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Ex-Viktoria-Coach über seine Zeit in Köln„Man hat auch bei Erfolg keine Jobgarantie“

Lesezeit 5 Minuten
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Patrick Glöckner (r.) während seiner Zeit in Köln

  • Mit dem Chemnitzer FC erwartet der Trainer am Samstag in der Dritten Liga die Kölner.
  • Der 43-Jährige redet über Probleme und Besonderheiten seines Jobs.
  • Er bewertet im Interview den Saisonverlauf der beiden Mannschaften.

Herr Glöckner, im Mai wurden Sie kurz vor dem Aufstieg mit Viktoria Köln von Ihren Aufgaben entbunden, und das als Tabellenführer der Regionalliga West. Haben Sie das inzwischen verarbeitet?

Das ist für mich inzwischen überhaupt kein Thema mehr. Ich habe eine neue Aufgabe in Chemnitz, die mich sehr fordert, mit der ich aber sehr glücklich bin. Hinzu kommt, dass ich in kurzer Zeit um eine große Erfahrung reicher geworden bin. Das war wichtig für meine persönliche Entwicklung.

Eigentlich waren es ja Sie, der mit der Viktoria aufgestiegen ist. Sehen Sie sich ebenfalls als „Aufstiegstrainer“ von Viktoria Köln?

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Definitiv! Das zeigt ja auch der Punktabstand nach dem letzten Spiel. Wir waren sozusagen schon einen Spieltag vor Schluss Meister, ohne es zu wissen. Hinzu kam das unmittelbare Feedback einiger Verantwortlicher direkt nach dem letzten Spiel.

Wie beurteilen Sie die Trennung einen Spieltag vor Ultimo im Nachhinein? Können Sie die Viktoria-Verantwortlichen ein Stück weit verstehen?

Der Sprung aus der Regionalliga in die Dritte Liga war enorm wichtig für Viktoria Köln. Dem wurde alles untergeordnet. Viktoria ist sieben Jahre lang nicht aufgestiegen und hatte bereits zehn Trainer vor mir. In den letzten zwei Jahren ist man einmal in der Relegation und einmal am letzten Spieltag gescheitert. Der Druck auf alle Beteiligten war sehr hoch.

Zwischendurch hatte die Mannschaft neun Punkte Vorsprung, vor dem letzten Spieltag aber nur noch einen. Wie kam dieser negative Trend zustande?

Es ist schon so, dass wir in der Hinrunde überdurchschnittlich gespielt und uns dadurch überhaupt erst den Vorsprung erarbeitet haben. Aber auch bei den Spielern wurde mit zunehmender Saisondauer der Aufstiegsdruck höher. Man hatte Angst, das große Ganze zu verlieren.

Zur Person

Patrick Glöckner (43), geboren in Bonn, bestritt neun Bundesliga-Spiele für Eintracht Frankfurt. Weitere Vereine waren Stuttgarter Kickers, Kickers Offenbach und FSV Frankfurt. Nach Beendigung seiner aktiven Karriere 2004 war Glöckner in verschiedenen Trainerpositionen in der Jugend und bei den U 23-Mannschaften seiner beiden ehemaligen Frankfurter Vereine tätig.

Von Juli bis Dezember 2017 war Glöckner Co-Trainer beim FC St. Pauli. Seit Januar 2018 war Glöckner als Co-Trainer beim FC Viktoria Köln tätig, wohin er Olaf Janßen gefolgt war, mit dem er schon bei St. Pauli zusammengearbeitet hatte. Am 18. Juni wurde der ehemalige Mittelfeldspieler zum Chefcoach der Viktoria befördert.

Im Mai 2019 wurde Glöckner vor dem letzten Spieltag auf dem ersten Platz stehend beurlaubt, da die sportliche Leitung aufgrund der negativen Tendenz das Saisonziel Aufstieg gefährdet sah. Zum zehnten Spieltag der aktuellen Drittliga-Saison übernahm der Fußballlehrer das Amt des Cheftrainers beim Aufsteiger Chemnitzer FC (ol).

Haben Sie noch Kontakt zu Spielern und Verantwortlichen der Viktoria?

Der Kontakt ist nie abgebrochen. Wir haben uns ja auch nicht im Bösen getrennt und gemeinsam sehr viel erlebt. Am Ende sind wir nun beide in der Dritten Liga, auch wenn nicht mehr gemeinsam.

Wie beurteilen Sie den Umgang mit Trainern generell? Auch Markus Anfang wurde im Frühjahr als Tabellenführer beim 1.FC Köln entlassen.

Ich habe es bereits einmal in einem anderen Interview gesagt: Der Fußball hat sich gewandelt, der Druck auf die Entscheidungsträger ist nochmal größer geworden. Man hat heutzutage als Trainer selbst im Erfolgsfall keine Jobgarantie mehr. Das macht es für einen Trainer schwer, konzeptionell etwas mittel- und langfristig nachhaltig aufzubauen.

Also ist es wichtig, dass ein Trainer Strategien entwickelt, um auf Dauer im Haifischbecken Profifußball überleben zu können?

Entscheidend ist, man selbst zu sein. Man sollte sein eigenes Ego immer hinten anstellen und flexibel mit einer klaren, sicheren Struktur sein Team führen. Jedes Team hat einen anderen Charakter, andere Stärken und Schwächen –  und das gilt es zu erkennen. Die Jungs müssen sich  wohlfühlen.

Am Samstag geht es nun für Sie als Trainer des Chemnitzer FC gegen Ihren Ex-Klub. Welche Gefühle kommen  in Ihnen hoch?

Wir stecken mitten in der Vorbereitung auf die Restrunde, waren  im Trainingslager und führen Gespräche mit Spielern und Beratern. Da bleibt wenig Zeit für Emotionen. Ich freue mich vor allem, dass die Saison weitergeht und wir zu Hause die Möglichkeit haben, seit langer Zeit die Abstiegsplätze zu verlassen.

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Empfinden Sie dieses Spiel womöglich auch als Rehabilitierungs-Möglichkeit für Sie, weil Sie es Ihrem einstigen Arbeitgeber noch einmal zeigen können?

Diesen Ansporn habe ich überhaupt nicht. Ich will gegen Viktoria genauso gewinnen wie gegen alle anderen Teams in der Liga. Das Ziel sind drei Punkte –  nicht mehr und nicht weniger.

Die Viktoria-Mannschaft kennen Sie zum großen Teil noch aus Ihrer eigenen Trainerzeit. Wie entscheidend ist dieser Faktor für die Vorbereitung?

Es ist vielleicht ein kleiner Vorteil. Aber so entscheidend ist das auch nicht mehr, weil wir Trainer heutzutage viele andere Möglichkeiten haben, um Gegner zu analysieren.

Was für ein Spiel erwarten Sie? Immerhin geht es für beide Mannschaften um  viel.

Wir werden auch im Jahr 2020 aktiv Fußball spielen und versuchen, dem Gegner unser Spiel aufzudrängen. Das hat unter meiner Leitung bisher ganz gut funktioniert. Ich erwarte ein sehr interessantes Spiel, das mit Sicherheit von beiden Seiten offensiv interpretiert wird.

Wie bewerten Sie den bisherigen Saisonverlauf der Viktoria und des CFC und wo werden beide Teams am Ende der Saison landen?

Beide Teams sind Aufsteiger und machen noch ihre Erfahrungen in der Dritten Liga. Diese werden teilweise hart bestraft. Der Unterschied ist der Trend. Viktoria hat stark begonnen und dann stark nachgelassen. Bei uns ist es umgekehrt. Aber der Fußball ist so schnelllebig, dass man keine Prognosen abgeben  kann.

Werden Sie mit einigen Verantwortlichen der Viktoria nach dem Spiel gemeinsam ein Bier trinken?    

Ich werde sicher die Gelegenheit nach dem Spiel nutzen, um mit dem einen oder anderen zu sprechen. Aber ich kenne die Abläufe nach einem Spiel. Da wird kaum Zeit bleiben.

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