Svea MülfarthVerlängerte Beine aus Kurgan

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Seit einigen Jahren wird eine Operation angeboten, die - zu Recht - sehr umstritten ist. Bekanntlich gehören zu jeder ästhetischen Operation gewisse Risiken. Es kann immer etwas schiefgehen. Doch der Wunsch nach einer Operation, die nur der Schönheit dient, ist längst keine Seltenheit mehr, und bei den meisten dieser Eingriffe haben Patienten auch nach der Operation noch Wochen, manchmal auch Monate Schmerzen. Da muss jeder für sich selbst entscheiden, wie viel ihm die Schönheit letztendlich Wert ist.

„Beine aus Kurgan“

Besonders skurril unter den vielen verschiedenen Angeboten zur Verschönerung: die Verlängerung der Beine. Das hört sich im ersten Moment wirklich toll an, denn lange Beine gelten als sexy und größere Menschen als erfolgreich, doch sollte man auch hinter das Ergebnis schauen. Dieser Eingriff ist kompliziert, teuer, vor allem sehr schmerzhaft und langwierig. Die Patienten beziehungsweise Patientinnen müssen schon einiges auf sich nehmen, um die Welt von etwas weiter oben betrachten zu können.

Doch das Ergebnis ist beeindruckend, bis zu 15 Zentimeter Beinverlängerung sind möglich. Ursprünglich kommt das Verfahren aus Russland, wo es vor etwas mehr als einem halben Jahrhundert von einem russischen Chirurgen namens Gawril Ilisarow in Kurgan entwickelt wurde. Eigentliches Ziel dieser Methode war, Geburtsfehler zu beheben oder Unfallopfern zu helfen. Heute ist „Beine aus Kurgan“ ein fester Begriff in Russland. Grundsätzlich hielt Dr. Ilisarow jedoch nicht viel von Schönheitsoperationen. In den vergangenen 50 Jahren gilt die Behandlungsmethode als medizinisch ausgereift. Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass sie weiterhin ungeheuer aufwändig und schmerzhaft ist. Entscheiden sich Patienten dafür, sich die Beine verlängern zu lassen, werden ihnen zunächst die gesunden (!) Knochen gebrochen. Anschließend müssen die Patienten mindestens ein halbes Jahr lang eine Edelstahlkonstruktion rund um ihr Bein tragen. Dies dient dazu, dass der Spalt, der durch das Knochenbrechen entstanden ist, erweitert wird. Die Folge: der Knochen wird länger und der Patient auch. In der Zeit, in der man dieses orthopädische „Meisterwerk“ trägt, wird der Spalt zwischen den Knochen immer mehr vergrößert. Im offenen Bein stecken Schrauben. Diese werden gedreht und der Knochen auseinander gedrückt. Pro Tag kann maximal eine Länge von einem Millimeter erreicht werden. Frauen versprechen sich davon mehr Erfolg im Beruf und auch im Liebesleben. Doch wie oben bereits erwähnt, bringt die Operation auch viele Risiken mit sich. Ein wichtiger Punkt ist, dass nicht nur die Knochen, sondern außerdem auch die Nerven und Muskeln verlängert werden müssen, was nicht selten zu Komplikationen führt. Zudem können als Folge dieser Operation sogar Thrombosen und schwerwiegende Entzündungen auftreten. Es gibt Berichte über Frauen, die insgesamt mehrere Operationen über sich ergehen lassen mussten, und anschließend noch über Monate im Rollstuhl saßen. Noch heute klagen sie über Schmerzen. Die wahrscheinlich aber schlimmste Folge des Eingriffs kann sein, dass anschließend das eine Bein länger als das andere ist.

Kostspielig

Dazu kommt, dass eine solche Beinverlängerung soviel Geld kostet, dass man sich stattdessen ein Leben lang eine Woche Wellnessurlaub jährlich leisten könnte. Doch letztlich muss jeder für sich entscheiden, was er sich Wert ist. Für mich käme solch ein Eingriff niemals in Frage. Ich hoffe sehr, dass es genug verantwortungsvolle Ärzte gibt, die kompetent beraten und abwägen, wie ernsthaft das Patientenproblem wirklich ist. Ich glaube nicht, dass 15 Zentimeter mehr oder weniger an körperlicher Länge über Glück und Erfolg im Leben entscheiden.

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