„Die Schlagkraft NRWs erhöhen“Das ist die neue Strategie für die Außenwirtschaft

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NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart

NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP)

  • NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart spricht im Exklusiv-Interview erstmals über die neue Außenwirtschaftsstrategie des Landes.
  • Der Fokus soll künftig nicht mehr auf einzelnen Ländern liegen. Außerdem formuliert der FDP-Politiker anspruchsvolle Ziele.
  • Statt Giganten wie Tesla künftig mit Finanzhilfen zu locken, legt Pinkwart den Fokus auf andere Instrumente – und fordert einen gesellschaftlichen Konsens.

Köln – Herr Pinkwart, Sie reformieren aktuell die Außenwirtschaftsstrategie des Landes NRW. Wie sehen Ihre Pläne aus?

Zum einen planen wir, sowohl die Ansiedlung von Unternehmen in NRW zu forcieren als auch die Unterstützung von NRW-Unternehmen im Ausland zu verstärken und wirksamer zu gestalten. Ein erster Schritt ist, die bisher getrennten Gesellschaften für die Investoren- und Standortwerbung auf der einen und die Markterschließung auf der anderen Seite unter dem Dach einer neuen Gesellschaft zu vereinen. Damit werden wir Schlagkraft und Sichtbarkeit der nordrhein-westfälischen Wirtschaft in Europa und weltweit erhöhen. Gleichzeitig ändern wir auch den Fokus der Außenwirtschaftsarbeit.

Was genau soll sich ändern?

Wir werden künftig viel stärker themenbezogen agieren, statt den Fokus auf einzelne Länder zu richten. Die hervorragenden Partnerschaften mit Ländern und Regionen in Europa und der Welt bestehen weiterhin und werden intensiviert. Gleichzeitig zeigt sich aber gerade in diesen volatilen Zeiten, wie wichtig es ist, uns auf Themen zu konzentrieren: Gesundheit und Hygiene, Digitale Technologien, Energiesysteme der Zukunft, neue Formen der Mobilität sowie Klimaschutz und Nachhaltigkeit.

Zur Person

Andreas Pinkwart (59, FDP) ist seit 2017 Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie in NRW. Der Diplom-Volkswirt leitete bis 1994 das Büro des Chefs der FDP-Bundestagsfraktion, Hermann Otto Solms. Seine Hochschulkarriere als Professor für Volks- und Betriebswirtschaftslehre startete er 1994. Von 2002 bis 2005 war Pinkwart Bundestagsabgeordneter, danach bis 2010 Wissenschaftsminister in NRW. (hge)

Wir setzen auf Unternehmen, die innovative Technologien entwickeln, mit denen wir künftig noch nachhaltiger wirtschaften können. Unseren Mittelstand sprechen wir genauso an wie internationale Firmen, die wir zu den genannten Themen in NRW ansiedeln wollen. Unser Ziel ist, dass die besten Unternehmen der Welt ihren europäischen Knotenpunkt in unserem Bundesland haben.

Welche Anreize bieten Sie diesen Unternehmen?

Sie gehen dahin, wo sie die besten Rahmenbedingungen antreffen und ein Umfeld haben, das offen und begeisterungsfähig ist. Nordrhein-Westfalen ist da hervorragend positioniert: Wir haben Zentren für Künstliche Intelligenz und 5G-Entwicklung, das erste europäische Blockchain-Institut hat sich in Dortmund angesiedelt. Beim Thema Cybersecurity gelingt uns der Querschnitt zwischen Forschung, Entwicklung und öffentlicher Verwaltung. Mit Israel befinden wir uns hier in einem intensiven Austausch, um Firmen nach Nordrhein-Westfalen zu holen. Erst in diesen Tagen wurde in der Nähe von Aachen ein Technologietransfer-Park mit zehn südkoreanischen Unternehmen ins Leben gerufen. Diese Kooperationen mit technologie-affinen Aufsteigerländern sind für uns von zentraler Bedeutung. Nur auf die klassischen, großen Märkte zu setzen, ist zu wenig.

Welchen Einfluss hat die Corona-Krise auf die neue Strategie?

Die Krise verdeutlicht, dass wir in einer Welt rasanter Veränderungen agil und beweglich sein müssen. Es ist wichtig, einerseits unsere Stärken zu kennen, andererseits aber auch neue Märkte zu adressieren. Zudem wirkt die Pandemie wie ein Katalysator, der die digitale Weitentwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft beschleunigt. Außerdem kommt die sogenannte Glokalisierung stärker zum Tragen: Wir müssen global denken, aber lokal wirksamer sein – und unseren Standort so attraktiv machen, dass wir den Unternehmen, die genau das leisten, die besten Rahmenbedingungen bieten.

Werden Sie künftig auch Investitionshilfen gewähren, um Ansiedlungen zu sichern? Im Fall Tesla hätten solche das Unternehmen vergangenes Jahr womöglich in die Region locken können.

Ich glaube nicht, dass Finanzhilfen das entscheidende Instrument sind, um Firmen erfolgreich anzusiedeln. Sie sind nur ergänzend wirksam. Wir haben daher eine qualitätsorientierte Strategie und punkten mit anderen Faktoren: Nordrhein-Westfalen hat starke Industrieunternehmen, die sich digital und klimaneutral wandeln, wir haben exzellente Universitäten mit 750.000 Studierenden, das sind die klugen Köpfe, die international gesucht werden. Das Problem bei Tesla war im Übrigens auch keines, das mit finanziellen Mitteln allein hätte gelöst werden können: Tesla brauchte eine 300 Hektar große Fläche, in Euskirchen konnten wir nur 140 Hektar bieten. Wenn wir solche großen Ansiedlungen nach Nordrhein-Westfalen holen wollen, müssen wir das Flächenmanagement strategisch verbessern.

Müssten solche Flächen nicht schon für eventuelle Ansiedlungen komplett erschlossen und vorbereitet werden, damit es im Ernstfall schnell geht?

Bisher gibt es nur das Instrument der sogenannten LEP-Flächen im Landesentwicklungsplan. Wir brauchen aber weitere strategische Instrumente, um Investoren zu begeistern und große Ansiedlungen zu ermöglichen, an die lange Zeit keiner mehr glaubte. Die Ansiedlung von Tesla in Brandenburg könnte ein Best-Practice-Fall werden – auch was das Tempo der Genehmigungen angeht. Auch die Kriterien von Ansiedlungen müssen sich ändern: In der Vergangenheit stand häufig die schiere Anzahl der Arbeitsplätze im Mittelpunkt. Heute benötigen wir aber vor allem hochwertige Arbeitsplätze und nachhaltig wirksame Investitionen. Zudem braucht es einen Konsens in der Gesellschaft, eine Offenheit für Neues und Begeisterung für Innovationen – eine positive Haltung, die es uns erlaubt, flexibel und schnell zu sein, wenn der richtige Investor gefunden wurde.

Verhindern auch kommunale Zuständigkeiten bislang einen starken internationalen Auftritt NRWs?

Jemandem im Ausland den Standort NRW zu erklären, ist nicht ganz einfach: Als eigene Volkswirtschaft sind wir beinahe so schlagkräftig und vielgestaltig wie die Niederlande. Andererseits sind wir mit den vielen Regionen ein ganz besonderer und bedeutender Teil eines großen Industrie- und Exportlandes. In meinen Augen kennzeichnet uns unsere Standortgunst im Herzen Europas aus - nur eineinhalb Fahrstunden vom Sitz der Europäischen Union entfernt.

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Außerdem gefällt mir der Vergleich mit Europas Megacitys London, Paris oder Moskau. In der Rhein-Ruhr-City wohnen rund elf Millionen Menschen. Diese Metropole im engen Austausch mit den mittelständisch geprägten ländlichen Teilregionen spielt mit in der Champions League und kann es mit den Großen Europas aufnehmen. Diese Stärke wollen wir künftig noch mehr betonen.

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