Und koste es auch den Tod

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Zwischen Aktion und Stille: Das Junge Theater Leverkusen zeigt „Romeo und Julia“ nach Shakespeare.

Und dann hat's wumm gemacht. Oder so ähnlich. Romeo und Julia sehen sich, und es ist passiert. Liebe auf den ersten Blick. Doch nicht den Zustand des Verliebtseins, des Schwärmens und Schmachtens stellt das Junge Theater Leverkusen in seiner jüngsten Produktion in den Mittelpunkt, vielmehr die Stufe danach. Liebe, das bedeutet unauflösbares gemeinsames Leben bis in den Tod.

Doch in der Tragödie finden auch humoristisch pralle Szenen ihren Platz. Das ist Shakespeare. Mit der Kirche ging er parodistisch ins Gericht. Das tut auch Matthias Lüdecke als Bruder Lorenzo - manchmal mit einer Prise zu viel des Spaßes. Den Grat zwischen Komik und Tragik beschritt Johanna Schmidt während der Generalprobe am Donnerstagabend. Ihre Amme ist eine französische Gouvernante, die zwischen Fürsorge zwitschert und Entsetzen schreit. Die Rolle ist doppelt besetzt. Auch Anne Wieser spielt die Wärterin.

Intensives gestisches und mimisches Spiel kennzeichnet die Inszenierung. Schweigen sagt stellenweise mehr, als noch so schöne Shakespeare-Worte, und daher hat Regisseur Bernd Vossen kräftig gestrichen, auch umsortiert, wenn Deutungen dadurch klarer wurden. Beispiel Madame Capulet, die Mutter Julias: Selbstverliebt und herrisch, zieht sie kalt lächelnd durch, was sie sich vornimmt. Die Tochter muss heiraten, koste es - auch deren Tod. Jennifer Breitrück hat den Mut zum „fiesen Charakter“. Ihre Gräfin ähnelt der bösen Märchen-Stiefmutter. Dass ein solcher Machtmensch männliche Worte gebraucht, liegt nahe. So spricht Jennifer Breitrück Passagen, die Shakespeare Julias Vater in den Mund gelegt hatte.

Die Inszenierungen von Bernd Vossen setzen Körpersprache ein. Lasst Bilder sprechen, auch in der Bühnendekoration: Schaumstoffwürfel werden zu Bett, Thron oder Gruft zusammen gesetzt. Dabei muss die Phantasie der Zuschauer allerdings mitspielen. Das fällt durchgehend leicht, weil sich die Handlung im Zuschauerraum fortsetzt. Die Kampfszenen stehen als Sinnbild für den leichtfertig-lockeren pubertären Umgang mit Waffen. Heute wie vor 400 Jahren. Sie geben sich so überlegen cool, die jungen, verfeindeten Helden (Marcus Caspers, Daniel Thierjung). Sie raufen, provozieren, kämpfen. Schon ist es geschehen. Zwei sterben, tödlich getroffen. Richtig gewollt hat das eigentlich niemand.

Der Versuch Romeos, mit einem sanften „Hey Leute, hört auf“, die Auseinandersetzung zu schlichten, ist zum Scheitern verurteilt. Denn er verhält sich biblisch und hält auch noch seine linke Wange hin. Lucas Huppertz ist als Romeo ein blond gelockter Außenseiter, ein Verträumter, ein Nachdenklicher, ein Hamlet-Typ. Dass er auf Julia (Mareike Heil) abfährt, passt, denn auch sie ist eine Unangepasste.

Der Reiz der Inszenierung liegt im Gegensatz von Atem nehmender Stille und knalliger Aktion. Sie gibt Jugendlichen die Möglichkeit, sich in den Figuren wieder zu finden. Dass die Sprache Shakespeares ein wenig zu kurz kommt, wird jene stören, die staatstragendes Theater erwarten, doch das Junge Theater macht spannendes Stadt-Theater. Da kommt es auch vor, dass zugunsten des Ausdrucks die Artikulation leidet.

Die Premierenvorstellung am Samstag und auch die nächste Aufführung im Theater an der Herzogstraße sind ausverkauft, Karten gibt es wieder für die Aufführung am 19. März im Agam-Saal. Anlass ist der fünfte Geburtstag des Jungen Theaters Leverkusen, 0214 / 310 14 44.

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