Nach Krawallen in NizzaSchwere Ausschreitungen bei Frankfurt-Gastspiel in Marseille

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Pyro Frankfurt

Die Fanlager aus Frankfurt und Marseille haben sich im Rahmen des Champions League Spiels gegenseitig mit Pyrotechnik beworfen.

Marseille – So richtig freuen konnten sich die Spieler und Verantwortlichen von Eintracht Frankfurt über den ersten Champions-League-Sieg der Vereinsgeschichte nicht. Das 1:0 des hessischen Fußball-Bundesligisten bei Olympique Marseille rückte angesichts der bedrückenden Begleitumstände auf den Tribünen des Stade Velodrome in den Hintergrund.

„Wir haben solch einen Tag in dieser Form noch nicht erlebt und in dieser Weise auch nicht für möglich gehalten. So richtige Freude mag nicht aufkommen, weil es schon sehr befremdlich ist, welches Ausmaß an Aggressivität und Hass uns da entgegenschlug und natürlich auch auf Reaktionen traf“, sagte Vorstandsmitglied Philipp Reschke über die Vorfälle, bei denen am Dienstagabend ein Eintracht-Fan schwer verletzt wurde.

Vorstand von Eintracht Frankfurt will Geschehnisse aufarbeiten

Reschke kündigte an: „Wir müssen das Stück für Stück sauber aufarbeiten.“ Welche Konsequenzen die Pyro-Schlacht beider Fanlager für die auf Bewährung spielende Eintracht haben wird, vermochte Reschke noch nicht abzuschätzen.

Nachdem die Europäische Fußball-Union den wegen des Platzsturms beim Europa-League-Halbfinale gegen West Ham United verhängten Zuschauerausschluss für ein Spiel in einem internationalen Clubwettbewerb zur Bewährung ausgesetzt hatte, dürfen die Frankfurter angesichts des Ausmaßes der Ausschreitungen in Marseille wohl kaum auf Milde der UEFA hoffen.

Eintracht-Trainer Oliver Glasner verurteilt Gewalt – Strafe sehr wahrscheinlich

Offen scheint lediglich, ob die Eintracht mit einem Geisterspiel bei der nächsten Heimpartie gegen Tottenham Hotspur am 4. Oktober bestraft wird oder in der Fremde auf die Unterstützung ihrer Anhänger verzichten muss. „Wenn ich eine Bestrafung fürchte, dann eher für ein Auswärtsspiel. Ich kann aber auch nicht ausschließen, dass die Bewährung für das Heimspiel durch die Geschichte betroffen ist“, sagte Reschke.

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Die Blöcke der Ultras der Eintracht (l) und von Marseille beschießen sich mit Feuerwerk.

Trainer Oliver Glasner verurteilte die Vorkommnisse auf das Schärfste. „Das geht einfach nicht. Da missbrauchen ein paar Chaoten die Fußballbühne, um Gewalt und Aggressionen auszuleben. Dafür haben wir alle null Verständnis“, sagte der 48 Jahre alte Österreicher. „Wenn du beginnst, mit deinem Nachbarn Böller hin und her zu schießen, dann landest du vielleicht irgendwann im Gefängnis. Von daher hat das hier nichts verloren. Da gibt es keine zwei Meinungen.“

Hitlergrüße aus dem Frankfurt-Blog?

Für Entsetzen sorgte auf Twitter auch eine Aufnahme, die angeblich Gästefans zeigen soll. Darauf sollen zwei mutmaßliche Anhänger von Eintracht Frankfurt zu sehen sein, die den Hitlergruß zeigen. 

Auf Twitter fordert ein Nutzer stellvertretend für viele andere die Eintracht sowie die Fanszene auf, „diese #Nazis ausfindig machen und lebenslang mit einer Stadionsperre bestrafen“. Der Hashtag #OMSGE trendet am Mittwochmorgen, wenige Stunden nach dem Spiel sind bereits knapp 50.000 Tweets eingelaufen.

Verein bezieht Stellung zu mutmaßlichem Hitlergruß

In einer Mitteilung auf Twitter erklärte Eintracht Frankfurt, dass der Verein im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus eine klare Haltung zeige. „Von einem einzelnen Vorfall im Vorfeld des UEFA-Champions-League-Spiels zwischen Olympique Marseille und Eintracht Frankfurt, bei dem eine als Hitlergruß zu verstehende Gestik gezeigt wurde, distanziert sich der Klub in aller Deutlichkeit“, hieß es in einem Statement.

Die auf dem Video zu sehende Person habe sich noch während des Spiels bei Fanbeauftragten gemeldet und den Vorwurf des Rassismus sowie Antisemitismus zurückgewiesen, so die Vereinsführung.

„Wir schämen uns für Menschen, die aus Frankfurt kommen, den Adler auf der Brust tragen und den Hitler-Gruß zeigen. Ihr gehört nicht zu diesem Verein, zu dieser Stadt, ihr gehört nicht zu uns“, schrieb die Fanabteilung der Eintracht auf Facebook.

Spieler der SGE trotz Sieg bei Olympique Marseille entsetzt

Auch die Eintracht-Profis waren nach ihrem sportlichen Befreiungsschlag entsetzt. „Solche Szenen haben mit einem Champions-League-Spiel nichts zu tun“, kritisierte Kapitän Sebastian Rode. Und Nationaltorwart Kevin Trapp stellte fest: „Es ist unheimlich schade, dass es so ausgeartet ist.“

Die Krawalle erinnern an das Gastspiel des 1. FC Köln in Nizza vor knapp einer Woche in der Conference League. Bei schweren Ausschreitungen vor dem Spiel in Südfrankreich flog ebenfalls Pyrotechnik durch das Stadion, ein Fußballfan stürzte im Rahmen der Krawalle fünf Meter in die Tiefe und wurde mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. 

Fans des 1. FC Köln erheben schwere Vorwürfe gegen Nizza-Hooligans

Die Kölner Verantwortlichen hatten die Vorfälle verurteilt und Aufklärung seitens der Behörden gefordert. Auch bei vielen (friedlichen) Anhängern hat die Auswärtsreise Spuren hinterlassen. Sie erheben teilweise schwere Vorwürfe gegen Nizza-Hooligans sowie gegen die französische Polizei.

Aus sportlicher Sicht konnte sich Frankfurt am Ende immerhin über die ersten drei Punkte freuen, durch die die Hessen in der Gruppe D wieder voll im Geschäft sind. (mit dpa)

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