Wagenknecht„Den Kapitalismus überwinden“

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Die Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht. (Bild: dpa)

Die Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht. (Bild: dpa)

Frau Wagenknecht, heute beginnt der Linksparteitag. Was darf das Publikum denn erwarten: Heftiges Flügelschlagen oder Harmonie?

SAHRA WAGENKNECHT: Weder noch. Wir werden lebendige Diskussionen haben. Aber im Grundsatz hoffe ich, dass der Programmentwurf trägt und ihm am Ende über 90 Prozent der Delegierten zustimmen.

Traditionalisten gegen Reformer – ist das das Schicksal der Partei?

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WAGENKNECHT: Das ist ein stilisierter Konflikt, weil viele aus dem sogenannten Reformerlager den Programmentwurf genauso unterstützen wie ich. Es ist uns das wirklich schwierige Kunststück gelungen, die gemeinsamen Positionen festzuhalten. Wir brauchen ein Programm, das uns eint, und keins, das uns spaltet. Das ist ein klar antineoliberales und antikapitalistisches Programm mit deutlichen Antikriegspositionen. Das ist der gemeinsame Nenner. Eine Mehrheit in Ost wie West steht dahinter.

Was für eine Gesellschaftsordnung strebt die Linke an?

WAGENKNECHT: Wir wollen den Kapitalismus überwinden. Dabei ist für uns die Frage des Eigentums zentral. Wir wollen eine Wirtschaft, in der diejenigen, die den ganzen Reichtum erarbeiten, auch über seine Verwendung entscheiden. Das setzt voraus, dass in Kernbereichen nicht mehr kapitalistisches Eigentum dominiert, sondern öffentliches und Belegschaftseigentum. Gerade die Finanzkrise zeigt, wie wichtig das ist. Wir erleben, wie eine Handvoll Zockerbanken die Politik vor sich hertreiben. Gewinne bleiben privat, Verluste werden sozialisiert. Wir wollen dieses Kasino schließen.

Wollen Sie Kommunismus?

WAGENKNECHT: Wenn man Marx beim Wort nimmt, ist der Kommunismus eine ferne Utopie. Das, was wir wollen, ist eine neue Wirtschaftsordnung, die nicht mehr vom Renditestreben regiert wird. Niemand will die überzentralisierte Planwirtschaft der Vergangenheit wiederhaben. Die DDR ist seit 20 Jahren tot. Was auf der Tagesordnung steht, ist eine moderne, überzeugende, produktive Alternative zum Kapitalismus.

Sie persönlich rücken mehr ins Blickfeld der Öffentlichkeit – als mögliche künftige Führungsfigur. Müssen Sie sich nun zurücknehmen?

WAGENKNECHT: Selbstverständlich muss man in Führungspositionen die gesamte Partei vertreten und nicht nur eine Strömung. Ich betrachte es schon lange als meine Aufgabe, über Strömungen hinaus zu wirken.

Für manche sind Sie ein rotes Tuch. Andere setzen große Hoffnungen in Sie.

WAGENKNECHT: Natürlich kann ich verstehen, dass es unterschiedliche Meinungen über mich gibt. Ich wünsche mir allerdings und werde daran auch arbeiten, dass diejenigen, die zurzeit noch Vorbehalte haben, diese abbauen können.

Kurioserweise werden Sie ja im internen Proporz als Westdeutsche verbucht, weil Sie in Düsseldorf für den Bundestag kandidiert haben. Dabei hat Düsseldorf den Ruf einer Schickimicki-Metropole. Kommt Ihnen diese Kombination nicht auch komisch vor?

WAGENKNECHT: Nein, das kommt mir gar nicht komisch vor. Denn das mit der Schickimicki-Metropole stimmt so nicht. Natürlich gibt es in Düsseldorf Menschen, die sehr reich sind. Aber genauso gibt es Menschen, die für miserable Löhne arbeiten, in Leiharbeit oder anderen Billigjobs, und es gibt Hartz-IV-Empfänger, denen es verdammt dreckig geht. Die soziale Spaltung, die es in Deutschland insgesamt gibt, ist in Düsseldorf mit Händen greifbar. Was mich persönlich betrifft, so fühle ich mich in Düsseldorf sehr wohl.

Können Sie die Aversionen der Kölner gegen die Düsseldorfer nachvollziehen?

WAGENKNECHT: Ich finde auch Köln eine wunderschöne Stadt und kenne sehr charmante und nette Kölner. Auch meine Mitarbeiterin kommt aus Köln.

Das Gespräch führte Markus Decker

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