400.000 Wohnungen im JahrWieso die Ampel-Pläne Köln kaum entlasten werden

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Wohnungen Köln Symbolbild

Mietshäuser in Köln

Köln – In kaum einer deutschen Stadt ist die Differenz zwischen benötigten und tatsächlich gebauten Wohnungen so groß wie in Köln. 5700 müssten es laut Institut der deutschen Wirtschaft (IW) jährlich sein – gebaut wurden davon zuletzt nur 40 Prozent.

Gerade vor diesem Hintergrund ist interessant, welche Ziele sich die Ampel-Parteien beim Thema Bauen und Wohnen im Koalitionsvertrag setzen. Dort kündigen sie zum Beispiel an, deutschlandweit jährlich 400.000 Wohnungen bauen zu wollen, davon 100.000 öffentlich gefördert. Aber was können die Vorhaben der Koalition auf Bundesebene überhaupt in der Region bewirken? Eine Analyse.

Was plant die Ampel-Koalition?

Vielbeachtet sind vor allem die bereits erwähnten Wohnungsbauziele. „Die Zahlen, auf die man sich hier geeinigt hat, sind in zweifacher Hinsicht spannend“, sagt Michael Voigtländer, Leiter des Kompetenzfelds Immobilien am IW. „Zum einen würden die 100.000 Sozialwohnungen eine Verdreifachung der jetzigen Bauleistung bedeuten. Das ist also sehr ehrgeizig. Zum anderen setzen wir beim IW den jährlichen Gesamtbedarf an Wohnungen eher bei 310.000 an und damit deutlich niedriger.“

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Voigtländer verweist auf die deutschlandweit sehr unterschiedliche Situation an den Immobilienmärkten: Während der Bedarf in Großstädten wie Köln sehr hoch sei, werde in anderen Regionen schon heute eher zu viel als zu wenig gebaut. Dort drohen Leerstände. Der Experte nennt die Festsetzung der Globalzahl daher „ungünstig“ – zumal die regionale Verteilung der Wohnungen im Vertrag nicht weiter thematisiert wird.

Vereinfachtes Planungsrecht

Beim Thema Bauen legen SPD, Grüne und FDP im Koalitionspapier darüber hinaus einen Fokus auf Maßnahmen zur Digitalisierung und der Vereinfachung des Planungsrechts – wodurch Prozesse beschleunigt und Kosten gesenkt werden sollen. Hier nennen die Parteien allerdings wenig konkrete Zahlen und Vorhaben.

Beim Mieterschutz hat sich die Ampel unter anderem auf eine Verlängerung der Mietpreisbremse bis 2029 geeinigt. Die Kappungsgrenze soll in angespannten Märkten auf elf Prozent in drei Jahren abgesenkt werden. Während die Mietpreisbremse die Preise bei Neuvermietungen deckelt, regelt die Kappungsgrenze den Spielraum bei Erhöhungen in bestehenden Mietverhältnissen.

Mehr Mieter- und Klimaschutz

Konkret wird die Ampel-Koalition auch beim Thema energetische Sanierungen für den Klimaschutz. So soll ab dem 1. Januar 2025 jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energie betrieben werden. „Das bedeutet, dass man flächendeckend auf Wärmepumpen umsteigen müsste – und damit de facto ein Ende für Gasheizungen“, sagt Voigtländer.

Beim CO2-Preis will die Ampel laut Koalitionstext „eine faire Teilung (…) zwischen Vermietern einerseits und Mieterinnen und Mietern andererseits erreichen“. Sollte die Einführung eines entsprechenden Stufenmodells zum 1. Juni 2022 nicht gelingen, tragen beide hier je 50 Prozent der Kosten.

Werden die Pläne Auswirkungen auf Köln haben?

Ehrgeizige Neubauziele und eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren – vor allem diese beiden Schwerpunkte im Koalitionsvertrag dürften bei Kölnerinnen und Kölnern auf große Zustimmung treffen. Denn es wird nicht nur viel zu wenig gebaut in der Stadt – bis zum Erteilen einer Baugenehmigung vergeht derzeit oftmals auch mehr als ein Jahr.

Doch die Pläne dürften so, wie sie derzeit festgeschrieben sind, wohl kaum eine lokale Wirkung entfalten. „Im Koalitionsvertrag steht vieles, was der Bund gar nicht regeln kann“, sagt Voigtländer, zum Beispiel mit Blick aufs Planungsrecht und die Digitalisierung der Bauämter: „Das sind Dinge, die auf Landes- und kommunaler Ebene angestoßen werden müssen.“

Keine Anreize vereinbart

Der Experte vermisst außerdem konkrete Anreize für die Kommunen. So wäre es mit Blick auf die Wohnungsbauziele sinnvoll gewesen, Förderprogramme aufzulegen: Damit hätte zum Beispiel die Stadt Köln eine Förderung bekommen können, wenn sie Bauland auswiese. „Bislang sehen wir hier allerdings nur vage Forderungen und Ideen. Das wird keinen direkten Effekt auf Städte wie Köln und Düsseldorf haben.“

Hoffnung setzt Voigtländer allerdings in das geplante „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“. „Wenn das Bauministerium es schafft, Länder, Bauwirtschaft und Mieterbund hinter sich zu einen, kann es sein, dass sich doch noch mehr tut.“ Das Bündnis könnte konkrete Vorschläge erarbeiten, zum Beispiel für neue Bauordnungen. Vorbild ist übrigens das „Bündnis für Wohnen“, das der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz einst in Hamburg auf den Weg brachte.

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Im Koalitionsvertrag stehen aber auch eine Reihe von Maßnahmen, die bundesweit greifen werden: zum Beispiel die vereinbarten Regelungen zu Mietrecht und Klimaschutz.

Wie beurteilen Experten und Verbände die Pläne? 

„Es wird keine ganz großen Veränderungen in der Wohnungspolitik geben“, sagt Michael Voigtländer. Die Pläne deuteten eher auf eine Weiterentwicklung des bisherigen Kurses hin.

Der Eigentümerverband Haus und Grund und der Mieterverein beurteilen die Ergebnisse dagegen naturgemäß sehr unterschiedlich. „Es hat sich doch eher die rot-grüne Ecke durchgesetzt“, sagt Thomas Tewes, Geschäftsführer von Haus und Grund in Köln, und beklagt vor allem die Verschärfungen beim Mieterschutz. Es sei ein „hehres Ziel“, 400.000 neue Wohnungen bauen zu wollen. „Aber die Frage ist, ob man es erreichen kann, wenn man die Bauwilligen so drangsaliert.“

Kurzfristige Entlastung

Mietpreisbremse und Kappungsgrenze würden den Mietmarkt nur kurzfristig entlasten, sagt Tewes. Mittelfristig könnten sie dazu führen, dass Vermieter Investitionen auf Eis legen. „Die Qualität des Wohnraums nimmt dann ab.“ Er äußert die Sorge, dass sich dann gerade kleine Vermieter von ihren Wohnungen trennen. Auch Voigtländer argumentiert, dass die Kappungsgrenze von 11 Prozent in Zeiten der Inflation zu eng gesetzt sein könnte.

Die Pläne zur Digitalisierung und Entbürokratisierung begrüßt Tewes, betont aber, dass so etwas „nicht zum ersten Mal“ geplant sei. Lob gibt es von Haus und Grund für die Entscheidung, erstmals seit den 90er-Jahren wieder ein eigenes Bauministerium zu schaffen.

Punktsieg für die FDP

Eine rot-grüne Handschrift im Koalitionsvertrag? Sieht Hans Jörg Depel, Geschäftsführer des Kölner Mietervereins nicht. Ganz im Gegenteil: „Das ist ein Punktsieg für die FDP“, sagt er. „Wir haben auf einen Kuchen gehofft und Plätzchen bekommen.“

Der Mieterverein hatte auf die Einführung eines Mietenstopps gehofft: Dann wären die Mieten in angespannten Wohnungsmärkten für sechs Jahre eingefroren worden, Erhöhungen nur noch mit sehr kleinen Prozentsätzen möglich gewesen. „Das hätte uns eine Pause zum Durchatmen verschafft“, sagt Depel. „Köln ist eine begehrte Lage. Wenn die Preise hier noch einmal um elf Prozent steigen können, wird das für viele Menschen verdammt viel.“ Schon jetzt sei die Belastung für viele Haushalte zu groß.

Kritisch sieht der Mieterverein außerdem, dass die Mieterinnen und Mieter den CO2-Preis bis Juni 2022 allein zahlen müssen, „obwohl die Lenkungswirkung nur beim Vermieter liegt“. Das Ziel, jährlich 100.000 Sozialwohnungen zu bauen, lobt Depel. „Wenn das erreicht wird: Chapeau. Ich bin hier allerdings noch skeptisch, weil aus dem Koalitionsvertrag nicht hervorgeht, wie das Ganze konkret finanziert werden soll.“

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