weiß, was passieren wird.  Wir werden aber natürlich alles für ihn geben.

Emanuel Buchmann ist nach außen hin ein stiller, zurückgezogener Mensch, der sich im Kreis des Teams aber durchaus öffnet. Haben Sie mit ihm schon einen besonderen Moment erlebt?

Ja, auf jeden Fall. Es war im vergangenen Winter in unserem Trainingscamp. Ich habe ihn damals um zwei Uhr morgens in seinem Zimmer überrascht und geweckt – und den Inhalt eines Feuerlöschers in dem Raum verteilt. Er war natürlich sehr, sehr sauer. Ich hatte das vorher schon mal bei meiner Zeit im Tinkoff-Team (2015 bis 2016, Anm. d. Red.) gemacht. Damals allerdings in der Rezeption. Da haben den Inhalt alle abbekommen.

Inzwischen haben sich Buchmann und Sie sich offensichtlich wieder vertragen. Ohnehin fällt auch, dass Ihr Tour-Team sehr harmonisch wirkt...

... und das ist gut so. Denn das Wichtigste, was ich in meiner Karriere gelernt habe, ist es, Spaß zu haben in der Gruppe und im Leben. Wenn du den Spaß verlierst, ist es sehr schwer, Leistung zu bringen. Und hier versuchen wir es mit diesem Konzept.

Diesen Spaß leben Sie täglich vor, etwa, wenn Sie unter dem Jubel vieler Hundert Menschen Ihren Teambus verlassen und mit der Menge flirten. Was gibt Ihnen das?

Das ist eine gute Sache. Es ist total entspannt, es herrscht eine sehr gute Atmosphäre vor, die Menschen sind glücklich. Ich nehme mir dann die Zeit, Autogramme zu geben und Selfies zu machen. Es  ist mir wichtig, auf diese Art und Weise kann ich den Fans etwas zurückgeben. Ich habe nach dem Einschreiben und vor dem Start ja auch noch Zeit. Und da ist es meiner Meinung nach besser, sie mit den Fans zu verbringen, als sich irgendwo hinzusetzen. Mir gefällt das alles, es gibt mir positive Energie. Alle Wünsche kann ich aber nicht erfüllen.  Wobei ich festgestellt habe, dass die Leute  zufrieden sind, wenn sie mich berühren können.

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Diese Tour ist ganz besonders anspruchsvoll, weil der Parcours beinahe täglich mit besonderen Herausforderungen gespickt ist, die eine hohe Konzentration erfordern. Wie bewerten Sie das?

Für mich zählt die Gegenwart. Wenn etwas vorbei ist, dann ist es für mich  auch vorbei und ich erinnere mich nicht mehr daran. Die ersten zwei Wochen der Tour habe ich bereits vergessen.

Gilt das auch für Ihren Sieg bei der fünften Etappe in Colmar?

Ja. Ich habe das Gefühl, dieser Erfolg ist drei Jahre her. Ich weiß auch nicht den Namen der Stadt, in der ich bei dieser Tour gewonnen habe. Das, was ich aber weiß, ist, dass der Rest dieser Tour extrem, wirklich extrem schwer werden wird, vor allem die drei Alpenetappen.

Ihr Vorsprung in der Sonderwertung des Grünen Trikots ist  mittlerweile sehr komfortabel. Sollten Sie diesen Dress auch noch in Paris tragen, hätten Sie mit dem siebten Sieg in diesem Klassement einen Rekord aufgestellt, den Sie sich bisher mit Erik Zabel teilen. Was würde Ihnen ein solcher Erfolg bedeuten?

Oh, ich wäre dann wirklich sehr glücklich. Aber es ist noch ein langer Weg  bis nach Paris.

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