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TöpfereiDie Kunst, nicht perfekt sein zu wollen

Lesezeit 5 Minuten
"Junge Zeiten"-Autorin Christina Balsam während ihren ersten Töpfereierlebnissen.

"Junge Zeiten"-Autorin Christina Balsam während ihren ersten Töpfereierlebnissen.

Bergisch Gladbach – Wenn ich im Hausflur unserer Nachbaren stehe, fühle ich mich oft wie Alice im Wunderland. Das liegt nicht etwa daran, dass auf der Fensterbank eine Grinsekatze sitzt. Nein, es liegt an den Blumentöpfen. Die grinsen zwar nicht, starren mich dafür aber alle aus verschieden großen Augen an.

Selbstgetöpfert von meiner Freundin und ihrer Mutter, ist jeder dieser Blumentöpfe ein Unikat. Da ich die kreativen, liebevoll geformten Töpfe, Behälter und Tierchen aus Ton lange bewundert und auch selbst welche zum Geburtstag bekommen habe, wurde ich neugierig, das Töpfern selbst einmal auszuprobieren. An fehlender Kreativität oder zwei linken Händen sollte es nicht scheitern, so meine Selbsteinschätzung. So also kam es dazu, dass ich mich zu einer Schnupperstunde in Brigitte Teubner-Hatterscheids Töpferwerkstatt entschloss, in der auch meine Freundin ihren Kurs absolviert hatte. Mit freudiger Erwartung betrat ich die hell erleuchtete Werkstatt, wo ich herzlich in der familiären Runde begrüßt wurde – fast so, als wäre ich eine alte Bekannte. Alle Materialien standen schon auf dem Tisch und Brigitte, wie sich meine Lehrerin mir sogleich vorstellte, war voller Tatendrang. Bevor es aber losgehen konnte, setzten wir uns zuerst zu einem Brainstorming zusammen. Brigitte Teubner-Hatterscheid stellte mir einen Haufen Fragen: Was möchte ich überhaupt töpfern? Etwas Nützliches oder doch lieber etwas Dekoratives? Welche Art Dekoration soll es werden? Ein Tier, eine Pflanze oder doch lieber ein Teelicht? Ich entschied mich für die Tiervariante, denn meine Fensterbank ziert ja schon mein Geburtstagsgeschenk: zwei Schafe aus Ton. Und weil ich zu Hause kleine, quirlige Meerschweinchen habe, beschloss ich, dass ein selbstgetöpfertes Meerschwein genau das Richtige für mich ist.

Nachdem die erste Hürde mit meinem Entschluss genommen war, legte ich meine Arbeitsfläche mit Zeitungen aus, weil Ton sonst auf Holz und Keramik kleben bleibt. Mit einer Tonsäge schnitt ich von einem Tonklumpen eine rechteckige Scheibe ab. Aus der Scheibe formte ich mit Hilfe von einer schon fertigen Schale zwei offene Halbkugeln, die ich mit Schlicker, einem Gemisch aus Wasser und aufgeweichtem Ton, aneinanderklebte. Der daraus entstandene Tonklumpen war in der Mitte hohl, was gut so ist, denn sonst trocknet er nicht richtig und platzt beim Brennen. Um das zu verhindern, wurde am Ende zusätzlich noch ein Loch auf der unteren Fläche des Werkes gemacht, so dass Luft entweichen konnte.

Damit die Tonkugel ihre ovale Meerschweinchenform erhielt, klopfte ich sie mit einem Holz zurecht. An einigen Stellen bildeten sich dadurch feine Risse, die ich mit Schlicker wieder füllte. Während ich eifrig meinen Ton formte und klebte, erzählte Brigitte Teubner-Hatterscheid von ihrem Werdegang. Auf ihre Töpferwerkstatt ist sie besonders stolz. „Ich habe hiermit endlich mein Hobby zum Beruf machen können.“ Um das zu ermöglichen, musste Brigitte Teubner-Hatterscheid aus ihrer alten Wohnung ausziehen. „Da war einfach kein Platz mehr für meine getöpferten Werke.“ Denn teilweise musste sie ihre Arbeiten zum Trocknen für eine Woche im Haus stehen lassen, wodurch das Alltagsleben oft behindert wurde. „Außerdem musste ich meinen Arbeitsbereich immer wieder aufräumen, denn er wurde ja auch für andere Zwecke gebraucht.“

Heute kann Brigitte Teubner-Hatterscheid in ihrer Werkstatt ungestört ihrem Hobby nachgehen, ohne dass die getöpferten Figuren im Weg stehen. Auch aufräumen muss sie ihren Arbeitsplatz nicht, worüber sie froh ist. „Hier kann ich endlich die Werkzeuge auf dem Arbeitstisch stehen lassen und alle anderen Materialien, wie Zweige und Farben, stehen griffbereit in meinen Regalen.“

Als ich mit meiner Grundform zufrieden war, konnte ich mit dem Versuch beginnen, aus einem Klumpen ein halbwegs akzeptables Meerschweinchen zu formen. Was mir dabei im Weg stand, war nicht etwa der ungewohnte Umgang mit Ton, sondern mein Hang zur Perfektion. Mal war die Nase zu spitz, mal waren die Ohren zu groß oder die Augen höhenversetzt. Ich hätte frustriert aufgegeben, weil mein kleiner Nager mehr aussah wie eine Maus ohne Schwanz, wenn mich Brigitte Teubner-Hatterscheid nicht ermutigt hätte. „Ich habe mal einen Kurs besucht, der hieß ,unperfektes Töpfern’. Es muss nicht immer alles perfekt und naturgetreu sein, die Hauptsache ist, dass es dir gefällt“, erzählte sie mir. Ich betrachtete mein kleines Meerschwein. Süß war es ja schon irgendwie…

Für den Fall, dass ein Kursteilnehmer doch mal möglichst wirklichkeitsgetreu arbeiten will, stehen Bildbände zur Verfügung. Diese haben Brigitte Teubner-Hatterscheid bei ihrer letzten Arbeit geholfen. „Ich hätte sonst die Beine meines Froschs von vorne nach hinten angetöpfert, obwohl sie in Wirklichkeit hinten am Körper ansetzen und nach vorne angewinkelt sind“, erzählte sie. Ihre stark vermenschlichten Vögel, eines ihrer bevorzugten Motive, gestaltet die Töpferin allerdings frei nach Lust und Laune. „Dabei orientiere ich mich oft an verschiedenen Menschentypen und nehme ihre Charakterzüge auf die Schippe.“

Mein Meerschweinchen war derweil fast fertig geworden. Dank meiner frisch entwickelten „Unperfektes-Töpfern-Einstellung“ konnte ich die Ohren und die Augen des Tontierchens mit Schlicker ankleben. Ich musste mich nur entscheiden, wie ich dem Körper Fell geben wollte. Glatt oder lieber mit Struktur? Nachdem ich mehrere Werkzeuge ausprobiert hatte, sah das Ganze nach frisch gerechtem Rasen aus. Deshalb strich ich alles wieder glatt und patschte mit dem Tonkleber viele kleine Hubbel drauf. Strubbliger kann ein Rosettenmeerschweinchen kaum aussehen!

Bevor ich meinen neuen Freund mit nach Hause nehmen darf, muss er noch eine Woche trocknen. Wenn er dann gebrannt ist, kann ich die Glasur auftragen und meinem Schweinchen eine Fellfarbe verpassen. Und bis dahin werde ich mich hoffentlich entschieden haben, ob es weiß oder schwarz werden soll. Oder doch lieber braun, indem ich es einfach gar nicht anmale und so lasse... ?

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