Vorm Älterwerden hat er keine Angst

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Seit 17 Jahren glücklich verheiratet: Marlene und Erik Silvester. Mit Hund Robby leben die beiden in Hahnwald.

Seit 17 Jahren glücklich verheiratet: Marlene und Erik Silvester. Mit Hund Robby leben die beiden in Hahnwald.

Im Hahnwald sieht man vor lauter Bäumen die Häuser nicht und findet kaum Hausnummern, weil üppige Rhododendron-Büsche und Hecken die Schilder verschwinden lassen. Da ist man dankbar für jede Orientierungshilfe - insbesondere, wenn sie so eindeutig ist wie das Kennzeichen K-ES 7777 an jenem Fahrzeug, dessen Farbe irgendwo zwischen Himmel und lila Pause liegt und dessen Besitzer so selbstverständlich hinter den Initialen wie zu seinem ganzen Namen steht. Dabei war Erik Herschmann ja schon erwachsen, als er beschloss, Silvester werden zu wollen: der Schlagersänger Erik Silvester. Wer Erik Silvester ist, weiß jeder. Nicht erst, seit sein Hund Robby - von Schlagzeilen begleitet - richterlich verpflichtet wurde, in der Mittagszeit und am Abend nicht zu bellen, weil Nachbarn sich beklagt hatten. Robby hüpft wie ein Pingpongball, als der Besuch sich dem Bungalow nähert.

Marlene Silvester lächelt am Eingang, dort wo die Efeu-Hecke von künstlichen Weihnachtssternen farbliche Verstärkung erhält. Sie trägt eine weiße Rüschenbluse. Erik Silvesters Frisur trägt einen Hauch von Sommerwind und eine Sonnenbrille. Der Kaffeetisch trägt eine fliederfarbene Decke. Die Vögel zwitschern, und der Rasen strotzt vor sattem Grün. Wenn man sich nun vorstellt, dass jeder Grashalm für ein Silvester-Lied stehen könnte - so viele Songs hat er geschrieben - dann wundert man sich, dass alle immer sofort an den gleichen Hit denken: „Zucker im Kaffee.“

Den nimmt der Mann, der eine ganze Schlager-Ära mitprägte, schon lange nicht mehr. „Nur noch Süßstoff!“ „Zucker im Kaffee“ ist Erik Silvester nur noch seinem Publikum schuldig. Mehr als dreißig Jahre ist es her, dass dieser Titel zum Ohrwurm wurde und seinen Macher zu etwas machte, was er ursprünglich gar nicht werden wollte: Schlagersänger. Er hatte ja bereits die Schauspielschule in München absolviert, bevor ihm bewusst wurde, dass man ihn in einer anderen Funktion auf der Bühne wollte.

Treffender, als mit seinem allerersten Hit aus dem Jahre 1967 hätte Silvester die berufliche Weichenstellung wohl kaum umschreiben können: „Dann fiel die Tür zu.“ Dafür wurden ihm neue Welten eröffnet. Nachdrücklich erzählt Silvester von seinem Auftritt bei einem großen Song-Festival in Brasilien, „wo die ganze Weltelite vertreten war“. Sein „Zucker im Kaffee“ schaffte es zwar nicht auf die ersten drei Plätze, „wurde später aber für zehn Wochen Nummer-eins-Hit! Deutschsprachig!“

Die Stimme verrät den Stolz eines Mannes, der im Haifisch-Becken „Showbranche“ während all der Jahre nicht unterging: Mehr als 25 Millionen verkaufte Tonträger gehen auf das Konto des Mannes, der sogar eine eigene Fernseh-Show „Talent-Revue“ hatte. Silvester war eben klug genug, beizeiten nicht nur auf (s)eine Stimme zu setzen. So stammt Karl Dalls Erfolgsnummer „Millionen Frauen lieben mich“ genauso aus seiner Feder wie „Viva Viagra“, das Stück, mit dem sich der Prinz von Anhalt als Sänger versuchte. „Während wir hier sitzen, wird bei irgendeinem Sender unter Garantie was von mir gespielt.“

Vielleicht liegt Silvesters Haupterfolg darin, dass er so nett wirkt und „auch gar nicht anders kann als nett zu sein“. Selbst wenn er um vier Uhr früh das Bett verlassen muss, sechs Stunden im Zug schmort, um auf Norderney einen Titel zu singen, und nach weiteren sechs Stunden Zugfahrt wieder Zuhause landet, kann ihm zwar vorübergehend die Freude, nicht aber die Nettigkeit abhanden kommen. Ein für Skandal-Gräber tödlicher Fauxpas. Und so klagt denn auch Eriks Ehefrau Marlene, „dass leider niemand darüber berichtet, was er für schöne Lieder schreibt, und was für ein toller Komponist er ist. Alle wollten nur wissen: was ist in der Ehe los?“

Was los ist? „Harmonie“ ist los. Seit dem 3. November 1984, dem Datum, als sie sich beim Kölner Presseball begegnet sind, sind „17 harmonische Ehejahre“ vergangen. Sie, die attraktive Witwe des Rennfahrers Rolf Stommelen, und er, der zweifach geschiedene „Frauenverschleißer“, wie er sagt, gaben nur kurz was für die Klatschspalten her. Längst ist es bei Silvesters so, wie bei vielen Paaren: Sie kauft ihm sämtliche Kleidung und komponiert das Zuhause: Zurzeit liebt sie Möbel mit Leoparden-Muster

Er hat regelmäßige Auftritte, Wochenend-Galas und verbringt viel Zeit im Studio, wo an den altorosa getünchten Wänden die alten Plattencover hängen. „Die meisten Sachen hab' ich gar nicht gesammelt, war ich wohl zu oberflächlich“, gesteht der Künstler, während sein Blick über all seine Abbilder schweift.

„Vorm Älterwerden“, sagt Silvester, „habe ich keine Angst.“ Es käme auf die innere Einstellung an und darauf, wie lange das Publikum einen trage. Popularität findet er angenehm, „aber es ist nicht so, dass ich überall auf der Straße erkannt werden will“. Von den vielen Einladungen, die er bekomme, nehme er ohnehin nur wenige wahr. „Alle vier bis fünf Monate“ ist er bei einem Medientreff. „Da muss man sich ab und zu mal blicken lassen, sonst glauben die auch, du seist tot.“ Aber Bewunderung, betont Silvester, sei „völlig unwichtig und sekundär. Nur das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, das stelle ich mir schrecklich vor!“

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