Uli Hoeneß verlässt den FC BayernEin Abschied, der keiner ist

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Tritt am Freitag als Präsident des FC Bayern München ab: Uli Hoeneß

  • Uli Hoeneß verlässt am Freitag die Kommandozentrale des FC Bayern München.
  • Dass der Klub deutscher Rekordmeister ist, verdankt er dem Werk des Metzgersohns aus Ulm.
  • Während der Hoeneß-Ära wuchs der FC Bayern zum größten Sportverein der Welt. Ein Porträt.

Das Leben des schwäbischen Metzgersohnes Uli Hoeneß ist reich an außergewöhnlichen Ereignissen. Am Freitagabend wird ein weiteres hinzukommen. Hoeneß tritt bei der Jahreshauptversammlung als Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender des FC Bayern München ab und wird danach, abgesehen vom Posten eines einfachen Aufsichtsratsmitgliedes, kein Amt bei Deutschlands erfolgreichstem Fußballklub mehr bekleiden. Viele seiner Weggefährten können sich das gar nicht vorstellen. Sie dürfen sich alle beruhigen. Einen FC Bayern ohne Uli Hoeneß wird es nicht geben, solange er lebt.

Er selbst hatte offenbar lange keine genaue Vorstellung davon, wie ein Alltag ohne tägliche Präsenz im Hauptsitz an der Säbener Straße im Münchner Stadtteil Giesing aussehen soll. „Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht“, erklärte der 67-Jährige mehrfach. Seit letzten Sonntag wissen wir, dass er in dieser Frage weitergekommen ist. Sein Anruf in der Redaktion von „Sport 1“ hat den über die Bayern palavernden Bundesliga-Stammtisch der Sendung „Doppelpass“ aufgeschreckt. Uli Hoeneß echauffierte sich, wie nur er es kann, über die Kritik an Hasan Salihamidzic, den er zum Bayern-Manager gemacht hatte und dessen bevorstehende Beförderung in den Vorstand vor allem sein Anliegen ist. Danach erklärte er seine Pläne für die Zukunft: „Immer, wenn ich Unsachliches höre und sehe, werde ich den Verein wie eine Glucke bewachen.“

Dieses niedliche Bild verdeutlicht, wie Uli Hoeneß den mit fast 300 000 Mitgliedern größten Sportklub der Welt sieht und immer sehen wird: als sein Werk, sein Nest. Er hat es selbst gebaut, alles Leben, das darin entstanden ist, hervorgebracht und großgezogen.   Es gab natürlich einen FC Bayern München vor dem Manager Uli Hoeneß. Einen 1899 im Münchner Süden gegründeten feinen Verein, der in den Jahren von 1972 bis 1976 dreimal Deutscher Meister und dreimal Europacupsieger der Landesmeister wurde dank einer legendären Spielergeneration. Zu ihr gehörten Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Sepp Maier, aber auch Uli Hoeneß selbst.

Man darf sich den damaligen FC Bayern nicht als den Verein vorstellen, der allen anderen wie heute mit einem Jahresumsatz von 750 Millionen Euro in Deutschland uneinholbar enteilt ist. 1979 übernahm der Sportinvalide Uli Hoeneß im Alter von 27 Jahren einen finanziell und sportlich heruntergewirtschafteten Klub, der hinter die Rivalen Borussia Mönchengladbach, Hamburger SV und 1. FC Köln zurückgefallen war.  Franz Beckenbauer war wegen eines Steuerskandals in die USA geflohen, Torhüter Sepp Maier musste seine Karriere nach einem Autounfall beenden und Torjäger Gerd Müller begann seine traurige letzte Station als Fußballer in Florida weit weg von den Bayern und Hoeneß. Doch siehe: Bereits ein Jahr später war der FC Bayern wieder Deutscher Meister.

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Uli Hoeneß revolutionierte die Art der Vereinsführung im Profi-Fußball von Grund auf. Als er übernahm, drückten den Verein 7,5 Millionen Mark Schulden bei einem Umsatz von zwölf Millionen Mark. Die einzige große Einnahmequelle war der Verkauf von Eintrittskarten. Der Unternehmer Hoeneß erkannte als erster das Potenzial einer Marke im Fußball. Er schuf die bis heute gültige gemeinsame Identität des FC Bayern („Mia san mia“), fand große Sponsoren und verwandelte den Klub mit dem Verkauf von Fan-Artikeln, Fernsehrechten und Vip-Paketen in ein Imperium von immer noch anhaltendem Wachstum. 

Viele Bayern-Legenden im Tagesgeschäft

Das alles gelang ihm durch eine persönliche Identifikation mit Verein und Unternehmen, wie sie im deutschen Fußball bis heute einmalig ist. Hoeneß hat es geschafft, viele Bayern-Legenden ins Tagesgeschäft einzubinden und so die DNA des Klubs fest in dessen Organen zu verankern. So traten Größen wie Franz Beckenbauer, Karl-Heinz Rummenigge, Paul Breitner und viele andere in den Dienst des Vereins, dem sie alles zu verdanken hatten. Und doch bestand nie ein Zweifel daran, dass der FC Bayern München Uli Hoeneß war. Und umgekehrt.

Dies ist das wahre Geheimnis des Bayern-Erfolges, den manche mit der Bevorzugung des Klubs durch das Geschenk des Olympiastadions 1972 erklären, andere durch das Geschenk der goldenen Generation um Beckenbauer, wieder andere mit der konsequenten Aggressivität, die alle Bayern-Konkurrenten im Lauf der Jahrzehnte zu spüren bekamen. Hoeneß entwickelte es zur Kunstform, den ärgsten Widersachern die besten Spieler wegzukaufen, selbst wenn er sie gar nicht gebrauchen konnte. Der Unterschied zu all den anderen großen Vereinen in Deutschland ist: Kein Klub  außer den Bayern hatte  Hoeneß.

Es gab nur zwei Ereignisse seit 1979, die sein Lebenswerk beim FC Bayern München gefährdet haben. Der erste geschah im Februar 1982 in Niedersachsen, als  Hoeneß als einziger Passagier den Absturz eines Kleinflugzeuges  überlebte, drei seiner Freunde starben.  Das zweite Ereignis war die von Hoeneß  praktizierte Steuerhinterziehung, die 2013 durch eine Selbstanzeige ans Tageslicht kam. Der Bayern-Präsident glaubte, so der Strafe für seinen verheimlichten Gewinn aus Devisenspekulationen entgehen zu können. Im März 2014 verurteilt ihn das Landgericht München wegen Hinterziehung von mindestens 28,5 Millionen Euro zu dreieinhalb Jahren Haft, von denen Hoeneß etwa die Hälfte verbüßte.

Dieser Makel in seiner Lebensgeschichte trifft einen zentralen Punkt im Wirken des Erfolgsmenschen Uli Hoeneß, der stets darum bemüht war, dem harten Image des jähzornigen Dauersiegers die Güte des  Philantropen entgegenzusetzen, der sich in der Freizeit um jene kümmert, denen es weniger gut geht. Er half abgestürzten Weggefährten, Profis und Klubs, gründete Stiftungen und zeigte sich in jeder Hinsicht engagiert. Das Bild des berechnenden Steuersünders, der die Allgemeinheit betrog und seiner Strafe durch Tricks entkommen wollte, passte ganz schlecht dazu. Hoeneß musste den Bayerischen Verdienstorden ebenso zurückgeben wie die Bayerische Staatsmedaille für soziale Verdienste.

Seit er im Februar 2016 das Gefängnis verlassen durfte, ist Hoeneß getrieben vom Verlangen nach vollständiger sozialer Rehabilitation. Er hat mehr öffentliche Auftritte absolviert und mehr Interviews gegeben und dabei mehr Unsinn erzählt als jemals zuvor.

Gerade weil der FC Bayern ohne Hoeneß nicht denkbar ist, war es doch eine große Überraschung, als er vor wenigen Monaten die Pläne für seinen Rückzug bekanntgab.  Die Kritik einzelner Mitglieder bei der letzten Jahreshauptversammlung saß doch zu tief. Der Pate, so hat sich gezeigt, kann ohne die Liebe seiner Familie nicht leben. Bevor es soweit kommt, tritt er lieber ab.

Die letzte große Uli-Show

Am Freitag wird also die vermeintlich letzte große Uli-Hoeneß-Show inszeniert. Die Bühne für große Worte und große Gefühle ist aufgebaut. Der Hauptdarsteller wird niemanden enttäuschen. Beifall wird rauschen, Tränen werden fließen, Verzweiflung wird sich breitmachen unter den Weggefährten, und Uli Hoeneß wird allen versprechen, dass auch dies nicht das Ende ist.  

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