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Deka-Chefvolkswirt prognostiziert„Wir werden neue Höchststände an den Börsen erleben“

Lesezeit 3 Minuten
Ulrich Kater, Deka-Chefvolkswirt

Ulrich Kater ist Chefvolkswirt der Deka-Fondsgesellschaft

  • Die Deka ist die größte Fondsgesellschaft Deutschlands. Ihr Chefvolkswirt Ulrich Kater prophezeit dem Aktienmarkt Rekorde.
  • Der Ökonom erklärt, was das mit niedrigen Zinsen zu tun hat und warum hohe Staatsschulden kein unmittelbares Problem sind.
  • Kater erläutert zudem, warum die Corona-Krise für NRW und seine Unternehmen eine Chance sein kann, obwohl sie aktuell vor allem eine Belastung ist.

Köln – Investoren reden unentwegt von Buchstaben, wenn sie die Entwicklung in Zeiten der Corona-Krise beschreiben: V, U oder doch W. Welchen Verlauf nehmen die Börsenkurse?

Der Einbruch Anfang März und die darauf folgende Entwicklung bilden eindeutig einen V-förmigen Kurvenverlauf. Wir haben eine starke Erholung an den Börsen erlebt. In die Zukunft betrachtet werden wir aber auch wieder Rückschläge an den Märkten erleben. Denken Sie nur an die USA. Dort gab es nach kurzem Lockdown tolle Erfolge am Arbeitsmarkt. Doch nun sehen wir wieder Rückschläge und stark steigende Fallzahlen an Corona-Infizierten. Eines ist aber auch klar: Schon bei geringen Kursrückgängen werden sehr schnell wieder Käufer zurückkommen. Aktien bleiben auch in der Nach-Corona-Zeit als Langzeitanlage eine der wenigen beliebten Anlageformen.

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Welche Branchen sind in welcher Weise betroffen?

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Da gibt es enorme Unterschiede. Klar ist, dass die Bereiche Tourismus, Luftfahrt und Events am stärksten betroffen sind. Wahrscheinlich werden wir dort keine so baldige Erholung erleben, ich denke eher an die Jahre 2022 oder 2023. In manchen Fällen auch noch später. Die Lufthansa etwa denkt realistischerweise erst an eine spürbare Erholung für das Jahr 2024. Außerdem ist das regional sehr unterschiedlich. Deutschland hat die Krise schon ganz gut gemeistert, in den USA ist noch sehr viel Sand im Wirtschaftsgetriebe. Chinas Wirtschaftsleistung ist jetzt schon wieder auf einem Niveau wie vor Corona. Für Italien und Spanien sehe ich eine Erholung erst in den Jahren 2022 oder 2023.

Wie ist es um die Leistungsfähigkeit der NRW-Betriebe und hier typischen Wirtschaftszweige bestellt?

Nordrhein-Westfalens Stärke etwa ist die Chemie-Branche. Nicht umsonst hat die Stadt Leverkusen die niedrigste Kurzarbeitsrate neben Ludwigshafen in der ganzen Bundesrepublik. Chemische Produkte haben eine sehr breite Einsatzfähigkeit. Die Branche von Bayer und Co. war betroffen, wird aber eine schnellere Erholung erleben. Schwieriger sieht es aus für die stark vom Automobilbau betroffenen Regionen. In NRW sieht man das im Sauerland mit seinen vielen Automobilzulieferern, stärker aber noch in den klassischen Autoländern Baden-Württemberg, Niedersachsen und Bayern.

Wie sieht es außerhalb unseres Landes aus?

Die Krise durch Corona hat die Schwellenländer nachhaltig zurückgeworfen, das wirkt sich auf die Exportnachfrage nach deutschen Investitionsgütern aus. Nicht zuletzt klagen die deutschen Industrieunternehmen nicht über Produktions- sondern über Nachfrageprobleme. Die Öl produzierenden Staaten leiden unter dem niedrigen Ölpreis, den die Corona-Krise noch weiter vertieft hat. Zusätzlich wird der Trend zur Re-Nationalisierung die Weltwirtschaft nachhaltig verändern.

Welche Auswirkungen hat das auf unsere Arbeitsplätze?

Insbesondere der Autobau steht vor riesigen Herausforderungen. Gleichzeitig gibt es neue Chancen, wenn etwa bestimmte Produktionen wieder zurück nach Deutschland geholt werden. An einem deutschen Standort ist eine viel stärkere Automatisierung erforderlich, um überhaupt wettbewerbsfähig sein zu können, und hierfür braucht es neue Maschinen und Verfahren.

Was bedeutet das alles für Geldanleger und Aktionäre?

Hohe Staatsschulden und Inflation sind anders als das viele denken kein unmittelbares Problem. Die Wirkungen sind eher schleichend, wenn das Wachstum in den kommenden Jahren durch zu viel Schulden eingeschnürt wird. Die Menschen nutzen heute niedrige Zinsen oder Kreditmöglichkeiten weniger zum Konsumieren als zum Aufbau von Vermögen. Das hält die Inflation bei den Verbraucherpreisen zurück, heizt aber die Inflation bei Anlagegütern wie Aktien und Immobilien weiter an . Das ist auch eine Folge des demografischen Wandels. Das bleibt wegen niedriger Zinsen noch viele Jahre so. Wir werden daher neue Höchststände an den Börsen erleben.

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