FiskusVernichten statt verschenken

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Blick in eine Amazon-Lagerhalle. Der Versandhändler vernichtet viele Retouren, spendet aber auch an gemeinnützige Organisationen.

Blick in eine Amazon-Lagerhalle. Der Versandhändler vernichtet viele Retouren, spendet aber auch an gemeinnützige Organisationen.

  • Wegen der Umsatzsteuer verzichten Unternehmen darauf, Waren zu spenden

Köln –  In großen Mengen werden in Deutschland voll funktionsfähige Artikel vernichtet. Betroffen sind etwa Spielzeug, Lebensmittel, Drogerieartikel, Bürobedarf und Kleidung. Zu den Vernichtern zurückgegebener oder aus anderen Gründen (wie Überproduktion oder Sortimentswechsel) unverkäuflicher Waren gehört nach Berichten des ZDF-Magazins „Frontal 21“ und der „Wirtschaftswoche“ der Online-Handelsriese Amazon. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete darüber am Wochenende. Der Wettbewerber Zalando teilte am Montag mit, er vernichte Retouren nur ausnahmsweise (etwa aus gesundheitlichen Gründen). Meist könnten sie wieder verkauft werden, Restbestände würden aber auch gespendet.

Warum werden gebrauchsfähige Artikel überhaupt vernichtet ?

Offenbar sind es in erster Linie steuerliche Gründe, die Händler und Hersteller dazu bewegen, überschüssige Waren zu vernichten, berichtet jetzt die „Wirtschaftswoche“. Die Weitergabe an gemeinnützige Zwecke werde durch das Steuerrecht erschwert, teilten der Discounter Aldi und Galeria Kaufhof mit.

Wie ist das zu erklären?

Die Finanzbehörden bewerten Sachspenden wie einen Umsatz, auf den der Spender Umsatzsteuer zahlen muss. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen wurde die Ware vom Händler auch mit einem Vorsteuerabzug eingekauft. Zum anderen will das Steuerrecht verhindern, dass Spenden den Wettbewerb verzerren, indem Produkte palettenweise unversteuert weitergereicht werden, was die Geschäfte der Konkurrenz beeinträchtigen könnte. Werden die Produkte vernichtet statt verschenkt, gelten sie nach dem Steuerrecht als wertlos und es fällt dementsprechend auch keine Umsatzsteuer an.

Aber es gibt doch Händler und Hersteller, die bestimmte Produkte verschenken? Ausnahmen von der grundsätzlichen Regel zur Besteuerung gibt es inzwischen zum Beispiel für Lebensmittel kurz vor Ablauf der Mindesthaltbarkeit. Die Behörden haben festgelegt, dass solche Lebensmittel keinen Wert mehr haben – und deshalb entfällt für sie auch die Umsatzsteuer. Auch Artikel im Non-food-Bereich können „verkehrsunfähig“ sein. Das kann zum Beispiel durch Verpackungsfehler oder falsche Etiketten passieren. Wenn der Marktpreis dadurch nahe Null liegt, hat sich das Steuerthema erledigt.

Wer entscheidet, was noch einen Wert hat?

Das ist das Problem. Unternehmen und Behörden können unterschiedlicher Auffassung über den Wert einer Ware sein. Firmen, die ihre Produkte verschenken, riskieren daher, dass bei einer späteren Betriebsprüfung Nachforderungen gegen sie erhoben werden. Die Folge aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist logisch: Ist die Entsorgung billiger als der Steueraufwand, werden die Produkte von vielen Händlern und Herstellern lieber vernichtet als verschenkt.

Haben diese Unternehmen nicht ein schlechtes Gewissen? Schwer zu sagen. Es gibt aber Unternehmen, die spenden und den steuerlichen Nachteil hinnehmen, berichtet Juliane Kronen, Gründerin und Geschäftsführerin der gemeinnützigen Sachspendenvermittlung Innatura in Köln. Innatura wirbt fabrikneue Sachspenden ein und vermittelt sie gegen eine geringe Gebühr zur Deckung ihrer Kosten an gemeinnützige Organisationen. Zu den Spendern gehören Unternehmen wie die Printenfabrik Lambertz, Procter & Gamble, Beiersdorf und die Drogeriekette dm. „Und ohne einen Großspender wie Amazon könnten wir gar nicht unsere breite Palette von 1500 verschiedenen Artikeln anbieten“, sagt Kronen. Nutzen können den Innatura-Service gemeinnützige Organisationen, die über eine Freistellungsbescheinigung des Finanzamtes verfügen und sich bei dem Kölner Sachspendenvermittler registrieren lassen.

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