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Vom Fließbandarbeiter zum Großbäcker

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Türkisches Fladenbrot aus Leverkusen findet Tausende Abnehmer in ganz Nordrhein-Westfalen und sogar im benachbarten Belgien und in Holland.

Manchmal, je nach dem wie der Wind steht, weht ein Hauch frischen Brots weithin über die Fixheide und weckt spontan Assoziationen von Frühstück und Urlaub. Und was die Geruchsnerven signalisieren, trifft sogar den Kern. Denn was da in der Luft liegt, hat tatsächlich einen Ruch von Exotik, präziser: des Orients. Die Gerüche entstammen den Backöfen der Artar Brot GmbH, die an der Maybachstraße eine Großbäckerei für türkische Brot- und Backspezialitäten betreibt. Die fast 30-jährige Geschichte der Firma, die zurück geht auf die Gründung eines Betriebs namens „sark firini“ - wörtlich übersetzt: Ost-Bäckerei -, spiegelt auf gleichsam „klassische“ Weise den Werdegang eines jungen türkischen Ehepaars, Meryem und Nail Artar mit Namen, das Anfang der 70er Jahre nach Deutschland kam, um hier zu arbeiten. Der junge Mann schuftete in Köln bei KHD (Klöckner Humboldt Deutz), seine Frau Meryem schob Schicht für Schicht am Fließband von Ford. Doch nach einigen Jahren schon machte sich das Ehepaar selbstständig und baute in der Kölner Südstadt ein Lebensmittelgeschäft auf. Das Brot bezogen die beiden - aus einer Leverkusener Bäckerei an der Hauptstraße in Wiesdorf. Dann eines Tages vor etwa zehn Jahren war just diese Bäckerei zu verkaufen, und die Familie Artar samt ihren drei mittlerweile erwachsenen und bestens ausgebildeten Söhnen übernahm den Betrieb, der schon damals die Dimensionen einer Großbäckerei aufwies. Der Entschluss hatte insofern weitreichende Folgen, als die Artars sich bereits kurz nach der Übernahme damit konfrontiert sahen, die Firma an ihrem angestammten Standort wieder dicht zu machen. Zu eng war die Nachbarschaft zwischen Produktionsbetrieb und Wohnbevölkerung geworden. So machte die Familie, maßgeblich unterstützt durch die Söhne, letztendlich Nägel mit Köpfen, siedelte um in die Fixheide und baute dort eine Brotfabrik auf, die nun bereits ins zehnte Jahr geht.

Zwar ist das Prinzip, dass aus Mehl Teig hergestellt und daraus Brot gebacken wird, erhalten geblieben. Doch die Größenordnungen entsprechen industriellen Maßstäben. Da werden täglich Tonnen an Mehl in Rührschüsseln verknetet, deren jede einzelne 350 Liter Teigmasse fasst. Da liefern Lkw Zentnersäcke voll mit Sonnenblumenkernen, Sesamkörnern und Gewürzen an. Da ist von Fertigungsstraßen und Kühltürmen die Rede, und das ist wörtlich zu nehmen.

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Die Produkte - neben Roggenmisch-, Mehrkorn- und Weißbroten auch die bekannten Fladenbrote und Sesamringe - werden praktisch vollautomatisch hergestellt, das heißt, maschinell portioniert, in Form gebracht, gebacken und lieferfertig verpackt. Nur in einer kleineren Abteilung, wo Spezialitäten wie die türkische Pizza hergestellt werden, ist noch traditionelle Handarbeit gefragt. Es ist von eigenartigem Reiz, dem Mann zuzusehen, der dort mit bewundernswertem Geschick faustgroße Portionen zu tischtuchgroßen und millimeterdünnen Blätterteig-„Tüchern“ ausrollt.

Mit rund sechs Millionen Mark Jahresumsatz und einer verkauften Stückzahl von etwa sieben Millionen Teigprodukten zählt die Artar GmbH, die 40 Mitarbeiter beschäftigt, mittlerweile zur Spitzengruppe der türkischen Industriebäckereien im Lande. Und obwohl seinerzeit durchaus großzügig ausgelegt, hat sich das Betriebsgebäude schon längst als zu klein erwiesen.

Geleitet wird die Firma mittlerweile nur noch von den drei Söhnen Anil, Algin und Akin, denen Tekin Demir als Verkaufsleiter und Serkan Karadogan (Kundenservice und Buchhaltung) zur Seite stehen. Die Eltern haben sich, erzählt der jetzige „Senior“, der 36-jährige Anil Artar, „in den wirklich hart erarbeiteten Ruhestand“ zurückgezogen.

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