Eingestürzte Mauer, nasse WändeHausbau in Burscheid wurde für Familie zur Katastrophe

Lesezeit 7 Minuten
Familie Scheel

Familie Scheel vor der Baustelle in Burscheid – wo es nach langem Ärger wieder vorwärts geht

  • Der Bau ihres Eigenheims ins Burscheid wurde für Sarah und Carsten Scheel zu einem Hürdenlauf, an dessen Ende sie viel Geld verloren. Ein Experte gibt Tipps, worauf Bauherren unbedingt achten sollten.
  • Ein Artikel aus unserem Archiv.

Burscheid – Sarah und Carsten Scheel befinden sich gerade mit ihrem zweijährigen Sohn auf der Baustelle ihres Einfamilienhauses in Burscheid, als sie das laute Krachen aus dem Obergeschoss hören. Ein Geräusch, denken sie noch, als wäre dort etwas eingestürzt. Als die Scheels oben ankommen, sehen sie, dass die schmalen Mauern des Staffelgeschosses in sich zusammengestürzt sind. Der Wind hat sie umgefegt, einzelne Bruchstücke haben sich bis hinunter ins Erdgeschoss verteilt. „Wenn da jemand gestanden hätte“, sagt Carsten Scheel, „dann wäre er jetzt vielleicht tot“.

Es ist der vorläufige Höhepunkt einer langen Reihe von Zwischenfällen beim Hausbau der Familie auf dem Gelände einer ehemaligen Textilfabrik in Burscheid. Nach dem Einsturz der Mauer informiert der unabhängige Sachverständige, der den Bau begleitet, sofort die zuständigen Behörden. Ein Baustopp wird verhängt. Punkt eins auf der Mängelliste des Bauamts, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt: „Die Standsicherheit ist nicht gewährleistet“.

Dieser Punkt wird später konkretisiert, ausschließlich auf die Standsicherheit der Mauern während der Erstellung bezogen. Doch es stehen zahlreiche weitere Mängel auf der Liste: der fehlende Bauzaun, das nicht verkehrssichere Gerüst, der nicht abgesicherte Schwenkbereich des Baukrans, frei liegende Bewehrungsstähle und fehlende Absturzsicherungen an den Deckenöffnungen. Obwohl die Scheels die Schäden selbst anzeigen, müssen sie als Bauherren 400 Euro Strafe zahlen. „Es wurde alles stillgelegt, alle Kabel gezogen“, sagt Sarah Scheel. Das ist im Juli 2020. Die Probleme sind damit noch lange nicht vorbei.

„Wir waren richtig begeistert“

Dabei hatte das Bauvorhaben der Scheels einst vielversprechend begonnen. Mit ein wenig Glück und Eigeninitiative sicherten sie sich 2019 auf dem begehrten Gelände in Burscheid ein Grundstück, das von einer Baufirma aus dem Ruhrgebiet bebaut wird.

„Ein Top-Verkäufer“ sei deren Geschäftsführer gewesen, so Sarah Scheel. Die Pläne klangen verlockend: ein Reihenhaus, nicht einfach von der Stange, sondern mit Gestaltungsspielraum. Viele Leistungen inklusive. Alles in bester Qualität. Es folgten mehrere persönliche Treffen mit dem Geschäftsführer.

Die Bauleistungsbeschreibung, die er Familie Scheel vorlegte, las sich gut. Ein Anwalt prüfte den Vertrag, die gewünschten Änderungen wurden anstandslos übernommen. Auf Empfehlung trugen sie nur Carsten Scheel in den Hausbauvertrag ein, damit Sarah Scheel im Falle von Rechtsstreitigkeiten als Zeugin auftreten kann. Absehbar schien das damals nicht: „Wir waren richtig begeistert“, sagt Sarah Scheel.

Einzug war für April 2020 geplant

Im April 2019 unterschrieben die Scheels den Hausbauvertrag, den Einzug planten sie für April 2020. Doch schon nach Vertragsabschluss war der  Geschäftsführer laut Familie plötzlich nur noch schwer zu erreichen, immer wieder verzögerte sich der Baubeginn. Erst im Dezember 2019 begannen die Bodenarbeiten. „Anfangs gab es für jedes komische Ereignis noch eine Erklärung“, sagt Sarah Scheel. „Aber als es dann an das Betonieren der Bodenplatte ging, kam unser Sachverständiger auf die Baustelle und fragte: „Was ist hier denn los?““

Der Sachverständige, Sven Klein, bemerkte schon bei der Vorbereitung der Arbeiten zahlreiche Mängel: Probleme mit den Bewehrungsstählen und den Rohren, mit der Trennfuge zu den Nachbarhäusern. Es folgten immer neue Verzögerungen, immer neue Mängel. Als Erklärung für die Verzögerung, sagen die Scheels, hörten sie alles von „die Handwerker sind auf der Autobahn liegengeblieben“ bis zu „die Materialien wurden gestohlen“. Dennoch wurde weitergebaut, wohl „immer in der Hoffnung, dass wir sagen: Jetzt steht schon so viel, jetzt wollen wir nicht mehr zurückbauen“, sagt Carsten Scheel.

Mängel dann beheben, wenn sie auftauchen

„Es ist immer wichtig, Mängel dann zu beheben, wenn sie auftauchen“, sagt Erik Stange vom Bauherren-Schutzbund (BSB). Die Verbraucherschutzorganisation arbeitet mit Beratern und Anwälten, die nach eigenen Angaben jährlich rund 45.000 Beratungen durchführen. „Wenn Mängel überbaut werden, ist es im Nachhinein schwer, sie zu korrigieren. Das kann sehr teuer werden.“ Er empfiehlt daher, immer einen Sachverständigen hinzuzuziehen, der die Baustelle regelmäßig besucht und ein Mängelprotokoll erstellt. Unter keinen Umständen dürfe man mit der Kontrolle auf die Abnahme der Immobilie warten.

Bauen ohne Mängel sei heute nicht möglich, sagt Stange. Dafür seien die Vorgänge zu kompliziert, zu komplex. Auch Sven Klein, der Sachverständige der Scheels, offiziell öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Schäden an Gebäuden, betont das. „Entscheidend ist aber, dass die Baufirma Bereitschaft zeigt, Mängel zu beheben.“

Bei den Scheels setzen sich die Probleme auch nach Aufhebung des Baustopps fort. Immer wieder wechseln die Ansprechpartner auf der Baustelle, scheinen zu kündigen: der Bauleiter, Roh- und Trockenbauer, Dachdecker und Elektriker. Die Fenster werden eingebaut und abgedichtet, aber es läuft Wasser ins Haus. Mehrfach werden die Abdichtungsbänder ausgetauscht, ohne Erfolg. Auch das Dach ist nicht dicht, es regnet rein, längst haben sich Rostspuren gebildet. Die Schreiben des Gutachters, die diese und weitere Mängel dokumentieren, liegen dem Kölner Stadt-Anzeiger vor. „Die Wände waren pitschenass, da wollten sie plötzlich mit dem Innenputz anfangen“, sagt Carsten Scheel.

Wert des Gebäudes deutlich niedriger

Im November 2020, eineinhalb Jahre nach der Unterschrift des Hausbauvertrags, entschließen die Scheels sich, einen Anwalt einzuschalten. Er empfiehlt, noch ein bisschen mit der Firma weiterzubauen,  um den finanziellen Schaden zu reduzieren. Aber die Scheels haben genug. Sie kündigen, auch wenn der Wert des Gebäudes zu diesem Zeitpunkt laut Gutachten weniger als die Hälfte dessen betragen soll, was sie bereits bezahlt haben.

Die Baufirma, die nicht namentlich genannt wird, weist die Vorwürfe zurück. Es sei „nicht korrekt, dass beim Bau dieses Reihenendhauses große Mängel aufgetreten sind“. Es habe keine Probleme mit der Haustrennfuge gegeben, der Baustopp auf einer „unzutreffenden, übereifrigen Behauptung“ des Sachverständigen beruht. Außerdem weise man den Vorwurf der schlechten Erreichbarkeit zurück. Mit Blick auf die Erklärungsversuche heißt es, dass „ein Handwerker eine Panne hat, sehen wir als völlig normal an“. Darüber hinaus bitte man zu berücksichtigen, dass bei dem „Bauvorhaben noch erhebliche Gelder ausstehen“. 

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Scheels verweisen darauf, dass Gelder in Absprache mit ihrem Anwalt einbehalten wurden – da aus dem Wertgutachten bereits eine Überbezahlung der Baufirma im fünfstelligen Bereich hervorginge. Außerdem müssten etliche Mängel noch beseitigt werden. Sie haben noch nicht entschieden, ob sie vor Gericht ziehen werden. Auch, wenn sie dort Recht bekommen sollten, sehen sie die Gefahr, nie Geld zurückzuerhalten – zum Beispiel, wenn die Firma zahlungsunfähig würde. Auch Erik Stange vom BSB sagt, Baurechtsstreitigkeiten zählten zu den „längsten, aufwendigsten und teuersten, die es gibt“. „Oft ziehen sie sich über Jahre hinweg und sind mit hohen Kosten verbunden. Das kann nur der allerletzte Schritt sein.“ Er appelliert an Bauherren, auf Fehler hinzuweisen, sobald sie entstehen, und sich nicht vertrösten zu lassen. Vor der Abnahme des Gebäudes sei es die Aufgabe des Bauunternehmers, Mängel zu beseitigen. „Anschließend wird das komplizierter, weil sich die Beweislast umkehrt.“

Statik neu berechnet

Sarah und Carsten Scheel hatten angesichts der gravierenden Probleme lange vor der Abnahme gekündigt. Sie haben sich mit Nachbarn zusammengeschlossen, die den gleichen Schritt gegangen sind, einen neuen Bauleiter gefunden, neue Angebote und Handwerker ins Boot geholt.

Unter dem Strich hat die Familie wohl sehr viel Geld verloren. Die Vertragsstrafe, die im Hausbauvertrag für Verzögerungen vorgesehen war, ist nie geflossen. Nach der Kündigung haben sie bereits die Statik des Hauses neu berechnen lassen, einen Energieberater hinzugezogen. Weil es zu Problemen mit Entlüftung und Entwässerung kam, wird das Bad umgeplant und die Flurdecke gesenkt. Um das alles zu bezahlen, musste nachfinanziert werden. Und doch sagt Sarah Scheel: „Es macht so Spaß momentan.“ Denn mittlerweile läuft es auf der Baustelle. Den Einzug plant die Familie für August.

6 Tipps vom Experten

1. Das Bauunternehmen… sollte den Interessenten in der Planungsphase genug Zeit und Raum für ihre Wünsche geben. Druck und das Drängen zur Unterschrift sind ein schlechtes Zeichen.  Das Vertrauensverhältnis beider Parteien ist zentral. Eine Garantie – so zeigt es das Beispiel der Familie Scheel – ist aber auch das nicht.

2. Der Bauvertrag… sollte von einem Anwalt geprüft werden. Zentral ist unter anderem der Zahlungsplan. Er muss zwingend so ausgestaltet sein, dass nach Baufortschritt bezahlt wird. Die Summe der Abschlagszahlung bis zur Abnahme darf nur 90 Prozent der vereinbarten Gesamtsumme betragen.

3. Der Sachverständige… sollte möglichst schon vor der Unterschrift hinzugezogen werden, um die Bauleistungsbeschreibung zu prüfen. Anschließend begleitet er den Bau, besucht regelmäßig die Baustelle und erstellt Mängelprotokolle.

4. Mängel… kommen vor. Sie müssen aber sofort behoben werden. Sind Mängel erst einmal überbaut, ist ihre Beseitigung mit viel Aufwand, hohen Kosten und möglicherweise gravierenden Folgeschäden verbunden.

5. Die Abnahme… darf nicht überhastet werden. Vor der Abnahme der Immobilie muss der Bauunternehmer Mängel beheben, danach gilt die Beweislastumkehr. Also: Genügend Zeit und den Sachverständigen mitbringen.

6. Die Gewährleistungszeit… nicht vergessen! Sie beträgt fünf Jahre und sollte genutzt werden: Zum Beispiel, in dem man mit einem Sachverständigen nach vier Jahren noch einmal durchs Haus geht und prüft, ob Mängel vorliegen. 

KStA abonnieren