Wirtschaft„Das Geld war mir egal“

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Davit Sukiasyam präsentiert in seinem Brühler Büro die Früchte seiner Heimat und probiert den neuen Jahrgang Granatapfelwein. Sein Lieblingssprodukt ist die Walnusskonfitüre. (Bild: Ringendahl)

Davit Sukiasyam präsentiert in seinem Brühler Büro die Früchte seiner Heimat und probiert den neuen Jahrgang Granatapfelwein. Sein Lieblingssprodukt ist die Walnusskonfitüre. (Bild: Ringendahl)

Brühl – Auf seine Walnusskonfitüre ist Davit Sukiasyan besonders stolz. Nicht nur, weil sie auf der Lebensmittelmesse Anuga als Weltneuheit präsentiert wurde. „Das Rezept habe ich selbst kreiert. Ein Traum zu Käse, aber natürlich auch zum Frühstück.“ Süße, noch grüne armenische Walnüsse werden dafür mit Schale eingekocht, verrät er. Dass der 36-Jährige Armenier jetzt als Brühler Feinkosthändler die sinnlichen Schätze seines kleinen Heimatlandes vertreibt, hätte er sich vor einem Jahr noch nicht träumen lassen. 130 Kilo wog der Banker damals und widmete sein Leben der wenig sinnlichen Macht der Märkte. Als Leiter der Armeconomikbank in Eriwan bestand sein Alltag in Armenien von 8 bis 23 Uhr aus Zinsen, Krediten, Geld und nervösen Aktionären. „700 Mitarbeiter und 700 Probleme hatte ich damals. Jeden Tag Stress“ , erinnert er sich. Und daran, dass er selbst immer nervöser und dicker wurde.

Dann brachte ein schwerer Autounfall seinen inneren Motor abrupt zum Stehen. Drei Monate war Sukiasyan ans Bett gefesselt. In dieser Zeit der erzwungenen Auseinandersetzung mit sich selbst reifte die Erkenntnis, „dass ich nicht mehr in die Bank zurückkehren will. Das Geld war mir egal, ich wollte was Neues.“ Gleichzeitig wuchs in ihm eine Idee. Sein Traum war, seine beiden kulturellen Identitäten Armenien und Deutschland zu verbinden. „Dass ich eine deutsche Großmutter hatte, weiß ich erst, seit ich 13 Jahre alt bin“, erzählt er. Erst da hatte sein 1940 geborener Vater die Kraft, das Familiengeheimnis zu lüften. „Meine Familie hatte ungeheure Probleme in der NS-Zeit mit einer deutschen Frau.“ Großen Ressentiments sei sie ausgesetzt gewesen. Sein Großvater fiel im Krieg, als der Vater drei Jahre alt war. Die Großmutter landete schließlich in der Psychiatrie, der Vater im Kinderheim. „Das Deutsche hat er daraufhin abgespalten.“

Für ihn selbst waren die deutschen Wurzeln der Zugang zu einer neuen Welt, die auch ein Teil seiner selbst war: Er begann, Deutsch zu lernen, interessierte sich für deutsche Kultur. Seine Schwester wanderte als Russlanddeutsche nach Köln aus, studierte Musik und arbeitet als Musiktherapeutin. Im Urlaub besuchte er sie und lernte das Rheinland schätzen, gewann Freunde in Brühl und Wesseling.Und er merkte, wie wenig die Menschen über Armenien und seine Schätze am Fuß des Ararats wussten. Immerhin der älteste christliche Staat der Welt. Nach der Bibel strandete die Arche Noah nach der Sintflut auf dem Berg Ararat. Das Leben begann dort erneut. „Und noch heute kann man von diesem wunderbaren Garten Eden kosten“, wirbt Sukiasyan. Das sonnenreiche Gebirgsland ist die Heimat der Aprikose, die auf Lateinisch Prunus Armeniaca, also armenische Pflaume heißt. Hier gedeihen Granatäpfel, Feigen und Tomaten und vieles mehr. „Alles natursüß, ohne Chemikalien angebaut und traditionell handgepflückt“. Der ehemalige Banker erkannte, dass dies für deutsche Feinschmecker interessante Produkte sind. Schließlich seien die Säfte nur aus Fruchtpüree, ohne Konzentrat und Wasser.

In dem sämigen Granatapfelsaft stecken 100 Prozent Granatäpfel. Und im Tomatensaft nur Tomaten. Dazu sei Granatapfelsaft eine Gesundheitsbombe, die den Blutdruck senkt. Marmeladen werden ohne Zusatzstoffe wie Pektin zubereitet. 40 Produkte umfasst seine Palette derzeit: Granatapfel- oder Quittenwein, Säfte, Feigenkonfitüren, Aprikosen in jeder Form. In Europa sei er der Einzige, der in dieser Form armenische Produkte vertreibe. Bislang hat Sukiasyan in seinem Brühler Büro nur einen Internetversand. Wenn das Geschäft weiter so gut läuft, will er auch einen Laden mieten. Acht Lkw-Ladungen hat er in den ersten vier Monaten verkauft, 2012 sollen es 20 werden. Delikatessgeschäfte sind wichtige Abnehmer, auch auf einem mehrwöchigen Weihnachtsmarkt lief das Geschäft „prima“. In einigen Monaten werden seine Frau und die drei Kinder auch nach Brühl ziehen. „Dann bin ich richtig zufrieden. Ich bin 40 Kilo leichter, schlafe wieder gut. Und kann sagen, ich habe in meinem Leben für meine Armenier etwas kleines Gutes gemacht.“

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