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Autonomes FahrenHier wird in NRW an der automobilen Zukunft geforscht

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F_Autonomes FAhren

Forscher der RWTH Aachen  in einem Wagen des Anwendungslabors für automatisierte Fahrfunktionen.

Düsseldorf – Autonomes Fahren wird nicht nur in den fernen USA getestet – auch in Nordrhein-Westfalen arbeiten Städte, Wissenschaftler und Unternehmen an der technischen Weiterentwicklung selbstfahrender Wagen. Am Dienstag begann in Aldenhoven (Kreis Düren) der aufwendige Ausbau einer bestehenden Strecke, damit Forscher und Ingenieure der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule autonome Fahrzeuge dort ausprobieren können. Erst vor wenigen Tagen hatte der erste tödliche Unfall mit einem Pkw in den USA für Debatten gesorgt. Aber nicht nur bei Aachen tut sich was – auch in Düsseldorf sind Tests im Gange, die Millionen kosten. Und im Sauerland planen die Stadtwerke von Arnsberg und Menden gemeinsam, sogar 60 Kilometer lange Versuchsfahrten möglich zu machen. Ein Überblick über die automobilen Zukunftsforscher in NRW:

Aldenhoven/RWTH Aachen

Auf einem neu ausgebauten Testgelände der RWTH Aachen wollen Wissenschaftler zum vernetzen Fahren in der Stadt forschen und die Entwicklung vorantreiben. Dazu wird das Gelände mit Kreuzungen, Parkbereichen, Haltestellen, Kreisverkehr, Zebrastreifen und Gebäudeattrappen ausgestattet. Hier werden Forschungsfahrzeuge und Prototypen in komplexen Verkehrssituationen getestet, ohne dass Menschen zu Schaden kommen können, wie das RWTH-Institut für Kraftfahrzeuge (ika) als Projektleiter zum Baustart von „Cermcity“ mitteilt. Erprobt werden beispielsweise Sensoren, Software oder Fahrwerk und Antriebstechnik.

Die Möglichkeit gefahrloser Tests sei schon lange ein Thema, werde aber vor dem Hintergrund des „Uber-Unfalls“ in den USA immer wichtiger, sagte der ika-Leiter, Professor Lutz Eckstein: „Man kann solche Funktionen nicht im realen Straßenverkehr testen. Man braucht die Möglichkeit, komplexe Verkehrssituationen ohne Risiko für Leib und Leben auf einem abgeschlossenen Gelände darstellen zu können.“

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Um die Sicherheit geht es in erster Linie auch bei den konkreten Tests in Aldenhoven. In Labor-Simulationen allein lasse sich die Realität in ihrer Komplexität nicht darstellen, so Eckstein. Das gelte etwa für die Erprobung von Radarsensoren, die sogar auf unterschiedliches Material reagierten. „Je nach Stoff sehen Radarreflexionen anders aus.“ Auf dem Testgelände können die Forscher aus Betonblöcken Häuserwände bauen, Fassadenattrappen davor hängen und den Abstand variieren.

Schafft es die Software, ein Auto bei Gegenverkehr gefahrlos nach links abbiegen zu lassen? Bei diesem Test wird auf dem abgeschlossenen Gelände kein reales Fahrzeug in den Gegenverkehr geschickt, sondern eine fahrbare Plattform mit einem ballonartigen Aufbau: „Wenn man da reinfährt oder drüberfährt, passiert einfach nichts.“

Ein Projektbeirat mit Vertretern von 40 Unternehmen und Institutionen hat die Grundlage für den Testbereich erarbeitet, den der Bund mit 3,3 Millionen Euro fördert. Er soll von Oktober 2018 an Nutzern aus Wissenschaft und Industrie zur Verfügung stehen.

Soest

Irgendwann ist die Phase der kurzen Versuchsstrecken vorbei. Auf diesen Fall bereiten sich die Stadtwerke Arnsberg und Menden im Sauerland vor. Deren Geschäftsführer Karlheinz Weißer ist für Gas, Wasser und Strom, aber eben auch für Breitbandversorgung zuständig – und sieht darin durchaus eine Verknüpfung: „Ein gutes Breitbandangebot ist zukunftsweisend und gut für die Menschen und die hiesige Wirtschaft – und für das autonome Fahren erforderlich.“ Die digitale Infrastruktur gehöre wie Gas und Wasser zur „Daseinsvorsorge“ einer Region. Weißer bietet eine 60 Kilometer lange, technisch geeignete reale Teststrecke über bestehende Dorf-, Kreis-, Landes- und Bundesstraßen an – von Iserlohn über Menden und Arnsberg bis Soest.

Die Unterstützung von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) haben die Sauerländer bereits. Der hat schnell erkannt, dass es zwar stadtnahe Versuche und Autobahnteststrecken gibt, aber keinen im ländlichen Raum. Dass also die Sauerländer Idee ein Alleinstellungsmerkmal für NRW sein könnte. „Vertiefende Gespräche“ auch mit dem NRW-Verkehrsministerium stimmen Geschäftsführer Weißer zuversichtlich. Bis zur Jahresmitte sollen entsprechende Förderanträge gestellt werden, spätestens 2025 könnte der reguläre Betrieb beginnen, erste Pilotversuche schon früher. Und Laschet hat versichert: „Autonomes Fahren gehört zu den Zukunftsthemen, die seitens des Landes aus einer neuen Abteilung des Verkehrsministeriums interdisziplinär begleitet und gestaltet werden sollen.“ Dazu gehören auch Tests für automatisiertes Fahren im ÖPNV – also mit Kleinbussen. Elektrisch betriebene Busse, die auf einer vorher einprogrammierten festen Strecke unterwegs sind, sollen erprobt werden. Die Touren überwacht ein Busfahrer, der immer auch im Fahrzeug sitzt. .

Düsseldorf

14,8 Millionen Euro werden in eine Düsseldorfer Teststrecke quer durch die Stadt investiert, davon kommen neun Millionen Euro vom Bund. In der Landeshauptstadt sollen bald zu wissenschaftlichen Versuchen autonome Autos im Verkehr mitrollen. Zur Sicherheit ist auch hier immer ein Fahrer an Bord, der im Notfall eingreifen soll. Die technischen Vorbereitungen für den Versuch haben bereits im Januar beginnen. Im August sollen aller Voraussicht nach die ersten Probetouren stattfinden. Der Versuch soll 25 Monate dauern und im Sommer 2019 enden.

Das Projekt heißt „Kooperative Mobilität im digitalen Testfeld Düsseldorf“ (KoMoD) und wird von zwölf Partnern unter Führung der Stadt Düsseldorf getragen. Neben Straßen NRW, dem DLR und Vodafone sind Siemens und weitere Forschungseinrichtungen wie die RWTH Aachen und die Fachhochschule Potsdam beteiligt.

„Voraussetzung für das automatisierte Fahren sind detaillierte und aktuelle Informationen über die Umgebung der Fahrzeugs“, sagte bei der Vorstellung des Projekts Elfriede Sauerwein-Braksiek, Direktorin von Straßen NRW. Das Auto muss also nicht nur mit der bordeigenen Sensorik und einer hochauflösenden Karte den Weg finden können; es muss auch mit anderen Fahrzeugen Informationen austauschen, mit Ampeln vernetzt sein und Daten zu Tempolimits verarbeiten können. Es soll Staus erkennen, bevor es selbst drinsteckt – und diese Informationen weitergeben, an andere Autofahrer, die dann eine Alternativstrecke wählen können.

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) liefert die dafür nötige digitale Karte. Vodafone soll sich darum kümmern, dass die Kommunikation funktioniert – die Grundvoraussetzung für automatisiertes Fahren. Weitere Großversuche sind in Berlin und in Bayern auf der A9 vorgesehen – mit Bussen und Lastwagen.

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