U-Bahn-Bau„Da ist mit System gefälscht worden“

Lesezeit 4 Minuten
Baugrube für die Nord-Süd-U-Bahn am Kölner Heumarkt. (Bild: dpa)

Baugrube für die Nord-Süd-U-Bahn am Kölner Heumarkt. (Bild: dpa)

Köln – Bericht vom 16.2.2010

Das soll ein Versehen sein? Der Gesprächspartner, Insider bei der Aufklärung des Kölner U-Bahn-Skandals, winkt ab. „Die Wahrscheinlichkeit, dass man zehn Wochen lang hintereinander sechs Richtige im Lotto hat, ist größer, als dass es sich hier lediglich um einen Irrtum handelt“, sagt der Tiefbau-Experte. Was ihn vor allem so erstaune, sei die „geballte Häufung, mit der getrickst wurde“.

Der Verdacht auf organisierten Betrug beim U-Bahn-Bau wird immer größer. Nachdem der „Kölner Stadt-Anzeiger“ von falschen Vermessungsprotokollen bei 28 Schlitzwand-Lamellen berichtet hat, gehen dem Vernehmen nach mittlerweile auch die Gutachter der Staatsanwaltschaft davon aus, dass die rechtlich vorgeschriebenen Unterlagen nicht durch einen Zufall oder ein Versehen verfälscht worden sein können.

Alles zum Thema Kölner Verkehrs-Betriebe

„Das sieht nach Absicht und systematischen Manipulationen aus“, hieß es im Umfeld der Ermittler. Die Werte korrekter Lamellenprotokolle seien zum Teil auf breitere Wandabschnitte umgerechnet worden. Die so erzielten Ergebnisse wären dann als angebliches neues Vermessungsprotokoll zu den Bauakten genommen worden. Dies sei „baustellenübergreifend“ geschehen, hieß es. Die Daten einer Lamelle vom Heumarkt wurden etwa zur Manipulation von Protokollen der Baustelle am Waidmarkt genutzt. Betroffen seien auch die Gruben am Rathaus, Chlodwigplatz und Kartäuserhof.

Als Lamellen werden die einzelnen Abschnitte der Schlitzwand bezeichnet, die das seitliche Eindringen von Grundwasser in die Baugrube verhindern soll. Die Vermessungsprotokolle dokumentieren die genaue Größe, Breite und Tiefe dieser Wandteile wie einen individuelle Fingerabdruck. Ursprünglich war lediglich die Schlitzwand-Lamelle 11 der U-Bahn-Grube Waidmarkt ins Blickfeld der Ermittlungen geraten. Die Gutachter der Staatsanwaltschaft vermuten ein Loch in diesem 3,40 Meter breiten Abschnitt der Baustellen-Außenwand, durch das Grundwasser in die Grube strömte, was zum Einsturz des Stadtarchivs geführt haben könnte.

Nach Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ist für Lamelle 11 sowohl das Vermessungsprotokoll als auch das vorgeschriebene Protokoll mit den tatsächlich eingefüllten Betonmengen verfälscht. Der Bauleiter Klaus U. und der Oberbauleiter Herbert L., gegen die die Staatsanwaltschaft Köln wegen der zahlreichen falschen Protokolle ermittelt, sind vergangene Woche von ihre Arbeitgeber Bilfinger Berger suspendiert worden. Zuletzt hatte Vorstandschef Herbert Bodner zwar Fehler in den Protokollen zwar eingeräumt, diese indes wären womöglich durch Probleme mit der komplizierten Software entstanden, mit der der „eine oder andere“ Mitarbeiter eventuell überfordert gewesen sei. Am Dienstag jedoch hörte sich dies schon deutlich anders an. „Die Erkenntnisse überholen sich täglich“, räumte Unternehmenssprecher Martin Büllesbach auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ein. Angesichts der Enthüllungen der zurückliegenden Tage müsse er „inzwischen davon ausgehen, dass wir eventuell immer angelogen werden“. Man werde sich fortan nicht mehr auf die Aussagen der eigenen Mitarbeiter verlassen, sondern alle Vorgänge „genauestens“ prüfen. „Denn fest steht, dass wir nicht immer korrekt informiert wurden“, so Büllesbach. Eine Ankündigung, die die Kölner Verkehrs-Betriebe interessieren dürfte. Deren Vorstand informierte am Dienstagmorgen den Aufsichtsrat über die jüngsten Enthüllungen zum Bau der rund eine Milliarde Euro teuren Nord-Süd-U-Bahn. „Da ist mit System gefälscht worden“, sagte ein Aufsichtsratsmitglied im Anschluss an die Sitzung dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Im Hinblick auf die Vermessungsprotokolle „stelle sich schnell die Frage, bis in welche Etage man gehen muss, um diese so manipulieren zu können“.

Der Aufsichtsrat des städtischen Verkehrsunternehmen befasste sich auch mit einer eventuellen Kündigung der Bauverträge. „Das muss aber genau abgewogen werden“, sagte KVB-Chef Jürgen Fenske. In diesem Falle seien weitere Verzögerungen bei dem Bauvorhaben zu befürchten.

Die Arbeitsgemeinschaft der Baufirmen hat sich mittlerweile über ihre Kölner Rechtsanwaltskanzlei zu den Vorfällen geäußert. In dem vierseitigen Schreiben an die KVB, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, gibt die Arbeitsgemeinschaft zu, dass „in etwa 20 Protokollen Übereinstimmungen beziehungsweise Auffälligkeiten gefunden“ worden seien. Und derartige Übereinstimmungen würden „allen praktischen Erfahrungen“ widersprechen. Weiter heißt es, auszuschließen sei jedoch der Verdacht, „es sei absichtlich ein ideal passendes Protokolle für Lamelle 11 verwendet worden.“

Die KVB wertet die Stellungnahme als „unzureichend“. Die Arbeitsgemeinschaft habe nicht dargelegt, wie sie „künftig Missstände wie die bisherigen verhindern will“.

KStA abonnieren