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Wegen X-ChromosomSind Frauen klüger als Männer?

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Schach gilt weithin als Denkerspiel und somit als Intelligenz-Indiz. (Bild: Jupiter)

Schach gilt weithin als Denkerspiel und somit als Intelligenz-Indiz. (Bild: Jupiter)

Von wegen das schwache Geschlecht – Frauen haben viele Stärken, die sie Männern überlegen machen. Sie sind weniger suchtgefährdet, begehen seltener Selbstmord, ertragen Schmerzen und Stress besser und bringen in der Schule mehr Leistungen als Männer – also viele Gründe zum Feiern am Weltfrauentag am 8. März.

Dieses Selbstbewusstsein gab es bekanntermaßen nicht immer. „Jahrtausende haben sich Männer als körperliche und geistige Helden positioniert und nun ist innerhalb weniger Jahrzehnte der Stern der männlichen Überlegenheit verblasst. Die Entwicklung droht sogar ins Gegenteil umzuschlagen“, sagt der Humanbiologe Heinrich Zankl. Jetztsind Frauen nach Erkenntnissen der Genforschung auch noch schlauer. Außerdem sollen sie maßgeblich an der Entwicklung der menschlichen Intelligenz beteiligt sein.

Das Argument für diese beiden Thesen liefert der Genforscher Zankl in seinem Buch „Das Verflixte X – Sind Frauen intelligenter als Männer?“. „Wir wissen mittlerweile, dass viele Erbanlagen, die Einfluss auf die Intelligenzentwicklung nehmen, auf dem X-Chromosom liegen“, sagt der Wissenschaftler und Autor. Da Männer nur über ein X-Chromosom verfügen, Frauen aber über zwei, haben Defekte bei Männern oft schwerwiegendere Auswirkungen als bei Frauen. So ist geistige Minderbegabung bei Männern häufiger als bei Frauen. Zur Ehrenrettung des männlichen Geschlechts: Auch die Hochbegabung ist bei Männern häufiger anzutreffen.

Zu diesem Ergebnis kam auch eine Studie an der Universität Edinburgh aus dem Jahr 2007, die die Intelligenz von Männern und Frauen untersucht hat. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass es unter den intelligentesten zwei Prozent der Bevölkerung doppelt so viele Männer wie Frauen gibt. Zugleich stellten die Forscher jedoch fest, dass die Männer auch in der Gruppe mit geringer Intelligenz besonders stark vertreten sind.

Die Erklärung der Psychologen: Männer würden von Natur aus stärkernach Intelligenz streben, um für das andere Geschlecht attraktivzu sein. „Das weibliche Entwicklungsprogramm könnte eher dazu neigen, das Überleben zu gewährleisten und sich der Sicherheit des Mittelfeldes zu erfreuen“, sagt der Studienleiter und Psychologieprofessor Timothy Bates.

Der Humangenetiker Horst Hameister von der Universität Ulm denkt in die gleiche Richtung. Auch er geht von einem überproportionalenBeitrag des X-Chromosoms zur Intelligenzentwicklung aus. Die Hochintelligenz bei Männern hält er für einen wichtigen Bestandteil der menschlichen Evolution. „Mit einer überragend ausgebildeten Intelligenz gelingt es nicht nur, für viele Frauen attraktiv zu sein und mit ihnen Nachkommen zu zeugen. Dieselben Gene verleihen auch im täglichen Existenzkampf Erfolg“, sagt Hameister.

Intelligenz nur von Müttern vererbt

Beim Menschen ergänzten sich einmalig in der Natur die beiden Kräfte– natürliche und sexuelle Selektion. Das habe zu einer außerordentlichschnellen Entwicklung der Intelligenz geführt und sie gehe weiter.„Es ist nun sehr delikat zu erkennen, dass wir diese Entwicklung ausschließlich den speziellen Wünschen und Erwartungen unserer weiblichen Geschlechtspartner verdanken“, sagte Hameister im Hinblick auf die langanhaltende Vorstellung von der umfassenden Überlegenheitdes Mannes.

Auch bei der Intelligenzvererbung spielt der Mann eine untergeordneteRolle. „Ein Vater gibt seine Intelligenz nur an seine Tochter weiter, nicht aber an seinen Sohn. Der Junge bekommt nur die Intelligenzgene auf dem X-Chromosom von seiner Mutter“, sagt der Genetiker. Von seinemVater bekommt er schließlich nur das Y-Chromosom. Die Geschlechter sind aber nicht nur in der Hinsicht ihrer XChromosome anders angelegt.Das Gehirn von Männern und Frauen arbeitet auch anders. Das weiß die Leseöffentlichkeit spätestens seit Bestsellern wie „Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus“ oder „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“, die Klischees über die Geschlechter bedient.

Frauen nutzen ihr Gehirn nicht so einseitig wie Männer

Wirkliche, nämlich wissenschaftliche Beweise gibt esfür Unterschiede bei der Wahrnehmung, der Orientierung und der Koordination. Das Sehfeld ist laut Zankl bei Frauen größer, Männer sehen dafür schärfer. Frauen können einzelne Finger gezielter bewegen, Männer werfen und fangen dafür besser – auch schon in Kindertagen. Bei der Wegsuche verlassen sich Männer häufiger auf ihre Fähigkeiten, Richtungen und Entfernungen besser abzuschätzen. Frauen orientieren sich an charakteristischen Objekten, zum Beispiel dem Briefkasten an der Ecke.

Doch auch bei der unterschiedlichen Arbeitsweise des Gehirns sieht der Humanbiologe Zankl erneut Frauen im Vorteil: „Frauen nutzen ihr Gehirn nicht so einseitig wie Männer und können deshalb in vielen Bereichen Funktionsstörungen besser kompensieren.“ Vollständig lassen sich die verschiedenen Denkweisen der Geschlechter jedoch nicht erklären, sagt auch Zankl. „Was nun im einzelnen Erbanlagen oder Umwelteinflüsse sind, lässt sich wahrscheinlich nicht bis ins letzteDetail klären“, so der Wissenschaftler.

Und auch die Genforschung wird laut Zankl noch viele Überraschungen bereit haben. „Mit der Entschlüsselung des menschlichen Erbguts hat die Forschung einen großen Schritt nach vorn gemacht. Seitdem wissenwir aber auch: Alles ist viel komplizierter, als wir zunächst gedacht haben.“

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