Experte über BauzinsenWer sich noch eine Immobilie leisten kann und welche Fehler Interessenten machen

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Das Neubaugebiet Römerhofallee in Köln aus der Luft. (Archivbild)

Das Neubaugebiet Römerhofallee in Köln. (Archivbild)

Die Bauzinsen sind explodiert, der Traum vom Eigenheim für viele Menschen unerreichbar. Ein Baufinanzexperte erklärt, wer sich jetzt noch eine Immobilie leisten kann und welche Fehler Interessenten machen. 

Herr Meier, die Bauzinsen sind im Jahresverlauf von unter einem auf mehr als vier Prozent gestiegen. Zuletzt sind sie wieder leicht gesunken. Worauf müssen sich die Menschen in den nächsten Monaten einstellen?

Bernd Meier: Bis Jahresende wird nicht mehr viel passieren. Im Moment sehen wir einen leichten Trend nach unten. Die Zinsen liegen bei etwa 3,5 Prozent bei einer 80-Prozent-Beleihung für zehn Jahre. Viele Banken haben reagiert und akzeptieren wieder die Mindesttilgung von einem Prozent.

Welche finanzielle Belastung bedeutet das für Menschen, die sich gerade für den Kauf einer Immobilie interessieren?

Rechnen wir einmal ein Beispiel durch, der Einfachheit halber mit einer Annuität von fünf Prozent und einem Darlehen über 500.000 Euro. Das wären 25.000 Euro im Jahr und mehr als 2000 Euro im Monat. Dazu kommen die Lebenshaltungskosten, die ein Haushalt aufbringen können muss, und die die Banken wegen der gestiegenen Inflation mittlerweile deutlich höher ansetzen: Für eine vierköpfige Familie sind wir da schnell bei 2500 Euro. Und dann kommen noch die sogenannten Bewirtschaftungskosten hinzu. Wenn wir von fünf Euro pro Quadratmeter ausgehen, kommen wir bei einem Haus mit einer Wohnfläche von 130 Quadratmetern zum Beispiel auf 650 Euro. Na und da können Sie jetzt ja mal einen Strich runterziehen. Da sind wir bei mehr als 5000 Euro netto im Monat, die eine Familie im Monat stemmen können muss.

Wer vorher eine Doppelhaushälfte gesucht hat, denkt jetzt vielleicht über ein Reihenhaus nach
Bernd Meier

Wer kann sich das im Moment überhaupt noch leisten?

Die Grundvoraussetzung ist erst einmal ein höherer Eigenkapitaleinsatz. Aktuell sind 20 Prozent Eigenkapital plus Kaufnebenkosten nötig, um die Finanzierung überhaupt gestalten zu können. Das hätte ich Anfang des Jahres noch nicht gesagt. Außerdem sehen wir gerade eine Verschiebung der Käuferschicht. Wer vorher eine Doppelhaushälfte gesucht hat, denkt jetzt vielleicht darüber nach, auf ein Reihenhaus zu wechseln, das macht in Summe schnell 150.000 Euro Ersparnis aus. Auch bei Wohnfläche und Ausstattung kann man Abstriche machen, da werden die Anbieter flexibler.

Aber ein Großteil der Leute wird da trotzdem durchs Raster fallen. Wenn Sie mich fragen, wer sich das überhaupt noch leisten kann, muss ich Ihnen sagen: Unter den derzeitigen Bedingungen werden de facto 80 Prozent der Menschen in Deutschland vom Kauf ausgeschlossen. Für die ist eine Immobilie im Moment nicht mehr bezahlbar. Das Finanzierungsvolumen am Markt – und auch bei uns – ist in den vergangenen Monaten um 50 Prozent eingebrochen.

Wie lange werden die derzeitigen erschwerten Bedingungen anhalten?

Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die hier eine Rolle spielen: Zum einen natürlich die Inflation. Die wird im kommenden Jahr sinken – ganz einfach, weil wir auf Basis der diesjährigen Zahlen nicht noch einmal diese Preissteigerungen sehen werden. Andere Faktoren sind die Energiekosten und die Frage, was Putin als nächstes anstellt.

Es gibt im Markt keine verlässliche Perspektive, wo es mittelfristig hingeht. Das ist ein Problem. Ich glaube aber nicht, dass wir jetzt noch einmal einen eklatanten Anstieg der Zinsen sehen werden. Und wir hoffen auch alle, dass im zweiten Quartal 2023 – so im Mai, Juni – der Markt wieder anziehen wird.

Das einzig Positive an der derzeitigen Situation ist, dass es wieder ein flexibleres Angebot gibt. Bei den Bestandsimmobilien sind die Preise teilweise schon um etwa zehn Prozent gesunken.

Den Menschen muss klar sein, dass sie für den Wert Wohnen wieder mehr Geld aufwenden müssen
Bernd Meier

Wäre es rein theoretisch denkbar, dass die Preise so stark sinken, dass sie die gestiegenen Finanzierungskosten wieder ausgeglichen?

Nein. Grundsätzlich muss den Menschen klar sein, dass sie für den Wert Wohnen wieder mehr Geld aufwenden müssen. Eigentum ist ja im übertragenen Sinne auch eine gute Altersversorgung und es dient dem Vermögensaufbau. Aber das muss jeder für sich entscheiden. Denn andere Ausgaben müssten dann vielleicht zurückgefahren werden. Das gilt aber auch für diejenigen, die kein Eigentum erwerben, denn die Mietpreise werden in der derzeitigen Situation stark steigen. In den vergangenen Jahren hieß es, dass die Menschen weniger als 30 Prozent ihres Netto-Haushaltseinkommens fürs Wohnen ausgeben sollen, und dieser Anteil wird sich sicherlich ganz grundsätzlich erhöhen.

Mal abgesehen von den derzeit erschwerten Bedingungen: Gibt es typische Fehler, die Menschen machen, die zu Ihnen kommen, um einen Immobilienkredit aufzunehmen?

Der Klassiker wäre, einen Ratenkredit aufzunehmen, bevor man die Hausfinanzierung angeht. Das sollte man sich vorher gut überlegen. Denn es sind oft diese 200, 300 Euro, die über das Funktionieren und Nichtfunktionieren einer Finanzierung entscheiden. Außerdem ist es gut, vorausschauend darüber nachzudenken, wann man den größeren Wohnraum benötigt. Gerade in der aktuellen Situation ist es hilfreich, dass bei Doppelverdiener-Paaren auch beide voll im Verdienst stehen.

Sie spielen auf die Familienplanung an...

Lassen Sie sich im Vorfeld einer geplanten Veränderung Ihrer Lebenssituation und einem angedachten Immobilienkauf umfassend beraten. Was kann ich mir leisten, wenn diese oder jene Situation entsteht. Die Themen sind immer die Gleichen: Elternzeit, Ruhestand, Verringerung der Arbeitszeit, Arbeitsplatzwechsel mit neuer Probezeit, etc.

Kann ich mir dann ein Haus leisten oder wird es doch eine kleinere (oder größere) Wohnung als ich mir gerade vorstelle? Das kann man natürlich nicht immer auf den Tag planen, aber eine gute und solide Einkommenssituation ist eine wichtige Voraussetzung. Genauso wie es wichtig ist, im Vorfeld abzuklopfen, wie viel Eigenkapital man aufbringen kann. Die Banken sind angesichts der stagnierenden und fallenden Preise tatsächlich sehr viel restriktiver geworden.

Lassen Sie uns zum Abschluss noch einmal den Bogen zu den Zinsen schlagen: Was glauben Sie, (wann) werden wir wieder diese ein-Prozent-Zinsen aus den vergangenen Jahren erleben?

Da fragen Sie mich natürlich nach der Glaskugel. Aber tatsächlich glaube ich nicht, dass wir dieses Niveau in der nächsten Zeit wieder erleben werden. Ich würde mich schon freuen, wenn wir da wieder an die zwei Prozent herankommen. Das wäre ein gesundes Niveau.

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