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„Ein Totalausfall“Hochwasser zerstört Ernte von Landwirten in der Region

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Landwirt Roman Sauer aus Erftstadt auf seinem Feld.

Erftstadt – „Die Flut“, sagt Roman Sauer, Landwirt aus Erftstadt, „ist jetzt unsere Pandemie.“ Seine Lebensgrundlage, seine Äcker und Felder, sind zerstört, ein Totalausfall. „Die sind Schrott“, sagt Sauer. Aus wirtschaftlicher Sicht nicht minder verheerend als Branchen, denen während des monatelangen Corona-Lockdowns sämtliche Einnahmen weggebrochen sind. 210 Hektar seines Landes hätten sich in eine Seenlandschaft verwandelt, nur die Bäume hätten noch aus dem Wasser geragt. „Tote Tiere, Treibgut, es stinkt“, beschreibt Sauer die Verwüstung auf seinem Land. Es liegt ein modriger Geruch in der Luft, von verfaulten Kartoffeln und Möhren.

Wie ihm geht es zahlreichen weiteren Bauernhöfen in den Hochwassergebieten. Die Landwirtschaftskammer NRW hat die Betriebe ermittelt, die im Hochwasser mit ihren Feldern komplett unter Wasser standen. Nach einer ersten Auswertung von Satellitenbildern seien etwa 75 bis 100 Höfe derart gravierend betroffen gewesen. Die Auswertung sei aber noch nicht abgeschlossen. Noch unbekannt sei auch, wie viele Tiere umgekommen sind.

„Viele der Betroffenen haben wir bisher noch nicht erreicht“, sagte Kammersprecher Bernhard Rüb. Einige hätten offenbar noch kein Telefonnetz. „Zudem sind die Leute im Einsatz, auf dem eigenen Hof oder bei anderen - fast rund um die Uhr, bis an den Rand der Erschöpfung.“ Wenn dann doch einmal ein Kontakt zustande gekommen sei, habe man deutlich gespürt, wie tief die Verzweiflung und der Schock noch sitze.

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Viele Landwirte haben zuerst anderen geholfen

Auf Roman Sauers Hof lassen sich die finanziellen Schäden auf etwa eine Million Euro beziffern. Mit den Menschen, die im Ahrtal ihr Haus und ihr gesamtes Hab und Gut verloren haben, wolle er seinen persönlichen Verlust allerdings nicht vergleichen. Denen seien er und seine Kollegen mit schwerem Gerät zur Hilfe geeilt, um aufzuräumen und Häuser trocken zu legen. Seine eigenen Felder hingegen stünden noch immer teilweise unter Wasser. Er und seine Kollegen benötigen nun selber Hilfe sagt Sauer. Auch um die Gehälter seiner mehr als zwanzig Mitarbeiter weiter zahlen zu können. „Wir können die Flächen nicht einfach morgen einmal umpflügen und dann übermorgen wieder bewirtschaften. Die müssen erstmal entsprechend rekultiviert werden, um sie überhaupt wieder nutzbar zu machen.“

Auch Landwirt Degenhard Neisse von der Burg Konradsheim in Erfstadt ist seit dem Hochwasser im Dauereinsatz. Beispielsweise hat er mit Pumpen verhindert, das etwa aus vollgelaufenen Senken weiteres Wasser ins benachbarte Dimerzheim und Ahrem gelaufen ist. „Ich glaube, wir Landwirte mit unseren Gerätschaften haben in den vergangenen Tagen an einigen Stellen mehr helfen können als beispielsweise das Technische Hilfswerk“, sagt er. In seinem 200 Hektar großen Betrieb seien nur die Felder betroffen. Der Dinkelweizen etwa sei mindestens zu zwei Dritteln überschwemmt worden.

„Da kann man die Ernte getrost vergessen“, meint der Landwirt. Auch die Zuckerrüben, die direkt an der Erft gepflanzt wurden, und die Erbsenkulturen habe es erwischt. „Und jetzt müssen wir noch gucken, wie wir die zumindest teilweise verrotteten Pflanzen mit riesigem Aufwand vom Feld kriegen oder verarbeiten.“ 

Bauernhof ist Arbeitsplatz und Wohnort zugleich

Hinzu kommt, wie Bernhard Rüb von der Landwirtschaftskammer erklärt, dass der Hof schließlich Arbeitsplatz und Wohnort sei. „Das trifft dann doppelt hart.“ Zudem würden die Betriebe teilweise schon seit mehreren Generationen geführt. „Ein Bauernhof ist kein Achtstundenjob, mit dem ist man quasi verheiratet. Oft ist auch die ganze Familie dabei.“

Rüb betont, die Höfe benötigten weiterhin Hilfe, „um ihren Betrieb wieder in Gang zu setzen. Unterstützung beim Aufräumen, Schutt und Schlamm beseitigen“. Die Ställe müssten schnell wiederhergerichtet werden. Oft seien die Hoftiere zur Sicherheit anderswo untergestellt worden. Die zerstörten Futtervorräte würden bereits von anderen Landwirten ersetzt. „Da funktionieren die Absprachen sehr gut“, so der Kammersprecher.

Landwirt Roman Sauer fordert daher schnelle und unbürokratische Hilfe durch die Politik. Ähnlich wie etwa bei Gastronomen während der Corona-Pandemie mit den Üerbrückungshilfen anteilsmäßig Umsätze ersetzt worden seien, als das Virus ihnen ihre Lebensgrundlage nahm. „Genauso brauchen wir jetzt die Unterstützung der politisch Verantwortlichen, um wenigstens unsere Betriebskosten zahlen zu können.“

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Zwar wurde den betroffenen Höfen bereits Soforthilfe in Höhe von 5000 Euro zugesichert. „In meinem Fall ist diese Summe aber nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein“. sagt Sauer.

Das hängt auch mit einem grundlegenden Problem in der Landwirtschaft zusammen: Die Umsätze fallen in der Branche zwar meistens sehr hoch aus, die Gewinnmargen jedoch sind sehr niedrig. Ein massiver Anteil der Verlustsumme ist also Geld, das für die laufenden Kosten der Höfe benötigt wird. Sauer und seinen Berufskollegen geht es deshalb nicht um verlorene Gewinne, für ihn und andere betroffene Landwirte bedeuten die Ernteausfälle eine konkrete Existenzbedrohung ihrer Höfe. Zumal kaum einer eine Elementarversicherung habe, so Sauer.

Wie groß der Schaden in seinem Betrieb sei, könne er derzeit noch nicht beziffern, berichtet Landwirt Degenhard Neisse. Für Kollegen, deren Hof komplett betroffen ist, sei der Starkregen möglicherweise ruinös. Zinslose Kredite beispielsweise müsste es für den Wiederaufbau geben, sagt Neisse nachdenklich. „Das wäre das wenigste. Aber das Geld muss man dann ja auch irgendwann zurückzahlen.“

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