Chef des Steuerberaterverbandes„Es kam zu prominenten Fällen von Subventionsbetrug"

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Homeoffice

Arbeitnehmer kehren zurück ins Homeoffice – es gibt allerdings zahlreiche Ausnahmen

  • Gero Hagemeister ist neuer Präsident des Steuerberater-Verbandes Köln
  • Im Interview erklärt er, welche Zuschüsse es im Homeoffice gibt
  • Und warum Arbeitnehmern beim Kurzarbeitergeld Nachzahlungen drohen

Herr Hagemeister, wie sind die Steuerberater bislang durch die Corona-Zeit gekommen? Die Pandemie stellt die Steuerberater gleich in mehrerlei Hinsicht vor große Herausforderungen. Zum einen natürlich intern mit Regelungen zum mobilen Arbeiten und neuen Wegen der Kommunikation sowohl untereinander als auch im Kontakt mit den Mandanten. Zum anderen aber auch, weil wir eine Flut von Änderungen zur Umsetzung der Coronahilfen seitens der Finanzverwaltung sehen. Wir müssen an vielen Stellen ständig nachjustieren. Das ist eine schwierige Gemengelage bei hochkomplexen Sachverhalten und führt zu einer extremen Arbeitsverdichtung in den Kanzleien.

Schauen wir direkt auf ein Beispiel. Viele Selbstständige haben die Soforthilfen von 9000 Euro beantragt. Im Nachhinein wurden aber offensichtlich die Förderbedingungen verändert. Viele müssen nun zurückbezahlen. Wie kam es dazu?

Zu Beginn sollte es schnell und unbürokratisch gehen, und die Unternehmer haben die Hilfen selbst im Netz beantragt. Es kam zu zahlreichen Unregelmäßigkeiten und prominenten Fällen von Subventionsbetrug. Daraus hat die Politik gelernt, und so wurden die Steuerberater später bei Überbrückungshilfen mit eingebunden, weil wir als qualifizierte Berufsträger eine ordnungsgemäße Antragsstellung sicherstellen können. Aber wir erleben permanente Anpassungen der Regeln. Und wenn sich die Dinge ständig seitens Politik und Verwaltung ändern, ist es in der Tat für alle Beteiligten schwierig und das System wird fehleranfällig. Ein Bespiel ist die wechselvolle Debatte um die Behandlung des Unternehmerlohns bei den Soforthilfen. Fest steht, wir brauchen einen festen verlässlichen Rahmen.

Allerdings hat auch noch niemand je eine solche Pandemie mit ihren wirtschaftlichen Verwerfungen erlebt. Ist das Vorgehen „Versuch / Irrtum“ da nicht erwartbar?

Sicher, aber trotzdem fordern wir von der Politik, dass man auf unseren Sachverstand eingeht. Etwa beim Beispiel Absenkung der Mehrwertsteuer. Das klingt vielleicht erstmal banal. Es musste aber beispielsweise jeder normale Händler seine komplette Preisauszeichnung erneuern und in seiner IT umsetzen. All der Aufwand, um es nur kurze Zeit später wieder – nach einem halben Jahr – zurückzudrehen. Auch an anderer Stelle bekommen wir Steuergesetze, die praktisch in Echtzeit umzusetzen sind. Wir müssen dafür von der Politik hinreichend Zeit eingeräumt bekommen, denn die Umsetzung von Änderungen erfordern sowohl bei uns Steuerberatern als auch bei unseren Mandanten die entsprechenden Ressourcen. Dazu kommt auch, dass unser Berufsstand immer mehr Themen bearbeiten muss: die Umsetzung der Grundsteuerreform, bei der 36 Millionen Grundstücke bereits im nächsten Jahr auf den Stichtag 1. Januar 2022 zu bewerten sind, muss genauso gestemmt werden wie die weiterlaufenden Schlussabrechnungen der Coronahilfen, Sozialversicherungsprüfungen, handelsrechtliche Offenlegungen und selbstverständlich laufende betriebswirtschaftliche Beratungen und die Erfüllung der regelmäßigen Steuerpflichten. Wenn die Politik uns hier weiterhin den dafür nötigen Zeitbedarf und Fristverlängerungen verweigert, ist eine angemessene und verlässliche Bearbeitung gefährdet.

Fürchten Sie, dass dieser Umstand bei den Prüfungen später nicht berücksichtigt wird?

Wenn die Prüfung erst Jahre später erfolgt, wird auch schon mal vergessen, unter welchem Zeitdruck und unter welcher Unsicherheit diese Dinge entstanden sind. Finanzämter sind jetzt schon schneller mit der Andeutung auf Steuerhinterziehung oder Steuerverkürzung bei der Hand. Skandalöse Fälle, wie in den Panama- und Pandora-Papers dokumentiert, führen zu einem weiter wachsenden und ungerechtfertigten Misstrauen gegenüber der gesamten Steuerberaterbranche. Denn es sind gerade internationale Kanzleien und eine Finanzindustrie, die ihre Sitze nicht in Deutschland haben, die für diese Exzesse verantwortlich sind. Mittelständische deutsche Unternehmen und Steuerberater werden Sie bei solchen Machenschaften kaum finden. Und bei dem Versuch, solche Verwerfungen wie in den prominenten Fällen, rechtlich einzudämmen, kommt es dazu, dass die normalen mittelständischen Berater und Mandanten regulatorisch stranguliert werden. Da fehlt das Augenmaß.

Ein weiterer Fall ist Wirecard. Aus dem Untersuchungsausschuss wurden jetzt erste Ergebnisse bekannt, die auch auf ein elementares Fehlverhalten von Ernst & Young hindeuten...

Wirecard ist ein gutes Beispiel, welche Reflexe so ein Fall auslöst. Natürlich gibt es noch sehr viele offene Fragen in diesem Fall. Abschließend werden darüber wohl die Gerichte entscheiden. Die Reaktion der Politik ist aber eine weitere Verschärfung der Regulierung, die die Arbeit erschwert. Es ist fraglich, ob das noch sachgerecht ist.

Aber wie kann man einen Fall Wirecard in Zukunft verhindern?

Man muss als Prüfer auch künftig sehr genau hinschauen, um was für ein Unternehmen es sich handelt, wie international es aufgestellt ist und in welcher Branche es angesiedelt ist. Denn es ist klar, dass ein Finanzinstitut oder ein sich über den Kapitalmarkt finanzierendes Unternehmen eine ganz andere Form der Regulierung braucht als eine klassische inhabergeführte Familiengesellschaft. Hier ist es erforderlich, den regulatorischen Rahmen dementsprechend anzupassen und zu differenzieren.

Schauen wir nochmal auf Corona. Viele Arbeitnehmer arbeiten zu Hause. Wie sind da die aktuellen steuerlichen Regelungen. Ist auch ein Wohnzimmer absetzbar?

Seit März 2020 ist davon auszugehen, dass zu Hause grundsätzlich qualitativ gleichwertige Arbeiten wie am bisherigen Arbeitsplatz ausgeübt werden. Es werden keine besonderen Anforderungen an das Arbeitszimmer gestellt. Auch ein Tisch in der Küche ist ausreichend. Gearbeitet werden kann zum Beispiel auch in der Wohnung des Lebenspartners.

Es wird eine Pauschale von 5 Euro pro Tag gewährt. Der Höchstbetrag ist auf 600 Euro pro Jahr gedeckelt. Diesen Betrag erreicht man nach 120 Tagen. Zu beachten ist, dass diese Pauschale in die allgemeine Werbungskostenpauschale von maximal 1.000 Euro pro Jahr einfließt und nicht zusätzlich gewährt wird. Während der Zeit des mobilen Arbeitens können keine Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte geltend gemacht werden, so dass die Pauschale von 1.000 Euro nicht mehr so leicht wie früher erreicht wird. Wurde zeitlich überwiegend im Arbeitszimmer gearbeitet, kann davon ausgegangen werden, dass sich dort der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit befindet. Die Kosten des Arbeitszimmers sind dann wohl unbeschränkt abzugsfähig

Es heißt, dass es im nächsten Jahr wieder mehr Kurzarbeit geben wird. Was ist hier zu beachten?

Was viele nicht bedenken, ist, dass „steuerfrei“ nicht unbedingt heißt, dass durch diese Zahlungen keine Steuerbelastungen entstehen. Lohnersatzleistungen unterliegen dem Progressionsvorbehalt. Und es kann durchaus auch sein, dass es dabei zu Nachzahlungen kommt.

In welchem Fall?

Lassen Sie mich das anhand eines Beispiels erläutern: Hat zum Beispiel eine alleinstehende Arbeitnehmerin ein zu versteuerndes Einkommen (zvE) ohne Kurzarbeitergeld von 40.000 Euro, so ergibt sich ein durchschnittlicher Einkommensteuersatz von 21,13 Prozent. Wäre auch das steuerfreie Kurzarbeitergeld versteuert worden, läge der Steuersatz höher (z.B. bei 22,76 Prozent, wenn man von 5.000 € Kurzarbeitergeld ausginge). Daher wird der höhere Steuersatz (hier 22,76 Prozent) auf das zvE von 40.000 Euro angewendet, so dass die Gesamtsteuerbelastung letztlich gegenüber der Summe monatlicher Vorauszahlungen höher liegt (in diesem Beispiel um 1,63 Prozent). Das wird vom Gesetzgeber damit gerechtfertigt, dass die Steuerbelastung während des Bezuges des Kurzarbeitergeldes niedriger gelegen hat und sich die Steuerfreiheit des Kurzarbeitergeldes trotz des Steuerprogressionsvorbehaltes positiv ausgewirkt hat.

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Auch Ihre Branche leidet unter Fachkräftemangel. Warum begeistern sich immer weniger für den Beruf des Steuerberaters?

Der Mangel an Fachkräften ist in der Tat ein Riesenthema. Dabei ist unser Beruf sehr vielseitig. Wir sind keine Zahlenknechte, die bloß Formulare ausfüllen und dies mit den folgenden Bescheiden abhaken. Wir müssen vielmehr Sachverhalte auf ihre steuerliche Relevanz prüfen. Dazu geben wir unseren Mandanten Gestaltungsempfehlungen, die ihre wirtschaftlichen Ziele berücksichtigen. Beispiele hierfür sind Fragen einer Unternehmensnachfolge, betriebliche Umstrukturierungen, Erbschafts- und Schenkungssteuerthemen. Zu glauben, dass durch die Digitalisierung viele Bereiche wegfallen, ist ein Trugschluss. Sicher werden Routinetätigkeiten weiter automatisiert werden, dafür steigt aber der Bedarf an Beratung und Gestaltung. Wir Steuerberater begleiten unsere Mandanten somit eng und vertrauensvoll bei deren wesentlichen persönlichen und beruflichen Entscheidungen und geben Hilfestellung bei finanzwirtschaftlichen Fragen. Diese Vielseitigkeit und die kommunikative Herausforderung machen neben dem erforderlichen lebenslangen Lernen den großen Reiz und die unbestreitbare Zukunftsfähigkeit unseres Berufes aus.

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