Turnerin Sarah Voss„Ich bin im Moment vielleicht fitter als vor Corona“

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Sarah Voss

Sarah Voss muss beim „Turn-Team-Battle“ verschiedene  Herausforderungen bewältigen.

Am letzten Sonntag hatten wir ein „Turn-Team Battle“, einen kleinen Wettbewerb zwischen den Stützpunkten Köln, Chemnitz und Stuttgart. Wir hatten uns verschiedene Challenges überlegt, ich bin beim Schapo-Pak angetreten. Da ging es darum, am Stufenbarren so oft wie möglich die Verbindung vom oberen zum unteren Holm und zurück zu turnen. Andere Aufgaben waren zum Beispiel freie Räder auf dem Schwebebalken – wer schafft die meisten? Oder fünf Doppelsalti rückwärts – wer schafft es am häufigsten, im sicheren Stand zu landen?

Wir hatten einfach Lust, uns mal wieder zu fordern, innerhalb der Stützpunkte Teams zu formen und gegen die anderen anzutreten. Das wurde im Livestream bei „Sportdeutschland.tv“ ausgestrahlt. Es hat Spaß gemacht und ich habe viel positives Feedback aus meiner Community bekommen. Wir Kölner wurden als Team Bergisch Gladbach vorgestellt. Das liegt daran, dass wir zu Zeit dort trainieren. In die Halle an der Sporthochschule dürfen wir noch nicht wieder.

Insgesamt waren es sieben Challenges – und wir haben am Ende vor Stuttgart und Chemnitz gewonnen. Das war toll. Es gab zwar auch ein paar Kritikpunkte. Manche fanden den Battle zu kurz, manche zu lang, einige ärgerten sich über zu viel Werbung und zu viele Redepausen bei der Übertragung. Aber wir hatten in jeder Halle nur eine Kamera und mussten nach jeder Übung umbauen. Und durchatmen mussten wir zwischendurch auch. Das war jetzt das erste Mal. Darauf werden wir aufbauen.

„Ich habe Adrenalin gespürt“

Natürlich war das Gefühl nicht ganz so, wie bei einem normalen Wettbewerb. Aber ich habe Adrenalin gespürt. Es war ein tolles Gefühl, als Team aufzutreten und für das Team Leistung zu bringen und Punkte zu sammeln. Es hat gut getan, eine Art Wettkampfsituation zu spüren, seine Leistung auf die Sekunde abrufen zu müssen. Denn das Gefühl dafür geht natürlich in einem Jahr voller Ungewissheiten und ohne Leistungsmessung durch Wettbewerbe verloren. Es wird dann schwer, auf Druck Leistung abliefern zu können.

Für jeden Spitzensportler ist es einfach das beste Gefühl, das es gibt, seine Leistung präsentieren zu können. Wenn ich in eine voll besetzte Halle komme, jeder schreit meinen Namen und feuert mich an und am Ende stimmt die Leistung, das ist ein Gefühl, das man im Alltag nie erleben und auch nicht nachahmen kann. Das ist es, wofür ein Leistungssportler lebt. Für den Erfolg, für das Gefühl, für das Adrenalin, für all das zusammen. Man fiebert diesem Gefühl hinterher.

Die WM im letzten Jahr, das war für mich Emotion pur. Im eigenen Land, in Stuttgart, im Finale, da kommen so viele Emotionen zusammen. Natürlich fällt jeder Leistungssportler in eine Art Loch, wenn das nicht da ist. Man trainiert 30 Stunden in der Woche Minimum, und dann fehlt die Entlohnung. Man kann sich nicht bei einem Wettkampf präsentieren, kann seine Leistung nicht bringen und wird nicht gefeiert. Jeder freut sich über Zuspruch, dafür dass man jeden Tag, jede Woche, jeden Monat so hart trainiert.

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Beim Turn-Team Battle habe ich außer am Stufenbarren noch bei einer Team-Aufgabe mitgemacht. Da mussten drei aus jedem Team so lange wie möglich im Handstand auf dem Schwebebalken stehen und die Zeiten einer Mannschaft wurden für die Gesamtwertung addiert. Ich stand von allen am längsten, fast anderthalb Minuten, das kann ich mir jetzt in den Lebenslauf schreiben. Das sind natürlich ungewöhnliche Übungen, aber es hat Spaß gemacht.

Den Schapo-Pak in Serie am Stufenbarren machen wir normalerweise auch nicht, für den Battle habe ich das extra geübt. Im Training habe ich vier Runden geschafft. Dann kam das Wettkampf-Adrenalin dazu und ich habe auch die fünfte Runde noch hin bekommen. Da merkt man, was ein bisschen mehr Adrenalin ausmacht. Dass ich mich damit gegen eine Kim Bui durchgesetzt habe, die das wirklich auch sehr gut kann, freut mich schon ein bisschen.

„Ich fühle mich sehr gut“

Wir werden in nächster Zeit wohl noch den einen oder anderen Battle austragen. Im November soll es dann in Düsseldorf die Deutschen Meisterschaften geben, als Qualifikation für die EM im Dezember in Baku in Aserbaidschan. Eventuell finden im Oktober und November auch noch zwei Bundesligawettkämpfe statt. Wenn das alles klappt, hätten wir uns danach die Weihnachtsferien verdient.

Ich bin wirklich sehr, sehr fit im Moment. Vielleicht sogar fitter als vor Corona. Ich konnte mich anders fit machen. Ich habe nicht gezielt meine Übungen trainiert, ich bin also nicht Wettkampf-leistungsfähig mit perfekten Übungen, aber ich bin insgesamt fitter. Ich schaffe sehr viel im Training, arbeite an neuen Elementen, ich fühle mich sehr gut. Ich denke und hoffe, dass ich zum Ende des Jahres sehr gut turnen werde.

Aufgezeichnet von Susanne Rohlfing

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