BundesregierungDeutsche Stadtwerke fordern neues Infrastrukturministerium

Lesezeit 4 Minuten
Breitband Symbolbild

Vor allem in Sachsen und Sachsen-Anhalt ist schnelles Breitband-Internet nach wie vor Mangelware. (Symbolbild)

Frankfurt – Die Aufgaben für die neue Bundesregierung sind gewaltig. Es geht nicht nur um schnelle Internetzugänge, die bis ins kleinste Dorf führen sollen. Nehmen die Jamaika-Koalitionäre den Klimaschutz und den Kampf gegen Schadstoffe in der Luft von Städten ernst, müssen sie Energie- und Verkehrswende miteinander verknüpfen. Die größten Investitionsprojekte für die öffentliche Hand seit Jahrzehnten stehen vor der Tür. Und wie soll das organisiert werden?

Die deutschen Stadtwerke jedenfalls fordern ein neues Ministerium, ein Infrastrukturministerium. „Wir brauchen in der neuen Bundesregierung eine Bündelungsfunktion beim Thema Infrastruktur“, sagt Michael Ebling (SPD), Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen und Mainzer Oberbürgermeister. Es müsse Planungssicherheit geben. Ansonsten könnten die komplexen Aufgaben nicht gestemmt werden. „Wir müssen die Dinge zusammen denken. Und wir hätten dann auch Förderprogramme unter einem Dach“, sagt der Verbands-Präsident, in dem sich die Stadtwerke und deren Tochterfirmen organisiert haben.

Für Ebling haben schnelle Internetanschlüsse eine zentrale politische Bedeutung: „Die Digitalisierung ist der Lackmustest, ob wir auch im Großen gleiche Lebensbedingungen in Stadt und Land erreichen können. Wir dürfen den ländlichen Raum nicht weiter abhängen.“

Sachsen und Sachsen Anhalt am schlechtesten versorgt

Wahlforscher haben den Erfolg der rechtspopulistischen AfD auch auf die weißen Flecken in der Breitbandversorgung insbesondere in Ostdeutschland zurückgeführt. Ländliche Gebiete Sachsen und Sachsen Anhalt gelten als am schlechtesten versorgte Region in Deutschland. Übertragungsgeschwindigkeiten von 50 Megabit (Mbit) pro Sekunde sind dort praktisch nicht vorhanden.

Aber auch im Bayerischen Wald sieht es finster aus. Das geht aus dem Breitbandatlas des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur hervor. Dabei hatte die alte Bundesregierung sich eigentlich zum Ziel gesetzt, die 50 Mbit flächendeckend bis Ende 2018 umzusetzen. Doch: Umso dünner eine Region besiedelt ist, umso weniger rentiert es sich für Telekommunikationskonzerne und Kabelnetzbetreiber den Boden aufzubaggern, um Strippen zu ziehen.

Datenhunger wird laut Experten massiv steigen

Gleichwohl gehen Branchenkenner wie etwa die Experten des Marktforschungs- und Beratungsinstituts WIK davon aus, dass der Datenhunger in den nächsten Jahren massiv steigen wird: 2025 würden etwa drei Viertel aller Haushalte 500 Mbit und mehr nachfragen. Das ist nicht mehr mit den alten Telefonkupferkabeln der Telekom zu erreichen, sondern nur mit neuen Glasfaserleitungen, die bis zu den Gebäuden geführt werden müssen. Und das geht nach Ansicht des VKU auf dem Land nur mit verstärkter staatlicher Förderung. „Wir müssen über einen längeren Zeitraum mehr als zehn Milliarden Euro für eine viel höhere Leistung der Datenleitungen investieren“, sagt Ebling.

Die WIK-Experten fordern in diesem Zusammenhang mehr Kooperationen, um staatliche Subventionen effizienter einzusetzen – Stadtwerke gehören dabei zu den wichtigsten Akteuren, da sie vor Ort oft seit Jahrzehnten aktiv sind. Ebling: „Wir sind in der Lage, passgenaue Infrastrukturen zu bauen.“ Wobei auch verschiedene Leitungssysteme, die unter der Erde liegen, miteinander verknüpft werden könnten.

Dabei dürfte es in den nächsten Jahren auch um Stromleitungen gehen. Auf die sogenannten Verteilnetze, deren Betreiber weitgehend die Stadtwerke sind, wird in naher Zukunft einiges zukommen. Allein schon durch den geplanten Ausbau der Erneuerbaren. Wobei schon jetzt laut Ebling rund 97 Prozent des Öko-Stroms in die lokalen Netze eingespeist wird. Doch künftig werden die Schwankungen bei der Stromerzeugung noch größer. Vor allem wegen mehr Sonnenstrom. Zahlreiche Studien rechnen hoch, dass es für Privatleute aber auch für Unternehmen immer lukrativer wird, Solaranlagen auf den Dächern zu installieren und diese mit Speichern zu kombinieren. Es werde dann enorm wichtig, Erzeugungs- und Lastspitzen auf der lokalen Netzebene zu glätten, fordert etwa der Bundesverband Erneuerbare Energie.

Elektromobilität als zusätzlicher Faktor

„Wir müssen deshalb die Verteilnetze weiter ausbauen. Auch da brauchen wir Rahmenbedingungen die milliardenschweren Investitionen in die Zukunft ermöglichen“, sagt der VKU-Präsident. Zumal die Elektromobilität in den nächsten Jahren als zusätzlicher Faktor hinzukommen wird. Das Öko-Institut und viele andere Forscher gehen davon aus, dass nur mit E-Autos in großer Zahl die weit überhöhten Schadstoffwerte in den Städten gedrückt werden können. Dafür braucht es aber Tausende von Ladesäulen, an denen die Fahrzeuge elektrische Energie tanken können. Dorthin müssen immense Mengen Strom gepumpt werden. Bislang sieht es da mehr als dürftig aus. Das Center Automotive Research (CAR) hat einen riesigen Bedarf errechnet: Nimmt man die 50 größten Städte, so stehe derzeit im Schnitt für knapp 12.000 Einwohner eine Ladesäule zur Verfügung.

In der E-Auto-Vorzeigestadt Amsterdam müssten sich hingegen nur 650 Bürger eine Station teilen. Die Forderung nach einem Masterplan zum Aufbau der Ladeinfrastruktur wurden bereits von vielen Seiten gestellt – ein Multi-Milliardenprojekt, koordiniert von einem Infrastrukturministerium? Das hätte aus Eblings Sicht auch den Vorteil, dass die Verteilung von Zuständigkeiten bei der Elektromobilität über mehrere Ministerien ein Ende haben könnte: „Wenn man heute für den Aufbau von Ladeinfrastruktur für Elektroautos verschiedene Akteure anschreiben muss, dann ist das der Sache nicht förderlich.“

KStA abonnieren