Vor dem TodBerühmte und ihre letzten Worte

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Johann Wolfgang von Goethe sagte angeblich zuletzt: „Mehr Licht“. (Bild: Archiv)

Johann Wolfgang von Goethe sagte angeblich zuletzt: „Mehr Licht“. (Bild: Archiv)

KÖLN - Alt werden ist nichts für Feiglinge. Diese Erfahrung machte auch Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe. Seit Mitte März 1832 ging es mit dem Autor des „Faust“ gesundheitlich steil bergab. Aus einer fiebrigen Infektion der Atemwege entwickelte sich eine Lungenentzündung, die den Greis ans Bett fesselte. Am 22. März starb der Schriftsteller schließlich an einem Herzinfarkt. Goethes Leibarzt Doktor Vogel Carl schrieb 1833 im „Journal der practischen Heilkunde“: „,Mehr Licht‘ sollen, während ich das Sterbezimmer auf einen Moment verlassen hatte, die letzten Worte des Mannes gewesen seyn, dem Finsternis in jeder Beziehung verhasst war.“

Auch wer nicht Germanist ist, hat sich in einem TV-Quiz tödlich blamiert, wenn er bei der Frage, was Goethe am Ende sagte, passen muss. Doch hat der Dichterfürst es wirklich so gesagt? Hat er vielleicht sogar etwas anderes von sich gegeben? Der Hamburger Philologe Cornelius Hartz äußert wohlbegründete Zweifel. In seinem Ende Februar erschienen Buch „Sehen Sie – So stirbt man also“ unterzieht Hartz die vermeintlich letzten Worte von 55 bedeutenden Persönlichkeiten einem Plausibilitätsscheck. In Goethes Fall taxiert der Autor die Wahrscheinlichkeit, dass der Sterbende die berühmten beiden Worte in dieser Form äußerte, auf magere zehn Prozent.

Hartz verweist auf den Arzt Vogel, der, wie er selbst schrieb, nicht im Zimmer war, als Goethe sprach. Allerdings befanden sich bei dem Sterbenden andere Personen, denen zufolge der Dichter sagte: „Macht doch den zweiten Fensterladen auch auf, damit mehr Licht hereinkomme!“ Hartz zufolge war Vogel dieser Satz aber schlicht zu profan, um ihn in dieser Form der Nachwelt zu hinterlassen.

Und in der Tat: Passt der Ausspruch „Mehr Licht“ ohne den ganzen banalen Rest nicht viel besser zu Goethe, der durch sein lebenslanges Streben nach höchster Erkenntnis mehr Licht in das Dunkel dieser Welt bringen wollte? Hartz betont, dass die Sprüche oft dazu dienten, „das ganze Leben einer berühmten Person in einer einzigen Sentenz zusammenzufassen, um sie der Nachwelt in einer bestimmten Art und Weise in Erinnerung zu halten“. Immer wieder wurde stilisiert, gemogelt und zurechtgebogen, damit die Abschiedsworte irgendwie zu dem Sterbenden passen.

Weitere Variante bei Goethe

Im Fall von Goethe liefert der Autor eine weitere Variante. Demnach befand sich dessen Schwiegertochter Ottilie im Moment des Todes bei Goethe. Der Todkranke soll gesagt haben: „Frauenzimmer, gib mir dein Pfötchen!“ Zu dumm nur, dass auch das nicht so recht zu einem Genie passen will.

Doch manchmal sind die Abschiedsworte dann doch so etwas wie eine symbolische Zusammenfassung eines Lebens. Bevor Johannes Paul II. verschied, sagte er laut der offiziellen Akte des Heiligen Stuhls: „Lasst mich ins Haus meines Vater gehen.“ Wer will das ernsthaft bezweifeln?

Von Caesar, über Ludwig van Beethoven bis hin zu Sissi, Konrad Adenauer und James Dean. Cornelius Hartz prüfte die Quellen und gibt den Echtheitsgrad der letzten Worte mit einer Prozentzahl an. Das ist zwar plakativ, mindert aber nicht die Qualität der Argumentationen. Der Philologe liefert dem Leser eine vergnügliche Reise durch die Sterbezimmer der Jahrhunderte.

Cornelius Hartz: Sehen Sie, so stirbt man also, Verlag Philipp von Zabern, 160 Seiten, 19,99 Euro Euro.

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