Susan Sontag: Grande Dame und Enfant terrible der US-Literatur

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New York - Susan Sontag ist eine Meisterin vonUnabhängigkeit und Provokation. Schon in den sechziger Jahre trat diehochbegabte Autorin ihren Landsleuten auf die Füße, als sie erklärte,die "weiße Rasse" sei der Krebs der Geschichte und Amerika "aufVölkermord gegründet". Doch am lautesten war der Aufschrei, den ihreÄußerungen zu den tieferen Ursachen der Terroranschläge am 11.September 2001 auslösten. Die Anschläge seien nicht, wie die Bush-Regierung behauptete,gegen die Zivilisation und die Freiheit im allgemeinen gerichtet,sondern Folge der Supermacht-Außenpolitik der USA, erklärte Sontagnach dem Sturz der Zwillingstürme, den sie in Berlin verfolgenmusste. Dass sie sich später mit einer Überdosis CNN und derEntfernung von New York für ihre Kritik entschuldigte, half nurbedingt. Sie hatte sich viele Sympathien verscherzt. Die 70-jährige Intellektuelle hat es all die Jahre verstanden,sich ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Sie gilt als Ikone von AmerikasLinken, setzt sich aber bewusst von ihnen ab. Sie sieht sich nichtals Pazifistin, den Bosnien-Krieg fand sie "überfällig". Beim Empfangdes Jerusalem-Preises im Mai 2001 scheute sich die streitbareAmerikanerin nicht, Kritik am Gastgeber Israel zu üben. Derweil gilt sie weiter als Grande Dame und zugleich Enfantterrible der US-Literatur. Schon im Alter von 14 Jahren wurde die ineine bürgerlich-jüdische Familie in New York geborene Frau von ThomasMann zum Tee geladen. Zu jener Zeit verschlang sie Enzyklopädien undlas mit Vorliebe Edgar Allan Poe. Mit 16 Jahren besuchte sie dieUniversität von Chicago, an der sie Philosophie, Französisch undLiteratur studierte. Ein Jahr später heiratete sie und wurde Mutter.Ihr Sohn David ist inzwischen selbst Autor mehrerer Bücher. Es folgten Studien an den Universitäten Oxford, Berkeley undHarvard. Dort schrieb sie ihre Doktorarbeit in Philosophie bei PaulTillich. Dann ging sie nach Paris, um sich mit dem französischenExistenzialismus zu beschäftigen. Bald darauf ließ sie sich scheiden,kehrte nach New York zurück, unterrichtete an der Columbia Universityund schrieb ihr erstes großes Werk. Für ihren jüngsten Roman "In Amerika" erhielt Sontag im Jahr 2000den National Book Award, einen der höchsten Buchpreise der USA. Indiesem Jahr erschien in Deutschland auch ihr Fotoband "Das Leidenanderer betrachten". Ihr erster Roman, "The Benefactor"" (deutsch:Der Wohltäter) war 40 Jahre zuvor erschienen. Doch er fand wenigerBeachtung als Sontags Essays, die von 1962 an in avantgardistischenKunst- und Literaturzeitschriften erschienen. 1967 lag ihr zweiter Roman, "Death Kit", vor. 1992 folgte derdritte, "The Volcano Lover" ("Liebhaber des Vulkan"). Zwischendurchdrehte Sontag Filme wie "Duet for Cannibals" in Schweden oder auch"Zwillinge" (Original: "Brother Carl") und inszenierte Theaterstücke,darunter "Samuel Becketts "Warten auf Godot" im zerstörten Sarajewovon 1992. (dpa)

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