Diversität in DAX-KonzernenKeine Gleichstellung bei Bayer, Telekom und Post

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In Konzernen mangelt es noch an Verständnis dafür, was Diversität überhaupt bedeutet, so die Forscher des German Diversity Monitor.

In Konzernen mangelt es noch an Verständnis dafür, was Diversität überhaupt bedeutet, so die Forscher des German Diversity Monitor.

  • Wie divers sind DAX-Konzerne aufgestellt? Nach den Ergebnissen des German Diversity Monitor mangelt es vor allem in den Führungsetagen an Vielfalt.
  • Die Vorstandsmitglieder der Konzerne ähneln sich: Sie sind oft männlich, gleicher Herkunft und ähnlichen Alters. Menschen mit Behinderung, Frauen und LGBT+ sind deutlich seltener vertreten.
  • „Männer schauen nach Männern“, sagt Karin Schwendler von verdi. Ist die Frauenquote eine Lösung? Und was bedeutet Diversität noch?

Köln – Die Führungsetagen der Dax-Konzerne sind männlich geprägt, die Vorstandsmitglieder ähneln sich, es mangelt an Vielfalt. Zu diesem Fazit kommen die Initiatoren des German Diversity Monitor 2020. Es ist die erste Erhebung der Initiative Beyond Gender Agenda und der Universität Magdeburg darüber, wie verankert Diversität in den Vorständen und Chefetagen führender deutscher Unternehmen ist. Künftig soll die Studie jährlich durchgeführt werden. Für die Untersuchung werteten Wissenschaftler die Geschäftsberichte 2019 der 160 in Dax 30, M-Dax und S-Dax gelisteten Unternehmen aus und führten Online-Umfragen durch. 109 Unternehmen nahmen teil. Ein Blick in die Geschäftsberichte börsennotierter Konzerne in NRW legt nahe: Die Ergebnisse der Untersuchung spiegeln die Verhältnisse in den Konzernen der Region.

Was bedeutet Diversität?

In einem diversen Unternehmen arbeiten Menschen unterschiedlichen Geschlechts, verschiedener Nationalitäten, Menschen mit und ohne Behinderung, über Generationen hinweg und diverser sexueller Orientierungen. So definieren die Wissenschaftler des German Diversity Monitor Diversität. Die Unternehmen selbst denken Vielfalt meist nur in den Kategorien Geschlecht und Nationalität, so ein Ergebnis der Studie. „Altersdiversität scheint einseitig mit Integration älterer Mitarbeitender assoziiert zu werden und nicht mit einem Zusammenbringen diverser Perspektiven über Generationen hinweg. LGBT+-Diversität sowie Behinderungen spielen eine untergeordnete Rolle in der Wahrnehmung der Studienteilnehmer*innen“, heißt es dazu in der Untersuchung. Die Folge: Die Perspektiven bestimmter Gruppen sind nicht in den Unternehmen vertreten. Den Betrieben entgehe damit Innovationspotential, so die Wissenschaftler.

Sie schlussfolgern, dass verkannt wird, welchen wirtschaftlichen Nutzen Diversität hat. Rund 40 Prozent der befragten Unternehmen sehen eine Verknüpfung zwischen Diversität und dem Unternehmenserfolg. Es gebe längst Studien die belegen, dass Vielfalt zum Unternehmenserfolg beitrage, so Karin Schwendler, Bereichsleiterin für Frauen- und Gleichstellungspolitik bei der Gewerkschaft Verdi. Die Unternehmen würden diese aber schlicht „ignorieren“. Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ teilt die Deutsche Telekom mit, man erachte Diversität in der Belegschaft und im Management als „förderlich“ für eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit. Das Unternehmen beschäftige Menschen aus 150 Nationen: „Diese Vielfalt hilft uns, im globalen Wettbewerb mit guten Ideen und besten Produkten wettbewerbsfähig zu bleiben und unsere Position als attraktiver Arbeitgeber auszubauen“, heißt es von der Telekom.

„Heterogenität hat Vorteile. Das gilt aber auch für Homogenität.“

Am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln sieht man Diversität nicht unbedingt als Gewinn. „Heterogenität hat Vorteile – unterschiedliche Perspektiven und Ideen können eingebracht werden. Das gilt aber auch für Homogenität – man spricht eine Sprache und versteht sich ohne explizite Regeln“, so Oliver Stetten, Leiter Kompetenzfeld Arbeitsmarkt und Arbeitswelt. Und die Beteiligung von Frauen? Bei der Telekom sind aktuell neben fünf Männern zwei Frauen im Vorstand. Am 1. November kommt eine dritte Frau hinzu. Im mittleren und oberen Management strebt der Konzern eine Quote von 30 Prozent Frauenanteil an. Bei der Deutschen Post sind rund 22 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt. Auf der ersten Führungsebene liegt der Anteil bei 25 Prozent, auf der zweiten Ebene bei rund 23 Prozent. Das anvisierte Ziel – 30 Prozent – verfehlte der Konzern bislang. Im Vorstand ist Melanie Kreis neben sieben Männern die einzige Frau. Im Vorstand von Bayer sitzen fünf Männer – und keine Frau.

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„Diversität spielt in der Kultur unseres Unternehmens seit Jahrzehnten eine zentrale Rolle – und zwar in unterschiedlichster Hinsicht“, so ein Sprecher des Konzerns. Die letzte Frau verließ den Vorstand im März 2018. Bis spätestens 2022 soll ein weibliches Vorstandsmitglied nachrücken. Die eigene Strategie zu Inklusion und Vielfalt sei im vergangenen Jahr weiterentwickelt worden, so Bayer. Die „Vielfalt an Nationalitäten“ im Unternehmen sei, mit zwei Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft im Vorstand, auch in den Führungsgremien abgebildet. Weder die Post, noch Telekom oder Bayer, streben mit den Zielquoten für Frauen in ihren Unternehmen die Parität der Geschlechter an.

Geschlechterquote seit 2015

Der Verband Unternehmer NRW ist gegen eine gesetzliche Frauenquote. Sie sei der „falsche Weg“, weil sich mit einer Quote an den Ursachen nichts ändere. Wichtiger seien eine „klischeefreie Berufsorientierung“ und bezahlbare Betreuungsangebote, sagt Tanja Nackmayr, Geschäftsführerin Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik. Allerdings: Die Quote wirkt. Seit der Einführung der gesetzlichen Geschlechterquote 2015 ist der Anteil von Frauen in den Aufsichtsräten im Schnitt auf die vorgeschrieben 30 Prozent angestiegen. „Vor der Einführung der gesetzlichen Geschlechterquote für die Aufsichtsräte klagten Unternehmen, qualifizierte Frauen mit dem richtigen Hintergrund seien nicht zu finden“, heißt es dazu von der unabhängigen Allbright Stiftung.

Im Geschäftsbericht 2019 der Post heißt es, man arbeite daran, dass künftig „ausreichend geeignete Kandidatinnen zur Verfügung stehen“. Dass es nicht genügend interessierte und qualifizierte Frauen gibt, nennt Karin Schwendler „völligen Unsinn“. Die Branche spiele eine Rolle, ja. Aber auch, dass „Männer nach Männern schauen“. Ohne Quoten, sagt sie, werde es mit der Gleichberechtigung weiterhin nur im Schneckentempo vorwärts gehen.

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