BörseDie Commerzbank steigt ab

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Zentrale der Commerzbank in Frankfurt

Zentrale der Commerzbank in Frankfurt

  • Das Geldhaus muss den Leitindex Dax verlassen und Platz machen für den Zahlungsdienstleister Wirecard

Frankfurt –  Die deutschen Großbanken machen sich momentan als Absteiger einen Namen. Die Deutsche Bank fliegt Ende September aus dem Euro Stoxx 50, der die 50 wertvollsten börsennotierten Firmen der Euro-Zone abbildet. Die Commerzbank rutscht noch eine Etage tiefer – sie muss den deutschen Leitindex Dax verlassen. Das teilte die Deutsche Börse am späten Donnerstagabend mit. Ab dem 24. September ist sie im unbedeutenderen M-Dax notiert.

Ein Schlag für das Institut, auch wenn sein Chef Martin Zielke die seit einigen Wochen erwartete Abstufung zuletzt herunterspielte. Er finde es zwar nicht schön, dass die Bank den Dax verlassen müsse, sagte Zielke Mitte August vor Journalisten. Aber: „Für unsere Kunden, für unser Geschäft ändert sich überhaupt nichts“, fügte er hinzu.

Ob das wirklich so ist, muss bezweifelt werden. „Für die Commerzbank wird es dadurch deutlich schwieriger, ihre Eigenkapitalbasis zu sichern“, sagt Volker Brühl, Geschäftsführer des Center for Financial Studies in Frankfurt. Die Commerzbank wolle weiter wachsen – und brauche dafür auch irgendwann wieder Kapitalerhöhungen. „Viele große institutionelle Investoren dürfen dann aber nicht mitziehen, weil sie in ihren Fonds nur Dax-Werte haben. Und viele werden auch keine neuen Aktien zeichnen wollen, da die Liquidität – und damit die Möglichkeit, Aktien auch schnell wieder loszuwerden – im M-Dax, TecDax und S-Dax einfach viel geringer ist als im Dax“, so Brühl.

Die Commerzbank werde daher bei künftigen Kapitalerhöhungen vermutlich deutliche Preisabschläge auf ihre Aktien anbieten müssen. „Das drückt dann wieder den Aktienkurs. Eine Abwärtsspirale“, meint Brühl. Zudem dürfte auch der Bund nicht erfreut über den Börsenabstieg sein. Der deutsche Staat hält weiterhin mehr als 15 Prozent an der Bank, die er 2008 retten musste. „Es wird viel schwieriger für den Bund werden, irgendwann zu guten Konditionen aus der Commerzbank auszusteigen“, so der Bankenexperte.

Im Vergleich dazu wiegt der Imageverlust, den die Commerzbank durch den Rausschmiss aus dem Dax hinnehmen muss, gar nicht so schwer. Seit der Einführung des Dax vor dreißig Jahren war die Bank immer in diesem notiert. Ein modernes Technologieunternehmen aus dem Finanzsektor – Wirecard – hat die Traditionsbank im Dax ausgestochen. Das ist natürlich Zufall. Genauso gut hätte Wirecard ein Unternehmen aus einer ganz anderen Branche aus dem Leitindex verdrängen können. Doch dieser Zufall sorgt für viel Aufmerksamkeit: Kann man hier nicht von einer Zeitenwende sprechen, von einer Stabübergabe eines veralteten an ein modernes Unternehmen?

„Das Wort Zeitenwende ist vielleicht etwas zu groß“, sagt Andreas Buschmeier, der mit seinem Unternehmen Buschmeier-Consulting Banken bei der Digitalisierung berät. „Aber ich denke, das ist erst der Anfang. Ich glaube, es werden in den kommenden Jahren noch mehr moderne, hochinnovative Finanzunternehmen in der ersten und zweiten Börsenliga auftauchen.“ Die traditionellen Banken hätten die Digitalisierung schlichtweg verschlafen und anderen das Feld in diesem Bereich überlassen. „Ich verspüre etwas Untergangsstimmung, wenn ich an die Zukunft der klassischen Banken denke“, sagt Buschmeier.

Zwar versuchten die Kredithäuser inzwischen, in Sachen Digitalisierung aufzuholen. „Aber sie setzen dafür zu wenig Geld ein und machen das auch nicht richtig gut“, meint er. Beispiel Sparkassen: Mit dem System Paydirekt wollen sie eine Konkurrenz zu Paypal aufbauen. „Aber es ist nicht besser oder innovativer als Paypal. Warum also sollten Kunden dorthin wechseln? Banken müssen auch neue Dinge erfinden“, sagt Buschmeier. Sie müssten zudem schneller werden und mit den günstigen Preisen vieler Fintechs – also kleiner moderner Finanzfirmen – konkurrieren.

Andreas Hackethal, Professor für Finanzen an der Universität Frankfurt, ist nicht ganz so pessimistisch. „Die Banken haben auch gute Ideen im Bereich der Digitalisierung. Die Frage ist: Wird ihr Tempo reichen, um mitzuhalten? Meine Erfahrung der letzten Jahre zeigt aber: So schnell ändert sich der Markt auch wieder nicht. Es dauert, bis neue Dinge sich durchsetzen. Die Banken haben also eine Chance.“

Er sieht die Versäumnisse der Institute im Bereich der Digitalisierung in den vergangenen Jahren auch nicht so kritisch wie viele andere Beobachter. „Im Rückblick ist es immer leicht zu sagen: Das hätten die Banken doch sehen müssen, dass sich dieses oder jenes am Markt durchsetzt. Aber so einfach ist es nicht. Man weiß eben sehr oft nicht, was sich in Zukunft wirklich am Markt etabliert. Und man kann nicht in allen Bereichen mitmischen.“

Das größte Problem der Banken sieht er in ihrem Personal. In seinen Master-Vorlesungen säßen oft ausgebildete Bankangestellte, die noch nie etwas von großen Fintechs wie N26 oder neuen Trends wie Robo Advice – automatisierter Anlageberatung – gehört hätten. „Es interessiert sie offenbar schlichtweg nicht. Da frage ich mich dann schon: Wie will ein Vorstand einen großen Tanker wie eine Bank mit solchen Leuten in Richtung Digitalisierung lenken?“

Klar ist: Die etablierten Banken haben Schätze, von denen Neulinge am Markt nur träumen können. Sie haben eine große Kundenbasis und viele Detailinformationen über ihre Kunden. Diese nutzen sie bislang aber unzureichend, etwa um ihnen passgenaue Angebote zu machen. Banken genießen zudem das Vertrauen der Menschen. Durch die Finanzkrise hat es dort zwar einen enormen Bruch gegeben; dennoch würden die meisten Deutschen ihr Geld weiterhin eher einer Bank als einem Fintech anvertrauen. Was auch nicht ganz dumm ist: Denn die Banken werden im Regelfall strenger reguliert und überwacht als Fintechs.

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