Walter VolmerEin stiller Menschenfreund

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Auf einer Pressekonferenz präsentiert Walter Volmer 1980 eine Bombe, die in einem Lokal in der Südstadt explodiert war. (Archivbild: Tutt)

Auf einer Pressekonferenz präsentiert Walter Volmer 1980 eine Bombe, die in einem Lokal in der Südstadt explodiert war. (Archivbild: Tutt)

Als die ersten Polizisten am Montagmittag an der Unfallstelle in Niehl eintreffen, versuchen Rettungskräfte schon, den verunglückten Fahrradfahrer zu reanimieren. Aber es gelingt ihnen nicht. Der 69-Jährige hat die schweren Verletzungen durch den Zusammenstoß mit einem Auto nicht überlebt. Als die Beamten die Personalien des Verunglückten prüfen, stellen sie fest, dass es ein ehemaliger Kollege ist - Walter Volmer, bis zu seiner Pensionierung 2001 Chef der Kölner Kriminalpolizei. Am Nachmittag überbringt ein langjähriger Mitarbeiter Volmers dessen Ehefrau die Todesnachricht. Walter Volmer hinterlässt drei erwachsene Kinder.

Bestürzung und Fassungslosigkeit herrschen am Dienstag auch im Polizeipräsidium. Den Kontakt zu seinen alten Kollegen hatte der 69-Jährige auch im Ruhestand intensiv gepflegt. „Wie paralysiert“ sei die Stimmung, beschreibt ein Ermittler. Er behalte Volmer als „Menschenfreund mit tadellosem Charakter“ in Erinnerung. Akribisch in der Sache, umsichtig im Umgang mit seinen Kollegen. Kein Mann der lauten Töne. Außerdem ein leidenschaftlicher Fahrradfahrer, der fast nie ohne Helm unterwegs war. Ob er auch am Montag einen trug, sei noch nicht klar, sagte ein Polizeisprecher. Auch der Hergang des Unfalls stehe noch nicht fest. Die Staatsanwaltschaft hat einen Sachverständigen eingeschaltet. Die junge Autofahrerin (21) erlitt einen Schock, konnte aber inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen werden.

„Sein Tod hinterlässt eine schmerzliche Lücke“, sagte Polizeipräsident Klaus Steffenhagen. „Walter Volmer war eine außergewöhnliche Persönlichkeit, er war wegen seiner besonderen, den Menschen zugewandten Art bei Mitarbeitern und Führungskräften sehr beliebt. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie.“ Der ehemalige Polizeipräsident und heutige Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) fügte hinzu: „Sein kriminalistische Erfahrung war unübertroffen. Gerade in schwierigen Fällen hatte er mein volles Vertrauen.“

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Kurz vor und vor allem nach seiner Pensionierung hatte Walter Volmer sich auch in Historikerkreisen einen Namen gemacht. Er recherchierte, wie tief die Kölner Polizei in das Nazi-System verstrickt war und schrieb darüber ein sehr persönlich gefärbtes Buch mit dem Titel „Mitten ins Herz“.

Festzustellen, dass seine Vorgänger in der Behörde maßgeblich am braunen Terror beteiligt waren, schmerzte den Polizisten mit 42 Jahren Diensterfahrung. Er kam zu dem Fazit, dass nahezu alle Kölner Polizisten von den Deportationen in die Konzentrationslager und von den Erschießungen durch Polizeibataillone gewusst haben müssen, nicht wenige hätten sich daran beteiligt. „Ich bin von alten Nazis ausgebildet worden“, sagte Volmer einmal im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Er sagte das sehr ernst. Die Erkenntnis hatte ihn spürbar erschreckt, sie brachte sein Bild von der Kriminalpolizei ins Wanken. Andererseits beruhigte ihn seine persönliche Erfahrung, dass die Polizei in den vergangenen Jahrzehnten viel kritischer geworden sei. „Schon in der Ausbildung lernen die jungen Beamten, Dinge zu hinterfragen, wachsam zu sein.“

Für Wirbel sorgten vor zwei Jahren Volmers Äußerungen über den letzten noch lebenden Edelweißpiraten Jean Jülich. Den Vorwurf, Jülich habe die in Ehrenfeld versteckten Juden 1944 gar nicht treffen können, weil er zu dem Zeitpunkt nicht in Köln gewesen sei, nahm Volmer im Zuge eines Gerichtsprozesses wieder zurück.

Im beschaulichen Lüdinghausen in Westfalen geboren, kam Walter Volmer 1961 nach Köln, wurde Schutzmann am Waidmarkt. „Schlimm war das“, erinnerte er sich einmal. Familienstreits, Schlägereien, Kämpfe im Rotlichtmilieu - der junge Beamte aus der Kleinstadt war plötzlich mittendrin. Später leitete er die Abteilung für Mordermittlungen, 1996 wurde er Chef der Kripo. Zu seinen spektakulärsten Fällen gehörten die Entführungen der Bankierstochter Nina von Gallwitz und des elfjährigen Johannes Erlemann 1981, die Schleyer-Entführung und das Gladbecker Geiseldrama.

Seine Frau half Walter Volmer stets, die beruflichen Belastungen zu verarbeiten. In einem Interview sagte Volmer einmal: „Sie hat mindestens die Hälfte meines Gehalts verdient.“

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