StammbaumBauer Peter und 10.000 Nachfahren

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Bernhard Lob beschäftigt sich damit, wie Menschen namens Lob untereinander verwandt sind. (Bild: Roland U. Neumann)

Bernhard Lob beschäftigt sich damit, wie Menschen namens Lob untereinander verwandt sind. (Bild: Roland U. Neumann)

Bergisch Gladbach – Bernhard Lob freute sich über die E-Mail zum Geburtstag. Die nette Absenderin machte ihn neun Jahre jünger. Allein, er kannte die Absenderin gar nicht, und obendrein hatte er auch nicht Geburtstag. Eine Weile später bestätigte ihm eine andere E-Mail einen Wochenendurlaub in Holland, von dessen Buchung Lob bis dahin allerdings nichts wusste. Verwechslungen in der virtuellen Welt durch ähnliche Mail-Adressen passieren häufiger. Dass sie dazu führen, Namensvetter in der wirklichen Welt zusammenzuführen, dürfte hingegen selten sein.

Bernhard Lob aus Paffrath beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren damit, wo in Deutschland und darüber hinaus Menschen namens Lob leben und wie sie untereinander verwandt sind. Vielleicht waren es seine Ahnen, vielleicht war es aber auch nur sein Forschergeist, der ihm zuflüsterte, einen weiteren Bernhard Lob nicht einfach ignorieren zu können. „Es war mehr ein Gag als Ahnenforschung“, sagt der 57 Jahre alte Grundschullehrer. Nach den beiden Mails durchforstete er im Internet deutschlandweit Telefonbücher nach Mitbürgern gleichen Namens, stieß auf genau drei weitere Bernhard Lobs und organisierte ein Treffen. „Etwas verwundert waren sie schon“, erzählt Lob von den Telefonaten, bei denen sich der Anrufer mit dem Namen des Angerufenen meldete. „Aber alle waren offen, sich kennen zu lernen.“

Im November fand in Erkrath das erste „Bernhard-Lob-Treffen“ statt. Neben dem Paffrather Grundschullehrer trafen sich ein Apotheker, ein Bankkaufmann und ein Richter. Es lag nahe, dass das Quartett begann, nach mehr Verwandtschaft zu suchen als der des gleichen Namens. Verwundert und gespannt lauschten die drei anderen den Erörterungen des Paffrathers zur Lob'schen Geschichte, vertieften sich in Stammbäume und wurden fündig. Völlig verblüfft sei der jüngste Namensvetter gewesen, als er in dem Solinger Apotheker seinen Großonkel erkannte, der sogleich einiges über seinen eigenen kurz zuvor gestorbenen Vater und die Großeltern zu erzählen wusste. Auf einem riesigen Plakat mit dem Stammbaum einer Dortmunder Linie konnte der Paffrather Bernhard Lob die Verwandtschaftsverhältnisse darstellen.

Die Verwandtschaft mit dem 84 Jahre alten Erkrather Bankkaufmann ließ sich an jenem Tag im November nicht nachweisen. Es entstand jedoch ein handbeschriebenes Blatt mit allen Namen und Verbindungen, die der Senior-Lob aus seiner Familie kennt. Diese Angaben verglich der Paffrather Ahnenforscher mit den über die Jahrzehnte entstandenen Stammbäumen in seiner Sammlung. „Hunderprozentig ist es noch nicht erwiesen“, sagt er, „aber nahe dran.“ Schlüssel ist ein Lob, der 17 Jahre Missionar in China war und der sowohl vom Erkrather Lob genannt wurde als auch in einem vor 22 Jahren beschrifteten Stammbaum in der Sammelmappe vorkommt. Unwahrscheinlich, dass es zwei Missionare gleichen Namens in China gab. „Noch fehlt die letzte Bestätigung“, sagt Lob, aber dann wäre die Verwandtschaft aller vier Bernhard Lobs erfolgreich nachgewiesen.

Der Paffrather war 19 Jahre alt, als er begann, sich mit seinen Vorfahren zu beschäftigen. „Damals bekam ich die Ahnentafel meines Großvaters“, sagt er. Sein Vater kommentierte diese lapidar: „Da hammer nix mit ze donn.“ Das war dem jungen Lob Ansporn genug, das Gegenteil zu beweisen. Heute weiß er sicher, dass er von Peter Lob aus Kemmerich abstammt, der um 1600 geboren wurde. Die von dem Landwirt gestiftete Pestkapelle steht noch heute an der Straße zwischen Kemmerich und Lindlar.

Bernhard Lob stieß auf eine lange Linie Lindlarer Steinhauer namens Lob und auf eine Reihe bekannter und teils skurriler Familienmitglieder. So etwa einen Ernst Lob, der sich bereits Anfang des 20. Jahrhunderts der Familienforschung verschrieben hatte. „Er war ein wenig fanatisch“, erzählt Bernhard Lob, „und wollte sogar die Schädel vermessen lassen, um zu sehen, welche Ähnlichkeiten sie haben.“ Oder der Komponist und Liedtexter Otto Lob aus Lindlar, der in Heidelberg und Chicago lebte und 1865 bei Abraham Lincolns Beerdigung einen deutschen Chor dirigierte. Im gleichen Jahr wurde Fritz Lob geboren, der es als Generaldirektor der Preußischen Bergwerks- und Hütten AG zu Schlössern im Sauerland und Kattowitz brachte und der nachweislich fast Reichskanzler geworden wäre, hätte er nicht abgelehnt. „Hier beginnen die interessanten Spekulationen“, sagt Bernhard Lob: „Wäre die Geschichte vielleicht anders verlaufen, wenn Lob Kanzler geworden wäre?“

Was Bernhard Lob aus seiner Mappe zieht, zeigt auf, dass es mit einem Stammbaum nicht getan ist. Eher müsste es ein ganzer Wald sein. Der erste bekannte Lob hatte sieben Kinder. „Ich bin die zwölfte Generation - rechnen müssen Sie jetzt selbst“, sagt er. Bei grober Schätzung müsste es heute Tausende, wenn nicht Zehntausende Lobs auf der Welt geben, die vom Kemmericher Bauern Peter abstammen. Für den Ahnenforscher liegt hier die Faszination seines Hobbys. „Es ist die Erkenntnis, dass man nur ein Winzling im System ist. Und doch: Gäbe es den Winzling nicht, wäre das System an dieser Stelle zu Ende“, sagt er. Inzwischen hat er ein eigenes Familienwappen entwerfen lassen und wo immer er den Namen Lob hört, hakt er nach.

Schon am Beginn seiner Laufbahn als Lehrer fiel seine Wahl auf eine Grundschule, in der sich im Kollegium eine Dame namens Lob befand. Er unterrichtet heute noch dort. Das Vorhaben, die Stadthalle in Lindlar zu mieten, alle Lobs einzuladen und so zu setzen, wie sie verwandt sind, hat er jedoch aufgegeben. Er müsste die lieben Verwandten übereinander setzen.

Die vier Bernhard Lobs wollen indes in Verbindung bleiben. Vermutlich werden nicht viele dazukommen, denn Bernhard ist weit davon entfernt, in den aktuellen Top Ten der beliebtesten Vornamen zu erscheinen. Doch besser so als andersherum, denn im Grunde haben die vier entschieden Glück gehabt, dass sie Bernhard Lob und nicht etwa Hans Müller heißen. Diesen gibt es laut Telefonbuch nämlich etwa 6200-mal in Deutschland.

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