Auf der SchildergassePreisgekröntes Ladenkonzept eröffnet Filiale in Köln

Lesezeit 5 Minuten
20201125-ARO-BlaenkPressepreviewLadenlokal-23

Das „Wohnzimmer“ bei Blaenk

Köln/Düsseldorf – Immer mehr Händler entwickeln kreative Ideen, um gegen die Konkurrenz im Internet bestehen zu können. Auf der Schildergasse in Köln hat nun ein preisgekröntes Konzept eine Filiale eröffnet – und auch in Düsseldorf gibt es einen ungewöhnlichen neuen Laden: einen Supermarkt, der ganz ohne Angestellte auskommt.

Den Kundenkontakt im digitalen Supermarkt übernimmt die Künstliche Intelligenz. Betritt man das „Typy“-Ladenlokal im Düsseldorfer Medienhafen, nimmt sie über einen Touchscreen oder eine mobile App die Bestellung auf. Kurz darauf zuckt versteckt hinter einer Wand ihr Roboterarm mit lautem Summen durch lange Supermarktregale, greift sich eine Flasche Wein, oder einen Drogerieartikel, oder einen frischen Salat fürs Mittagessen. Der Kunde braucht sich nur noch vor das Ausgabefach stellen – und plötzlich steht die Ware bereit.

Beim Einkauf im neuen, vollautomatisierten Typy-Markt gibt es keine Kasse, keine Verkäufer, keine großen Ladengänge. Dafür kann man bald rund 750 Artikel über das Bestell-Terminal kaufen. Der Fokus liegt auf Convenience-Produkten und Einkäufen für den täglichen Bedarf. „Der Roboter bestellt bedarfsgerecht, was benötigt wird. Wir wissen nicht, welche Produkte wir in drei Monaten anbieten werden“, sagt Maximilian Grönemeyer. Er ist zusammen mit Carlo Caldi Geschäftsführer von Typy, betrieben wird der Laden vom Düsseldorfer Caterer Broich, der auch die tagesfrischen Produkte zuliefert.

Erstes Konzept dieser Art

Es sei das erste Konzept dieser Art in Deutschland, sagt Grönemeyer, wenn nicht europaweit. Aktuell gibt es aufgrund der Corona-Beschränkungen noch Personal vor Ort, mittelfristig soll das anders sein, dann hat das kleine Geschäft mit seiner Verkaufsfläche von 40 Quadratmetern auch rund um die Uhr geöffnet. Die Angestellten arbeiten hier hinter den Kulissen: Sie füttern morgens den Roboter mit Ware, sie arbeiten in der digitalen Steuerung oder in anderen administrativen Aufgaben. „Die Branche ist wahnsinnig im Wandel“, sagt Caldi. „Wir treten natürlich an, um Arbeitsplätze zu schaffen – nur ganz andere als bislang.“

Es gibt viele kleine und große Beispiele für diesen Wandel im Handel, und längst mischen die großen Handelsketten mit: Caldi nennt die Rewe-Gruppe, mit den Convenience-fokussierten „To Go“-Märkten und eigenem Lieferservice. Die Edeka-Gruppe, die ihre Beteiligung am Online-Lieferdienst Picnic ausbauen will. Die Oetker-Gruppe, die gerade erst eine Milliarde Euro für die Übernahme des Getränke-Lieferservice Flaschenpost bezahlt hat. Langfristig stehen auch bei Typy Lieferungen auf dem Plan.

Drei große Trends

Beim Wandel im Einkauf geht es jedoch nicht ausschließlich um Digitalisierung. Boris Hedde, Geschäftsführer beim Handelsforschungsinstitut IFH Köln, nennt zwei weitere große Trends: das Erlebnis vor Ort – und die Bequemlichkeit. „Wir haben den Kundinnen und Kunden anerzogen, einen möglichst einfachen Konsum zu erwarten“, sagt er. „Das Motto ist: Mach mir das Leben schöner, digitaler, einfacher.“ Gerade für den Innenstadthandel ist das von Bedeutung. Wenn er gegen die Konkurrenz aus dem Netz bestehen will, muss diesen neuen Wünschen auch hier Rechnung getragen werden. „Deshalb ist es sehr wichtig, für die Fläche neue Konzepte zu schaffen und eine Brücke zwischen Convenience und Erlebnis zu schlagen.“

In der Kölner Fußgängerzone ist am Freitag genau so ein Geschäft eingezogen, in das Gebäude an der Schildergasse, in dem bis vor kurzem noch eine Esprit-Filiale zu Hause war: Blaenk. Es ist ein Laden, der wie ein Wohnapartment aussieht.

Da wäre eine Küchenzeile, mit Mixern von Zwilling und glutenfreien Backmischungen. Da wäre eine Wohnzimmerecke mit Möbeln von Stoll und handgemachten Lampen eines Kölner Gründers. Da wäre das Badezimmer mit einem Waschbecken aus gehärtetem Sand und gleich nebenan im Schlafzimmer ein Fitnessspiegel, auf dem ein Avatar Sportübungen vormacht. Im Eingangsbereich steht ein Hybrid-Auto von Mercedes.

Große und kleine Namen

„Fast alles, was in diesem Laden steht, kann man kaufen“, sagt Geschäftsführer Martin Bressem. „Fast alles“ ist in diesem Fall ziemlich viel. Rund 30 bis 40 Marken präsentieren ihre Produkte, viele von ihnen mit Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit oder Langlebigkeit.

Große Namen wie Bosch sind ebenso vertreten wie viele kleine Kölner Gründer. „Wir arbeiten viel mit Marken, die sonst eher online unterwegs sind“, sagt Bressem. Sie müssen Blaenk lediglich die Ware zuschicken – den Rest erledigt das Start-up.

Das könnte Sie auch interessieren:

Im Geschäft will Blaenk stationären und digitalen Einkauf verknüpfen, den Marktplatz-Charakter, den man sonst von Internetplattformen kennt, in die Innenstadt bringen. Bezahlt werden kann mithilfe von QR-Codes auch über einen Self-Check-Out, wer will, kann sich die Ware auch einfach liefern lassen. In der Decke werten Kameras anonymisiert die Kundenbewegungen aus, so dass jede Marke eine genaue Rückmeldung bekommt, wie häufig ihre Produkte in den Blick genommen werden. Die Auswahl wechselt regelmäßig.

Innovationspreis gewonnen

Für das Konzept hat Blaenk den europäischen Innovationspreis für Handel bekommen. „Wir bekommen jeden Tag Anfragen für weitere Standorte“, sagt er. Geplant sind derzeit Projekte in Zürich und London. Erst kürzlich sicherte sich das Retail-Tech-Start-up eine weitere Finanzierungsrunde im siebenstelligen Bereich. Das Kölner Ladenlokal hat Blaenk für vorerst sechs Monate angemietet, kann sich aber vorstellen, auch ein bis zwei Jahre zu bleiben. Vor Ort hat das Unternehmen zum Beispiel mit Köln Business kooperiert und gemeinsam drei Start-ups einen Platz im Regal gesponsort. Die Wirtschaftsförderung hat gerade erst ein Kompetenznetzwerk für Einzelhandel und Gastronomie ins Leben gerufen.

Vielleicht wird in diesem Kontext auch Typy bald für die Kölner interessant: Die Düsseldorfer wollen die digitalen Supermärkte bundesweit ausrollen und in den kommenden drei Jahren ganze 200 Geschäfte aufmachen. Für Köln ist man bereits konkret auf der Suche nach geeigneten Standorten – die schon im kommenden Jahr bezogen werden sollen.

KStA abonnieren