Auch NRW betroffenIn Deutschland werden Medikamente wie Ibuprofen knapp

Lesezeit 3 Minuten
Patienten sollten sich laut Apothekerverband rechtzeitig um neue Rezepte kümmern.

Patienten sollten sich laut Apothekerverband rechtzeitig um neue Rezepte kümmern.

  • In Deutschland kommt es immer häufiger zu Lieferengpässen bei Medikamenten.
  • Das betrifft das Schmerzmittel Ibuprofen – und viele weitere wichtige Medikamente.
  • Was ist der Grund für die Knappheit? Eine Analyse

Köln – In Deutschland nehmen die Lieferengpässe bei Medikamenten weiter zu. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verzeichnet „in den vergangenen Jahren eine kontinuierliche Steigerung“ der entsprechenden Meldungen, wie eine Sprecherin am Mittwoch sagte. Derzeit sind laut BfArM rund 250 Humanarzneimittel in Deutschland nicht verfügbar. Medikamente, die in unterschiedlichen Dosierungen oder Darreichungsformen – zum Beispiel als Tropfen oder Tabletten – verkauft werden, werden hier allerdings unter Umständen mehrfach berücksichtigt.

„Das gesamte Medikamentenspektrum ist betroffen“, sagt Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein. „Es gibt zum Beispiel bereits seit längerer Zeit einen großen Engpass bei Ibuprofen – der sich auch noch bis ins kommende Jahr ziehen wird.“ Aber auch Cholesterinsenker, Blutdruck- und Herzmittel, Antibiotika und Impfstoffe seien betroffen. In Nordrhein-Westfalen sei die Situation dabei genauso ernst wie im Rest des Landes.

Zu wenig Hersteller

Ein Grund für die Lieferengpässe ist, dass es für einige Wirkstoffe nur noch wenige Hersteller gibt. „Wenn einer von ihnen ausfällt, kann im Extremfall ein großer Teil des Weltmarktes betroffen sein“, sagt Preis. Viele Medikamente werden dabei ausschließlich im asiatischen Raum produziert.

Auch das BfArM sieht Produktionsprobleme als einen der Hauptauslöser: Konkret zum Beispiel die Umstellung eines Herstellungsprozesses oder Qualitätsmängel, die verhindern, dass Ware freigegeben wird. Der Apothekerverband betont darüber hinaus, dass die Arzneimittel-Nachfrage weltweit ansteigt, weil die Lebenserwartung steigt und die Gesundheitsversorgung in Schwellenländern sich verbessert.

Rechtzeitig neue Rezepte besorgen

Der Apothekerverband rät Patienten, die regelmäßig Medikamente einnehmen, „bei der Neuverordnung von Medikamenten nicht bis auf die letzte Tablette zu warten“. Handlungsbedarf sieht er aktuell vor allem bei den Krankenkassen. Die vereinbaren nämlich sogenannte Rabattverträge mit Herstellern: Das heißt, sie bekommen einen Preisnachlass dafür, dass der Hersteller exklusiver Lieferant für sein Medikament wird. Der Apothekerverband fordert nun, dass die Zuschläge der Krankenkassen an mindestens drei Hersteller gehen und dass einer von ihnen in Europa sitzen sollte, um Abhängigkeiten zu reduzieren.

Die AOK Rheinland/Hamburg verweist darauf, dass von allen Rabattarzneimitteln der AOK im Dezember lediglich 0,3 Prozent mit Lieferengpass gemeldet seien. „Durch Rabattverträge spart die Solidargemeinschaft jährlich Ausgaben in Höhe von vier Milliarden Euro, die an anderer Stelle in die Gesundheitsversorgung der Menschen investiert werden können“, sagt eine Sprecherin.

Das könnte Sie auch interessieren:

Bei der Pronova BKK heißt es, man achte immer darauf, für einen Wirkstoff möglichst mit mehreren Herstellern Rabattverträge zu schließen. Dass davon einer aus Europa kommen solle, sei „ein wichtiges Anliegen“. Oft fänden die einzelnen Produktionsschritte der Ausgangsstoffe und Wirkstoffe aber in unterschiedlichen Ländern statt. Die Krankenkasse sieht ihren Handlungsspielraum ausgeschöpft und Politik und pharmazeutische Industrie in der Pflicht, bei der Produktion ausreichend Transparenz zu schaffen.

Nicht unbedingt Versorgungsengpass

Ein Lieferengpass bei einem Medikament bedeutet nicht automatisch auch einen Versorgungsengpass: Von dem spricht das BfArM erst, wenn kein alternatives Arzneimittel mehr zur Verfügung steht, um den Patienten zu versorgen. Bis dahin versuchen Apotheker und Ärzte, auf andere Wirkstoffe auszuweichen.

Auch das BfArM prüft bei gemeldeten Engpässen, ob und wie viele Alternativpräparate verfügbar sind. Das Institut betont, tatsächliche Versorgungsengpässe entstünden „in Relation zum gesamten Meldeaufkommen relativ selten“. Zuletzt seien Arzneimittel mit den Wirkstoffen Cytarabin und Oxytocin betroffen gewesen. In Deutschland sind insgesamt 103 000 Medikamente zugelassen.

KStA abonnieren