Dem hohen Strompreis entgehen

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  • Beim Wechsel des Energielieferanten können Verbraucher sparen – Überschaubarer Aufwand

Die Strompreise werden weiter steigen. Das zumindest prophezeien aktuell Experten. „In naher Zukunft gehen wir eher von steigenden als von sinkenden Strompreisen aus“, sagt Mathias Köster-Niechziol, Energieexperte beim Vergleichsportal Verivox. Das hänge mit deutlich gestiegenen Großhandelspreisen zusammen. „Das gilt nicht nur für die kurzfristigen Spotmarktpreise, die aktuell angesichts der Hitzewelle Jahreshöchstwerte von über 60 Euro pro Megawattstunde erreicht haben, sondern auch für die langfristige Preisentwicklung“, sagt Köster-Niechziol. „Die Energieversorger müssen also mehr für Strom bezahlen und einige werden diese Erhöhungen an die Verbraucher weitergeben müssen.“

Dass es relativ einfach ist, diese höheren Kosten mit einem Wechsel des Stromanbieters weitgehend zu umgehen, nutzen allerdings nur wenige. Zwar haben den neuesten Zahlen der Bundesnetzagentur zufolge im Jahr 2016 mehr als 4,6 Millionen Haushaltskunden ihren Stromlieferanten gewechselt – und das ist der höchste Wert seit der Liberalisierung des Strommarktes vor 20 Jahren. Gleichzeitig werden aber immer noch insgesamt rund 31 Prozent aller Haushalte durch den Grundversorger beliefert – zu diesem gelangt man automatisch, wenn man sich um nichts kümmert, er ist aber in der Regel der teuerste.

„Ein treuer Kunde, der im Grundversorgertarif bleibt, wird in aller Regel eher bestraft als belohnt, während ein Kunde, der zu einem neuen Anbieter geht, allerlei Geschenke bekommt. Da läuft was falsch“, sagt Arik Meyer, Gründer von Switchup, einem sogenannten Wechsel-Bot. Anders als gängige Vergleichsportale wie Verivox oder Check 24 schlägt das Portal nicht nur Tarife vor, sondern übernimmt auch den Wechselvorgang für den Kunden, überprüft jährlich, ob es sich noch um den passenden Tarif handelt und – sofern der Auftrag erteilt wurde – wechselt automatisch zum günstigeren Tarif. Der Dienst an sich ist kostenlos, das Unternehmen finanziert sich – wie andere Vergleichsportale auch – durch Provisionen der Stromlieferanten. Mit einem Wechsel könnten Verbraucher bis zu 300 Euro sparen – je nachdem, wie teuer der bisherige Tarif war. Die Bundesnetzagentur spricht von einer durchschnittlichen Ersparnis von rund 64 Euro. „Der Aufwand, seinen Anbieter zu wechseln, ist tatsächlich relativ überschaubar“, sagt Meyer. „Die Komplexität besteht eher darin, sich in der Fülle der Tarife zurechtzufinden.“ Verbraucher können je nach Wohnort durchschnittlich zwischen 112 verschiedenen Lieferanten wählen. „Da muss man unterscheiden können, bei wem es sich um einen seriösen Anbieter handelt oder einen, der dem Kunden eine versteckte Preiserhöhung nach dem ersten Vertragsjahr unterjubeln will.“ Wer sich allein auf das billigste Angebot konzentriert, laufe Gefahr, bei einem Anbieter zu landen, der sich das Geld, das er zuerst in Form eines Bonus auszahlt, früher oder später mit höheren Folgepreisen zurückholt. „Wir sehen unsere Rolle darin, diese Feinheiten aufzuklären und unseriöse Anbieter auszuschließen“, sagt Meyer. Die maximale Ersparnis gibt es aber tatsächlich nur bei jährlichem Wechsel.

Switchup fragt bei einem Wechselauftrag zuerst nach den Präferenzen des Verbrauchers: Wie wichtig ist dem Kunden Ökostrom? Wie wichtig ist ihm im Verhältnis dazu der Preis? Die Gewichtungen fließen in einen Algorithmus. Daraus ergeben sich die Tarifempfehlungen für den Kunden. Entscheidet sich der Kunde für einen der neuen Tarife und gibt den Wechsel bei Switchup in Auftrag, wird im Zuge dessen auch abgefragt, ob in den nachfolgenden Jahren der Wechsel automatisiert stattfinden soll. Hat man den automatischen Service aktiviert, bekommen Kunden per Mail den Tarifvorschlag zugeschickt. Wird innerhalb von sieben Tagen keine Rückmeldung gegeben, dass man beim alten Tarif bleiben wolle, wird der Wechsel von Switchup vollzogen.

Die Tricks der Stromanbieter kennt man auch bei der Verbraucherzentrale. Wer bei den zahlreichen Sonderregelungen und Bonusfallen den Durchblick verliert, für den könne es sich deshalb lohnen, trotz Provisionsaufschlag auf einen solchen Wechsel-Bot zurückzugreifen, sagt Udo Sieverding, Energieexperte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Um den günstigsten Tarif zu finden, empfehlen wir aber immer, auch noch einmal einen Vergleich mit den Angeboten auf den Webseiten der Stromlieferanten anzustellen“, so der Verbraucherschützer. Dass man dort ein preiswerteres Angebot als ein solches von Vergleichsportalen findet, müsse im Übrigen nicht sein. Einige Tarife sind exklusiv Vergleichsportalen vorbehalten und finden sich beim Anbieter selbst gar nicht.

„Das Angebot solcher Wechsel-Bots kann für Verbraucher durchaus einen Mehrwert darstellen“, sagt Sieverding. Gleichzeitig gibt er aber zu bedenken, dass das Konzept oftmals nicht die Zielgruppe erreicht, die am meisten profitieren würde. Gerade ältere Menschen, die seit Jahren den teuren Grundversorgertarif beziehen, würden sich nicht auf einmal einem Start-up anvertrauen, das sich der Ansprache nach an eine sehr junge Zielgruppe wendet. „Entscheidet man sich, einen automatischen Wechselauftrag zu erstellen, ist man zudem nicht vor der Auseinandersetzung mit dem Thema gefeit“, merkt er an. Wenn Ankündigungen zum möglichen Wechsel in einen günstigeren Tarif eintreffen, rät er, auch diese aufmerksam zu lesen.

Liberalisierter Strommarkt seit 20 Jahren

Am 24. April 1998 trat das „Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts“ in Kraft. Bis dahin war der Strom- und Gasverkauf ein streng abgeschottetes Geschäft, das von Stadtwerken und anderen Versorgern mit Gebietsmonopol betrieben wurde. Heute stehen Verbrauchern im Schnitt mehr als hundert Anbieter zur Verfügung. Ein Wechsel ist nach Auslaufen der Mindestvertragslaufzeit möglich. Auch Rückwechseln ist erlaubt – je nach Anbieter zählt man nach sechs oder zwölf Monaten wieder als Neukunde und hat so auch Anspruch auf einen Bonus. (td)

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