Eurowings-Geschäftsführer im Interview„Handgepäck ist ein Treiber von Verspätungen“

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Eurowings hat ein Maßnahmenpaket für mehr Pünktlichkeit aufgesetzt.

Eurowings hat ein Maßnahmenpaket für mehr Pünktlichkeit aufgesetzt.

  • Eurowings hat 50 Millionen Euro investiert, um pünktlicher zu werden
  • Aber nicht immer kann die Fluggesellschaft Einfluss auf Verspätungen nehmen, sagt Eurowings-Geschäftsführer Michael Knitter
  • Mit diesen konkreten Maßnahmen bereitet sie sich auf die Reisezeit vor

Herr Knitter, der Sommer 2018 war für Eurowings, was die Zahl der Verspätungen angeht, alles andere als optimal. Welche Lehren haben Sie daraus gezogen? Michael Knitter: Der letztjährige Sommer war für viele Airlines eine enorme Herausforderung. Wir haben sofort gehandelt und bereits zum Herbst ein umfassendes Maßnahmenpaket für mehr Pünktlichkeit und Stabilität im Flugbetrieb aufgesetzt. Dabei investieren wir im Pünktlichkeitsprojekt SCOPE insgesamt rund 50 Millionen Euro – auch um verbleibende Defizite der Systempartner bestmöglich zu kompensieren. Und wir sehen, dass unsere Maßnahmen schnell und nachhaltig greifen: Seit fünf Monaten gehören wir zu den Top-3 der pünktlichsten Airlines in Europa.

Was genau beinhaltet SCOPE genau?

Wir haben im Rahmen von SCOPE in den vergangenen Monaten alle operativen Prozesse am Boden und in der Luft akribisch unter die Lupe genommen. Der Fokus lag dabei auf gezielten Verbesserungen im Flugbetrieb.

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Ein paar ganz konkrete Beispiele: Wir haben die Anzahl der Reserveflugzeuge deutlich erhöht und die Bodenzeiten unserer Flugzeuge verlängert, um mehr Zeitpuffer in die Flugpläne zu bringen und Verspätungen besser auffangen zu können. Mit sogenannten „Wellenbrechern“ können wir darüber hinaus Flugzeuge zwischen den Abflugwellen flexibler planen und für unsere Kunden den Flugplan festigen.

Wie funktionieren die Wellenbrecher?

Innerhalb des Flugplans führen wir mittags gebündelte längere Bodenzeiten für einzelne Flugzeuge ein – anstelle von kleinen Puffern und Bodenzeiten nach jedem Flug. Damit minimieren wir Folgeverspätungen im Laufe des Tages und vermeiden Streichungen.

Die Faustregel ist: Pro sieben Flugzeuge in der Flotte wird mittags ein Wellenbrecher von 90 bis 180 Minuten geplant. Zusätzlich wurden die veröffentlichten Flugzeiten – die sogenannten Blockzeiten – verlängert und die Bodenzeiten angepasst.

„Wir haben gezielt Wartungsarbeiten vorgezogen“

Zur Person

Geschäftsführer Michael Knitter wurde am 6. Februar 1966 in Bensberg geboren. Knitter, selbst Verkehrsflugzeugführer, ist seit 1987 bei der Lufthansa. Nach seiner Ausbildung an der Verkehrsfliegerschule der Lufthansa in Bremen flog er zunächst Boeing 727 und Airbus A320 sowie A340. 1998 wurde Michael Knitter Kapitän ,  zunächst auf dem Airbus A 320, seit 2011 auf dem vierstrahligen A340, das er heute noch aktiv fliegt.  Er ist seit August 2015 Mitglied der Geschäftsführung der Eurowings GmbH. Eurowings ist eine deutsche Billigfluggesellschaft und Marktführer in Köln. Sie ist eine Tochtergesellschaft der Deutschen Lufthansa und bündelt seit 2015 das Flugangebot abseits deren Drehkreuze Frankfurt und München. Der komplette Zusammenschluss mit Brussels Airlines ist bis Ende 2020 geplant.

Was tun Sie, um die Einsatzbereitschaft Ihrer Flotte zu sichern?

Auch da haben wir uns neu aufgestellt – und zwar mit einer klugen, weil vorausschauenden Instandhaltung. So haben wir gezielt Routine-Wartungsaktivitäten in den Winter vorgezogen, um Liegezeiten im Sommer zu vermeiden.

Dabei wurden an über 100 Flugzeugen zusätzliche Routine-Checks durchgeführt, was in den Sommermonaten die Einsatzbereitschaft unserer Flotte erhöhen wird. Gleichzeitig haben wir die Bevorratung von Ersatzteilen an allen Stationen weiter optimiert, um bei Bedarf schnell auf die passenden Ersatzteile zugreifen zu können.

Was hat das Handgepäck mit den Verspätungen zu tun?

Eine ganze Menge: Wir haben den Handgepäcksprozess als einen der wesentlichen Treiber von Verspätungen identifiziert. Die Situation kennt jeder Reisende: Sehr viele Gäste nehmen ihre Trolleys mit ins Flugzeug und sorgen für einen Rückstau an Bord, wenn sie diese Gepäckstücke erstmal verstauen wollen. Hinzu kommt: Bei einem Airbus A320 mit 180 Sitzplätzen ist nur Raum für 60 Trolleys.

Deshalb schicken wir bei gut gebuchten Flügen unseren Gästen seit einigen Wochen vorab eine SMS und informieren über die Möglichkeit, Handgepäck am Check-in kostenlos abzugeben. Der Service kommt bei unseren Kunden gut an und wird stark genutzt, so dass bei uns inzwischen weniger durch Boarding verursachte Verspätungen gibt. So beschleunigen wir den „Turnaround„ des Flugzeugs und heben im Sinne unserer Gäste pünktlicher ab.

Wie ist ihre Prognose für den Sommer?

Das klare Learning aus dem letzten Sommer war: Wir müssen Stabilität und Produktivität in eine neue Balance bringen. Es ist bereits absehbar, dass Europas Flugsicherungen auch 2019 nicht in der Lage sein werden, den wachsenden Verkehr flüssig zu kontrollieren. Deshalb haben wir unsere Hausaufgaben gemacht und die Prozesse angepasst und entzerrt. Diese Anpassungen des Flugplans helfen, Verspätungen, für die wir nicht verantwortlich sind, zu reduzieren, denn die meisten Ursachen für Verspätungen liegen jenseits des Gestaltungsspielraums von Eurowings.

Wir als Airline können nur bei etwa einem Drittel der Themen selbst direkten Einfluss nehmen. Umso wichtiger ist es, dass alle anderen Beteiligten wie Flugsicherung, Behörden sowie Flughäfen ihren unverzichtbaren Beitrag zur operativen Stabilität des Luftverkehrs in Deutschland und Europa leisten.

„Wir investieren 50 Millionen Euro"

Wird es in den Osterferien Verspätungen geben?

Wie haben uns gut auf die bevorstehende Reisesaison vorbereitet und unsere Hausaufgaben gemacht. Mit Beginn der Osterferien werden die beschriebenen Maßnahmen einem ersten wirklichen Belastungstest unterzogen.

Wir sind zuversichtlich, dass insbesondere unsere planerischen Reserven dafür sorgen werden, dass infrastrukturelle Engpässe keine Auswirkungen auf unsere Gäste haben werden. Konkret haben wir an allen Stationen mit erwartet hohem Reiseaufkommen zusätzliche Flugzeuge und Crews als Reserve und on top das Stationspersonal aufgestockt.

Außerdem haben wir in Köln ein neues Bodenprodukt mit verbesserten Boardingprozessen eingeführt, das für mehr Pünktlichkeit sorgen und in den nächsten Wochen an allen Eurowings Stationen ausgerollt wird.

Insgesamt investieren wir 50 Millionen Euro – auch um verbleibende Defizite der Systempartner bestmöglich zu kompensieren. Aber natürlich wissen wir, dass auch in diesem Jahr flugsicherungsbedingte Engpässe am Himmel eine große Herausforderung sein werden.

„Wenn die erste Welle gut läuft, läuft der ganze Tag gut“

Wie gehen sie mit Landungen am späten Abend um?

Das Thema nehmen wir sehr ernst und handeln: In Düsseldorf beispielsweise planen wir die letzten Landungen erheblich früher – andersherum arbeiten wir verstärkt daran, dass unsere Flugzeuge morgens auch pünktlich rausgehen. Denn nur wenn die erste Welle gut läuft, läuft der ganze Tag gut und wir sind abends mit unseren Flugzeugen zeitig wieder daheim.

Erst haben Sie die Langstrecke von Köln nach Düsseldorf verlegt, jetzt ist sie schon wieder weg. Warum dieser Hickhack?

Köln/Bonn hat gemeinsam mit uns die Langstrecke abheben lassen – das war echte Pionierarbeit und etwas, auf das wir alle stolz sind. Inzwischen hat sich Düsseldorf durch unser immenses Wachstum in 2018 zu unserem größten Standort entwickelt, auch für Interkont-Flüge. Wir werden aber nicht die komplette Langstrecke verlegen.

Es bleiben vier Flugzeuge in Düsseldorf stationiert, mit denen wir weiterhin attraktive Ziele in Nord- und Mittelamerika anfliegen. In NRW mit mehr als 18 Millionen Menschen im direkten Einzugsgebiet des Airport ist und bleibt DUS ein attraktiver Markt – das gibt es sonst fast nirgends in Europa.

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Was halten sie von der Idee, die Flughäfen Köln und Düsseldorf zusammenzuschließen, Sie sind an beiden Airports Marktführer?

Das ginge nur, wenn beide Flughäfen wie ein Airport verbunden wären, zum Beispiel mit einem Hochgeschwindigkeitszug, der die Sicherheitsbereiche beider Flughäfen direkt verbindet – dann gäbe

es für Kunden keine erneuten zeitaufwändigen Sicherheitskontrollen. Alles andere würde für unsere Passagiere erhebliche Nachteile bedeuten und nicht akzeptiert werden.

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