Volker FinkeDas Ende eines Rosenkriegs

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Hat sich beim 1. FC Köln selbst demontiert: Volker Finke. (Bild: Dahmen)

Hat sich beim 1. FC Köln selbst demontiert: Volker Finke. (Bild: Dahmen)

KÖLN - Wie immer hat der 1. FC Köln eine Überraschung auf Lager: Volker Finke ist auch dabei. Der ein paar Stunden zuvor entlassene Sportdirektor des Fußball-Bundesligisten schlendert am Sonntagmorgen gemeinsam mit Verwaltungsrat-Chef Werner Wolf zur kurzfristig angesetzten Pressekonferenz im Geißbockheim. Wolf, breit lächelnd, nimmt rechts auf dem Podium Platz, Finke, nervös lächelnd, setzt sich nach links. Zwischen ihnen sitzt Klubsprecher Tobias Schmidt. Die Atmosphäre ist angespannt, hektisch lassen die Fotografen die Kameras rattern. Was will Finke hier? Welche Form von Eintracht soll hier demonstriert werden, wo er am Vorabend gefeuert worden ist? Die Fragezeichen werden größer, als Wolf seine Ansprache hält – was er sagt, kann Finke nicht gefallen.

Nach einem überschwänglichen Lob für das wilde und wild erkämpfte 1:0 der Kölner gegen Hertha BSC vom Samstag („Die Mannschaft hat klasse gekämpft und einen tollen Sieg errungen. Das habe ich dem Trainer und der Mannschaft eben gesagt“) folgt dies: „Wir haben gestern Abend nach einem Gespräch mit Volker Finke, das im Anschluss an das Spiel gegen Berlin stattgefunden hat, mitgeteilt, dass er und der 1.FC Köln ab sofort getrennte Wege gehen. Darüber haben wir uns einvernehmlich verständigt. Der Grund liegt in unterschiedlichen Auffassungen über die fußballerischen Weichenstellungen des 1.FC Köln.“ Eine Zusammenarbeit sei somit nicht mehr sinnvoll. Und keine Fragen, bitte.

Dabei hätte es Fragen genug gegeben: Warum jetzt, nach dieser aufwühlenden und erfolgreichen Fußball-Schlacht gegenBerlin?Und warum der Sportdirektor und nicht der freundliche, aber immerhin kritisierbare Trainer Stale Solbakken? Und wie wäre die Entscheidung ausgefallen, wenn das Spiel verloren worden wäre? Gab es einen Plan B? „Das mag für viele überraschend kommen“, räumte FC-Geschäftsführer Claus Horstmann am Sonntag beim TV-Sender „Sport 1“ ein, das Ganze folge aber durchaus einer inneren Logik.

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Man wolle, sagte Horstmann, die Vorbereitung auf die neue Saison rechtzeitig und in Ruhe bewältigen. Jetzt, neun Spieltage vor Schluss der Saison, sei das der richtige Zeitpunkt. Der richtige Zeitpunkt um – aber da ist man wieder im Bereich der Spekulation –den Rosenkrieg in der sportlichen Führung des Vereins zu beenden.Finke und sein ursprünglicher Wunschtrainer hatten zuletzt in ihrer öffentlichen Auseinandersetzung beinahe enthemmt agiert.

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Zwei Männer ruinieren ihren Ruf

Der eine, Finke, legte leicht angewidert großen Wert darauf, nicht mit dem taktischen Neandertal-Fußball des Norwegers in Verbindung gebracht zu werden. Solbakken im Gegenzug verwies stetig und trotzig darauf, dass die Mannschaft und ihre Spieler nicht seinen Vorstellungen entsprechen. Beide, das war der Eindruck, waren bemüht darum, mit dem möglichen Scheitern des Projekts „1.FC Köln – der Neuaufbau“ nicht ursächlich in Verbindung gebracht zu werden. Ein spektakuläres Bild: Zwei Männer, die um ihren Ruf kämpfen, während sie dabei sind, ihn zu ruinieren. Und den Klub gleich mit. In diese absurde Konstellation ist der Klub nun mit langem Anlauf – die Gespräche zum Thema liefen laut Wolf schon „seit Wochen“ – hineingegrätscht.

Wolf, im Hauptberuf Sprecher der Geschäftsführung der Bitburger Brauerei, weiß, was sich gehört. Er findet ein paar lobende Wort für die 13 Monate mit Finke: „Er hat einen wertvollen Beitrag zum Klassenerhalt in der Saison 2010/11 geleistet. Er ist das Risiko eingegangen, sich für drei Spiele auf die Bank zu setzen. Dafür sind wir ihm sehr dankbar.“ Finke habe den Klub zudem „mit fußballerischem Know-how“ bereichert.“ Nun sucht der FC aber frischen Fußball-Sachverstand. Man werde die Stelle des Sportdirektors bald neu besetzen und „in nötiger Ruhe Gespräche mit geeigneten Kandidaten führen“, sagt Wolf.

Kommt Rettig zurück?

Der Name Andreas Rettig steht im Raum. Der 48-Jährige war von 2002 bis 2005 Manager in Köln und ist seither in Augsburg tätig. Nach Michael Meiers Abschied im Dezember 2010 war der FC schon einmal bei ihm vorstellig geworden. Rettig stand damals nicht zur Verfügung, war aber behilflich bei der Kontaktaufnahme zu Finke, den es nach Japan verschlagen hatte. Im Februar 2011 trat der frühere Freiburger das Amt in Köln an. Sein Vertrag lief bis 2013.

Finkes Auftauchen in Köln ging einher mit einer der glücklicheren Phasen der jüngeren Vereinsgeschichte. FC-Eigengewächs Frank Schaefer führte ein umgemodeltes Team als Trainer aus den Abstiegsrängen, Heimsiege in Serie und ein Publikum, das seinen Augen nicht recht traute: Junge Leute auf dem Platz, offensiv ausgelegte Spielauffassung und ein Lukas Podolski in Geberlaune. Aber Schaefer zögerte mit der Vertragsverlängerung. Und so nach und nach wurde deutlich, warum. Finke hatte kein rechtes Vertrauen in die schöne, neue FC-Welt. Schaefer erschien ihm zu unerfahren, zu unsicher und überfordert mit der Frage, mit welchen Spielern man in die Zukunft geht und mit welchen nicht.

Weg der schleichenden Demontage

Anstatt das so zu sagen – was nicht leicht gewesen wäre angesichts der Popularität des Trainers – ging Finke den Weg der schleichenden Demontage. Eine Bemerkung hier, ein Statement zu Schaefers religiösem Engagement dort, stets ein offenes Ohr für unzufriedene Spieler und ein paar gezielte Anrufe bei Journalisten, um mal zu erklären, wie sich das alles wirklich verhält. Am Ende war Schaefer erledigt, Finke übernahm für drei Spiele als Trainer den Klub, holte neun Punkte und vermied so den Abstieg. Ob Finke die Schaefer-Krise ausgelöst oder am Ende so gerade noch entschärft hat – darüber wird es für alle Zeiten zwei Versionen geben.

Als sich dieser Mechanismus jetzt mit Solbakken wiederholte – die Vorgänge waren nicht identisch, glichen einander aber wie ein Rübenstrunk dem anderen – musste die offenbar alarmierte oberste Klubführung von einem Verhaltensmuster ausgehen, mit dem der gelernte Alleinherrscher Finke seine Aufgabe als Sportdirektor definierte.

Ungeschickt: Finke kritisierte Podolski

Eine vorläufige Unbekannte in der Trennungs-Gleichung bleibt die Rolle des eigentlichen Machtzentrums des Klubs: Das Verhältnis von Podolski zu Finke war bald gestört, vielleicht sogar zerstört. In der Frage eines Transfers hat der Sportdirektor klugerweise nicht offensiv gehandelt – dass er vom Camp des Spielers voreilig und in Verkennung der tatsächlichen Machtverhältnisse am Geißbockheim Klarheit forderte, war ungeschickt. Aber keine Todsünde.

Wolf konkretisiert nun, warum der FCnicht mit Finke weitermachen konnte: „Wir glauben, dass Klarheit über den weiteren Kurs ein wesentliches Element für unseren Erfolg sein wird“, befindet er. „Der 1.FC Köln braucht die volle Konzentration des Trainers und der Mannschaft auf die restlichen Spiele. Diese Klarheit haben wir jetzt. Stale Solbakken hat unser volles Vertrauen.“ Er freue sich sehr, schließt Wolf, dass Finke sich bereit erklärt habe, an der Pressekonferenz teilzunehmen. Denn das zeige, dass er nicht „grollend in einer Ecke“ sitze.

Finke: "Ab und zu der Bad Guy"

Während Wolf so spricht, schaut Finke etwas unlustig ins Publikum. Sein Lächeln kommt gequält rüber. Der 63-Jährige ist aber offenbar entschlossen, hier nicht als Verlierer zu erscheinen, sondern als einer, der über solch profanen Dingen wie Entlassungen und/oder einvernehmlichen Trennungen steht. Das hört sich so an: „Das Jahr in Köln war interessant und nie langweilig für mich.“ Es habe ihm auch nichts ausgemacht, „ab und zu der Bad Guy zu sein“. Zu den Hintergründen seiner Entlassung schweigt Finke aber, beziehungsweise: „Ich bitte Sie, mich zu respektieren, wenn ich wie die drei Affen nichts höre, nichts sehe und nichts sagen werde.“ Und keine Fragen, bitte.

Finke hat so eine Klammer geschlossen, schon bei seinemAmtsantritt hatte er die drei Affen zitiert. In Japan, wo er zuvor arbeitete, hat das Sprichwort folgende Bedeutung: „Über Schlechtes weise hinwegsehen.“

Draußen hat inzwischen das Training begonnen. Die vielen Zaungäste begrüßen Solbakken mit heftigem Applaus. Als Triumphator, der einen Intim- und Erzfeind ausgeschaltet hat, mag der Norweger sich jedoch nicht sehen. „Es gibt in dieser Situation keinen Gewinner“, sagt der 44-Jährige. Und: „Ich will nicht lügen und sagen, dass wir das beste Verhältnis hatten. Es war auch nicht so, dass Herr Finke alles falsch und ich alles richtig gemacht habe.“ Wichtig sei, dass alle nun zusammenstünden. Solbakken: „Wirmüssen weiter Punkte holen, damit wir auch in der nächsten Saison in der Bundesliga spielen.“

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