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„Um Apotheken zu stärken“Union und SPD wollen Versandverbot für Medikamente

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Ein Briefkasten, der als Rezeptsammelstelle dient.

Berlin – Union und SPD geben vor, ganz auf der Höhe der Zeit zu sein. In ihrem Koalitionsvertrag ist dem Thema Digitalisierung ein eigenes, zwölfseitiges Kapitel gewidmet. Auch im Kapitel Gesundheit und Pflege gibt es für „E-Health“ einen eigenen Abschnitt. Doch auf Zeile 4576 folgt ein Vorhaben, das im 21. Jahrhundert nichts zu suchen hat: „Um die Apotheken vor Ort zu stärken, setzen wir uns für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein.“

Man stelle sich vor, Union und SPD hätten vereinbart, Amazon und anderen Internetanbietern den Versand von Büchern zu verbieten, um den klassischen Buchhandel zu retten. Das klingt absurd, entspricht aber durchaus dem nun geplanten Versandverbot für Medikamente. Die SPD-Gesundheitspolitiker hatten sich bei den Koalitionsverhandlungen bis zum Schluss vehement dafür eingesetzt, der Union an dieser Stelle auf keinen Fall nachzugeben. Doch in den letzten Verhandlungsrunden wurde das Thema von der SPD-Führung geopfert.

SPD boykottierte CDU-Vorhaben

Zur Erinnerung: 2016 hatte der Europäische Gerichtshof entscheiden, dass ausländische Versandapotheken die deutsche Preisbindung nicht beachten müssen und daher Rabatte auch auf Rezept-Medikamente geben dürfen. Auf Druck der Apothekenlobby legte Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) einen Gesetzentwurf vor, um den seit 2004 in Deutschland erlaubten Versandhandel ganz zu verbieten.

Doch die SPD boykottierte das Vorhaben. Als Kompromiss schlugen die Sozialdemokraten unter anderem vor, die Rabatte zu begrenzen und Beratungsleistungen höher zu vergüten, damit die etablierten Apotheken keinen Wettbewerbsnachteil erleiden. Am Ende bewegte sich in der Sache jedoch nichts mehr.

Auffällige Formulierung im Koalitionsvertrag

Nun ist also ein neuer Anlauf der Union möglich. Auffällig ist allerdings die Formulierung im Koalitionsvertrag: Dort heißt es schließlich nur, dass sich die Koalition für ein Verbot „einsetzen“ werde. Und das aus gutem Grund: Auch in der Union gibt es Skeptiker, die befürchten, dass ein Verbot gegen das Grundgesetz und gegen Europarecht verstößt. Gutachten gehen davon aus, dass das Grundrecht der Berufsfreiheit und die in der Verfassung verankerte Eigentumsgarantie verletzt werden.

Verschärfend kommt hinzu, dass das von der Union bisher genutzte Argument, nur ein Verbot sicherere eine flächendeckende Versorgung mit Apotheken, nicht mehr haltbar ist. Ein im Auftrag des Wirtschaftsministeriums erstelltes und Ende 2017 veröffentlichtes Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten von Apotheken weder jetzt noch in absehbarer Zeit mit dem Versandhandel zu tun haben. Dafür seien der aktuelle Marktanteil des Versandhandels mit Rezept-Arzneimitteln von einem Prozent und die bisherigen Wachstumsraten viel zu klein.

Es dürfte also spannend werden, wie die als gesetzt geltende Annette Widmann-Mauz (CDU) als Gesundheitsministerin ein Verbot begründen will. Die Chancen sind jedenfalls hoch, dass sich die Regierung am Ende bei Gerichten eine blutige Nase holt. Klug wäre es daher, den Verbotsplan zu beerdigen und endlich Lösungen zu suchen, um durch ein faires Nebeneinander von Versand- und Vor-Ort-Apotheke eine gute Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten sicher zu stellen. 

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