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Tina Teubner„Ich bin eine sehr gute Anfängerin“

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Tina Teubner. (Bild: Grönert)

Tina Teubner. (Bild: Grönert)

Alles passt zueinander: Tina Teubners klares, offenes Gesicht zu dem mit Schnee bedeckten Garten, die riesige Plüschkatze zum Flügel, die weißen Tulpen auf dem Tisch zu der Bank und den hohen Bücherregalen, das Kinderzelt zum Puppenkinderwagen, der Schokoladenkuchen zum Kaffee. Ihr Mann und musikalischer Begleiter Ben Süverkrüp - ja, er ist der Sohn von Dieter - sitzt neben ihr am Tisch und sagt erst mal nichts.

Tina Teubner, die am Sonntag in Mainz mit dem Kleinkunstpreis des Unterhauses in der Sparte Chanson / Lied / Musik ausgezeichnet wird, ist keine von jenen Künstlerinnen, die hektisch hinter dem Erfolg herhecheln. Vielmehr legt die ausgebildete Musikerin Wert auf die Unterscheidung zwischen persönlich und privat. Persönlich ist alles, was sie auf der Bühne erzählt, nicht zu verwechseln mit intimen Bekenntnissen. „Ich knalle dem Publikum nicht meinen Privatkram vor die Füße.“

Dass „die Teubner“ viele verschiedene Eigenschaften und Muster in sich vereint, hat sie bereits in ihrem Programm „Ich. Um nur einige zu nennen“ von allen denkbaren Seiten beleuchtet - eine interessante Beobachtung ist das allemal, angesichts der Tatsache, dass sie eine in sich ruhende Persönlichkeit zu sein scheint. Aber: „Man ist ja nicht nur lustig und nur traurig und nur böse und nicht nur lieb, und man liebt jemanden nicht nur, man hat auch Wut und Aggressionen.“

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Eines Tages, wenn sie richtig berühmt sei, würde sie die traurigsten Liebeslieder der Welt singen. „Für alle verlorenen Seelen, die weiter leben müssen, obwohl sie an der Liebe gestorben sind.“ Dabei macht sie keinen melancholischen Eindruck. „Ich glaube, dass bei mir die schönsten Sachen entstanden sind, wenn es mir wieder besser ging. Aber ich glaube auch, dass einen irgend etwas an der Welt stören muss. Wenn man alles herrlich findet, hat man nicht mehr den Wunsch, etwas zu sagen.“

In ihrer „Mini-Welt“ habe sie derzeit eine Glückssträhne, aber „das macht die Welt keinen Deut besser“. Für sie bedeute Glück, sich nicht verstellen zu müssen. Das habe mit dem Singen angefangen, nachdem sie in Wien Musiktherapie und sowohl in Düsseldorf als auch Münster Geige studiert und ihre Reifeprüfung abgelegt hatte. Aber sie habe relativ schnell gespürt, dass die Kleinkunstbühne ihr Ort sei, „für den Humor in einer ernsten Welt“. Draufgeschafft hat sie sich später das Spielen auf der singenden Säge, auf dem Akkordeon und der Ukulele: „Ich bin eine sehr gute Anfängerin. Ich bringe mir gerne was bei“, meint sie. Für die klassische Karriere sei sie einfach zu ungeduldig.

Ben Süverkrüp, der an der Folkwang Hochschule in Essen Komposition, Klavier und Musiktheorie studiert hat, begleitet sie nicht nur am Flügel, er komponiert auch die Songs. Bei aller Liebe zur Klassik: „Wir machen auch Anleihen bei der Pop-Musik“, gibt er zu, und Tina Teubner ergänzt: „Wir klauen.“ Aber ist es legitim, Passagen aus dem Werk eines anderen Künstlers in das eigene zu integrieren, ohne die Quelle anzugeben? „So klauen wir natürlich nicht“, schränkt Tina Teubner ein, „wir schreiben schon alles selber.“ Was sie meine, seien Anleihen an das, was man gesehen oder gehört habe. Aber die Angst mancher Kollegen, dass jemand etwas von ihm abkupfert, kann sie nicht nachvollziehen. „Jeder kann nur sein Ding machen. Wenn die Autorin Helene Hegemann sich was aus dem Internet gezogen hat, was ihr entspricht, ist das doch super.“ Aber natürlich müsse man die Quelle angeben. „Mir ist irgendwann zu Ohren gekommen, dass eine junge Kollegin nicht nur unsere Lieder übernommen hat, sondern auch die Moderationen. Da musste ich lachen.“

In ihrem allerersten Programm sei es ihr passiert, dass der Rezensent die von ihr vorgetragenen Songs von Brecht / Weill und Georg Kreisler ob der „ordinären und geschmacklosen Entgleisungen und schlechten Schüttelreime“ in Grund und Boden verrissen habe. Das ist inzwischen fast 20 Jahre her. Damals habe sie sich fremde Lieder „gnadenlos zu eigen“ gemacht habe. „Wir haben noch eine Menge CDs davon im Keller. Aber ich bin froh, dass Du die nie gehört hast“, sagt sie an ihren Mann gewandt.

Ihre Spezialität ist eine besondere Art von ironischer Distanz. So hat sie Tipps für frisch Verlassene, Depressive, Übergewichtige und Wohnungslose. „Ich bin zwar nicht so naiv zu glauben, dass ich etwas ändern könne, aber da ist dieser Impuls zu trösten. Menschen, die einen Bruch haben, sind mir näher als glatte Karrierefrauen wie etwa Ursula von der Leyen.“

Genauso engagiert zieht sie gegen verkniffene Öko-Freaks zu Felde. „Da geht es mir um diejenigen, die glauben, wenn sie ins Reformhaus gehen, könnten sie dem Tod weglaufen und wären die besseren Menschen.“ An dieser Stelle mischt sich Ben Süverkrüp ein: „Denen geht es doch nur darum, dass ihre Kinder die besten Kräuter und Breis bekommen. Alles andere blenden die komplett aus.“ Ganz im Gegensatz zu den ganz und gar nicht lustfeindlichen Eltern zweier Töchter im Alter von ein und drei Jahren. Womit wir bei dem Thema Kindererziehung wären. „Mütter, die ihre Kinder abgestillt haben und die sie nun mit Biokost füttern, sollen einfach mal zugeben, dass sie das machen, um nachts besser schlafen zu können.“

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