App erkennt Blechschäden automatischMilliardengeschäft mit Versicherungs-Start-ups

Lesezeit 3 Minuten
64703206

Die App „Tractable“ soll erkennen, wie schwer ein Blechschaden ist.

Köln – Anhand von Fotos eines Autos am Unfallort soll die Bilderkennungssoftware des Londoner Start-ups „Tractable“ erkennen, um was für einen Schaden es sich handelt und wie viel die Reparatur voraussichtlich kosten wird – und das in wenigen Sekunden. Die Programmierer trainierten die Künstliche Intelligenz (KI) dafür mit 100 Millionen Schäden und 300 Millionen Bildern von Autos nach Unfällen. Jetzt soll die KI helfen die Abläufe in der Kfz-Versicherung schneller und kostengünstiger zu gestalten. Aktuell ist sie für Versicherungen ein Sorgenkind und kaum profitabel.

Die Branche wächst

Die Automatisierung von Arbeitsprozessen ist einer der Trends auf der Kölner „Execinsuretech“, einer Messe für sogenannte Insurtechs. Das sind Start-ups und andere Unternehmen, die Technologien für Versicherungen entwickeln.

Die Branche wächst: Weltweit wurden im ersten Halbjahr 2019 fast drei Milliarden US-Dollar in Insuretechs investiert. „Insbesondere der deutsche Insurtech-Markt ist gerade dabei aus seinen Kinderschuhen herauszuwachsen“, meint Paul Wolter vom Bundesverband Deutsche Startups. „Die Verbraucher verlangen immer mehr nach modernen, digitalen Formen des Versicherungsschutzes.“

Das würden auch etablierte Versicherungen merken und eigene Start-ups gründen, in Insurtechs investieren oder sie akquirieren. „Ich bin optimistisch, dass dieser positive Trend anhalten wird“, sagt Wolter. Er vermutet, dass der sprunghafte Anstieg der Investitionen 2015 ein statistischer Ausreißer aufgrund der damals mangelnden Größe war.

Angst vor Verlust von Arbeitsplätzen

Die Angst, dass durch Automatisierung Arbeitsplätze verloren gehen könnten, gibt es in jeder Branche, auch bei Versicherungen. „Tractable“ beteuert allerdings, dass Schadensgutachter durch ihre KI mehr Zeit hätten, sich auf komplexe Fälle zu konzentrieren. Denn die Software erkennt nur Blechschäden. Für technische Schäden, beispielsweise am Motor, werden immer noch echte Menschen benötigt.

Aber nicht nur Abläufe sollen schneller werden, die Branche möchte ihren Kundenservice verbessern. Zum Beispiel mit Hilfe von Sprachanalysesoftware, wie der des deutschen Start-ups „Voixen“. „Kunden können ihre Wünsche oft nicht artikulieren, weil sie gar nicht wissen, was sie wollen“, sagt „Voixen“-Gründer Ralf Mühlenhöver. Mit Hilfe von KI finde sein Unternehmen den richtigen Service trotzdem. Dafür analysiert sie automatisch erstellte Protokolle aus den Mitschnitten von Beratungs- oder Kundenhotline-Gesprächen und soll anhand dessen unter anderem erkennen, ob ein Vertrag korrekt geschlossen wurde oder nicht. Fällt das Wort Widerrufsrecht zum Beispiel nicht, wird der Versicherer alarmiert, dass der Vertrag nicht rechtens ist. Die KI könne zudem die Verbesserungswünsche der Kunden erkennen und so dafür sorgen, dass keine Umfragen mehr durchgeführt werden müssten, so eine Sprecherin des Berliner Start-ups.

Das könnte Sie auch interessieren:

Insurtechs beschäftigen auch Kölner Versicherungen. Der DEVK-Konzern hat etwa mit „freeyou“ ein eigenes Insurtech gegründet, das Fahrradversicherungen digital anbietet, und testet in Pilotprojekten zusammen mit Dienstleistern die automatisierte Rechnungsbearbeitung und die Zusammenfassung von Arztberichten. Axa betreibt in Köln seit 2017 das „Data Innovation Lab“, um an Möglichkeiten zu forschen, mit Hilfe von KI Prozesse zu optimieren. Für den deutschen Markteintritt des New Yorker Insurtechs Lemonade, das personalisierte Versicherungen erstellt, leistete Axa als Rückversicherer Starthilfe. 

KStA abonnieren