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Digitalminister verspricht„Alle NRW-Schulen haben bis Ende 2022 Gigabit-Anschluss“

Lesezeit 6 Minuten
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Andreas Pinkwart (FDP) ist Wirtschafts- und Digitalminister in NRW.

  • Andreas Pinkwart (FDP) ist Wirtschafts- und Digitalminister in NRW. Im Interview spricht er über die Gründe für das Scheitern von Digitalunterricht an vielen Schulen.
  • Er bekräftigt außerdem trotz Zweifeln aus den Kommunen sein Versprechen, bis 2022 alle Schulen an Netze mit Gigabit-Geschwindigkeit anzuschließen.
  • Schuldige dafür, dass das Land in diesem Punkt noch nicht weiter ist, hat Pinkwart auch gefunden.

Köln – Guter Digitalunterricht ist in der Corona-Krise an vielen Schulen schon deshalb gescheitert, weil die Schulen digital schlecht ausgestattet waren. Eine grundlegende Kehrtwende ist nicht in Sicht. Was planen Sie als Digitalminister, um die Situation zu ändern? Andreas Pinkwart: Bei der digitalen Schule der Zukunft sehe ich drei Handlungsfelder: Alle Schulen müssen zunächst bis zum Schultor an ein leistungsfähiges Gigabitnetz angeschlossen sein, damit im Klassenraum der Zukunft Unterricht digital verstärkt und multimedial angereichert werden kann. Zweitens muss innerhalb der Schulen eine digitale Infrastruktur vorliegen, damit die Gigabitpower auch in alle Klassen gelangt. Denn ohne ein leistungsfähiges WLAN können Schülerinnen und Schüler keine digitalen Ergebnisse in eine Cloud schicken. Drittens brauchen Schüler und Lehrkräfte sowohl Endgeräte als auch eine gute Software für Schulaufgaben und Kommunikation. Als Digitalminister bin ich hierbei für die Digitalstrategie und die Gigabit-Infrastruktur bis zum Schultor verantwortlich. Die anderen Aufgaben übernehmen Schulträger und meine geschätzte Kollegin Yvonne Gebauer als Schulministerin.

Sind diese verschiedenen Zuständigkeiten nicht Teil des Problems? Müsste bei Ihnen als Digitalminister nicht alles gebündelt werden?

Wir haben die Aufgaben schon ausreichend gebündelt und brauchen hier keine weiteren Schritte. Sonst müsste das Land die 5500 Schulen selbst betreiben, das will keiner. Problematisch ist aber, dass sich der Bund 2016 über den Digitalpakt Schule auch noch ins Spiel gebracht hat. Er hat den riesigen Rückstand beim Thema Digitalisierung der Schulen erkannt und hätte Ländern und Kommunen über einen Steuerausgleich die notwendigen Mittel für die Aufholjagd zur Verfügung stellen können. Das ist aber nicht passiert. Stattdessen wurde erstmal ein jahrelanger Prozess gestartet, um das Grundgesetz zu ändern. Diese Art von Politik bringt uns wenig – so haben wir drei Jahre verloren und obendrein noch mehr Bürokratie bei der Umsetzung.

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Fast 40 Prozent der NRW-Schulen sind immer noch nicht ans Gigabit-Netz angeschlossen. Warum nicht?

Weil meine Vorgänger viel zu lange gewartet haben, sich um diese Frage zu kümmern. Ich habe die Verantwortung im Sommer 2017 übernommen. Da wussten wir nicht einmal für jeden Standort, wie die betreffende Schule digital angebunden ist. Diesen Überblick haben wir uns bis Ende 2018 erarbeitet und parallel an einer Beschleunigung der Förderverfahren und der technischen Umsetzung gearbeitet. Zu diesem Zeitpunkt waren nur 15 Prozent der Schulen gigabitfähig erschlossen. Ende 2020 waren wir bei 62 Prozent, haben den Wert also vervierfacht. Weitere 26 Prozent sind aktuell in konkreter Umsetzung, und neun Prozent befinden sich in der Planung. Nur drei Prozent der Schulen sind noch ohne gesicherte Planung. Dieser Wert lag Ende 2018 noch bei 41 Prozent. Wir haben also enorme Fortschritte erreichen können – und werden wie versprochen 100 Prozent der Schulen bis Ende 2022 anschließen.

Die Redaktion hat bei vielen Schulträgern in der Region nachgefragt, wie es um ihren Anschluss steht. Einige haben geantwortet, dass sie davon ausgehen, erst nach 2022 Gigabitnetze zu erhalten. Sie dürften Ihr selbstgestecktes Ziel also nicht erreichen.

Ich habe überhaupt keinen Zweifel daran, dass wir unser Ziel erreichen werden. Wir haben extra in den fünf Regierungsbezirken Gigabit-Geschäftsstellen eingerichtet, die sich mit der Beseitigung von Flaschenhälsen beschäftigen. In den Kreisen und kreisfreien Städten sind Koordinatoren im engen Austausch mit Land und Kommunen. Sie wissen genau, wo wir stehen und welche Baustellen es noch gibt. Wir haben hier also eine starke Unterstützerstruktur. Als positives Beispiel der Umsetzung unserer Strategie nehme ich den Kreis Euskirchen: Heute sind 52 Prozent der Schulen gigabitfähig erschlossen, für die restlichen 48 Prozent wurde die Förderung bewilligt. Alle 78 Schulstandorte werden bis Ende des Jahres fertig angeschlossen sein.

Wie wollen Sie dafür sorgen, dass tatsächlich alle Schulen angeschlossen werden?

Ich rufe die Netzbetreiber auch persönlich an, wenn es klemmt, und mache Druck, dass eine Baustelle schneller fertig wird als geplant. Wir sind gut vernetzt und sehr entschlossen.

Schulen in wohlhabenden Bezirken sind deutlich besser ausgestattet als solche in Bezirken mit sozialen Problemen. Begünstigt die Förderpolitik diejenigen, die sowieso eine starke Lobby haben?

Schulministerin Yvonne Gebauer ist es gelungen, die Schulplattform Logineo, die sie als Scherbenhaufen übernommen hat, zu einer arbeitsfähigen Lernsoftware aufzubauen. Diese steht allen Schulen zur Verfügung, unabhängig von der Schulform oder dem Standort. Das gleiche gilt für Endgeräte, sowohl für Schülerinnen und Schüler als auch für Lehrkräfte. Dank des Covid-Zusatzprogramms aus dem Digitalpakt kommen die Endgeräte jetzt nach und nach an. Warum es solcher Krisen braucht, bis alle Lehrerinnen und Lehrer in einem so reichen Land wie Deutschland selbstverständlich ein Dienst-Tablet bekommen, halte ich aber für nicht erklärbar. Bis vor kurzem mussten sie private Geräte noch selber mitbringen.

Das Homeschooling scheitert derzeit aber auch noch, weil Familien keinen geeigneten Internetanschluss oder Laptops haben. Teilweise müssen sich Kinder ein Handy für den Unterricht teilen. Braucht es hier eine zusätzliche Förderung?

Wenn es hier zusätzlicher Hilfen für leistungsstärkere Internetanschlüsse braucht, müssen wir nach geeigneten Lösungen suchen.

Hätte das Land in der Krise schneller und entschiedener auf digitalen Unterricht setzen müssen?

Damit das gelingen kann, müssen erst die Voraussetzungen geschaffen werden. Wären wir schon vorher soweit gewesen wie jetzt, hätten wir das schneller umsetzen können. Das gilt übrigens für Vieles in Corona-Zeiten. Wir sehen, wie wichtig es ist, die Digitalisierung auf allen Ebenen des Staates ernst zu nehmen. Da hat sich jahrelang aber nichts getan. Ich war von 2005 bis 2010 Wissenschaftsminister, 2017 bin ich Wirtschafts- und Digitalminister geworden. In den sieben Jahren dazwischen hatte sich nichts Erkennbares bei der Digitalisierung getan. Das lässt sich auch in anderen Bereichen beobachten: Ich halte es zum Beispiel für bedenklich, dass das RKI an Wochenenden oder über Feiertage keine vollständigen Zahlen rausgibt, weil automatisierte, digitale Übertragungswege fehlen.

Der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschafsministeriums hat gerade ein Gutachten zur Digitalisierung in Deutschland veröffentlicht. Darin heißt es, deutsche Institutionen seien ihren Aufgaben zur Digitalisierung über lange Zeit nicht nachgekommen. Was kreiden Sie sich selbst an?

Ich war 2005-2010 bereits in Regierungsverantwortung in Nordrhein-Westfalen, vielleicht hätten wir die Digitalisierung auch schon damals stärker pushen sollen. Immerhin für den Wissenschaftsbereich kann ich sagen, dass wir dort viel unternommen haben. Anfang der 2000er Jahre waren wir auch in anderen Bereichen mindestens gedanklich schon weiter, Stichwort Gesundheitskarte, sind dann aber daran gescheitert, dass Deutschland die Bürokratie nicht nur erfunden, sondern zur Perfektion weiterentwickelt hat. Es gibt nichts, was nicht geregelt wäre. Das ist hochprofessionell und komplex angelegt, aber bis heute stehen wir vor dem Problem, dieses hochkomplexe System digitalisieren zu wollen. Es kann aber nicht darum gehen, alles, was analog gemacht wurde, jetzt digital zu machen. Wichtig ist, mit neuer Software und neuen Systemen Bürokratie komplett neu zu denken und neue Prozesse zu gestalten.

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Auch das, was wir gerade mit Homeschooling machen, ist schön und gut, aber das ist nicht digitale Bildung. Wir müssen den Präsenzunterricht digital unterstützen und bereichern. Digitale Bildung muss als Quantensprung gedacht werden, bei dem beispielsweise Schülerinnen und Schüler im Biounterricht mit VR-Brillen Magen, Niere und Leber virtuell durchlaufen. Das wäre anregend und lehrreich.

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