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FreihandelEU und Japan nähern sich an

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Ministerpräsident Shinzo Abe hat sich über heftigen Widerstand der japanischen Bauern hinweggesetzt. Sie befürchten einen Preisverfall, wenn Agrar-Importe aus der EU künftig billiger werden.

Ministerpräsident Shinzo Abe hat sich über heftigen Widerstand der japanischen Bauern hinweggesetzt. Sie befürchten einen Preisverfall, wenn Agrar-Importe aus der EU künftig billiger werden.

Tokio –  Japan und die Europäische Union haben Verhandlungen über gemeinsamen Freihandel abgeschlossen. "Es entsteht damit eine gigantische einheitliche Wirtschaftszone", sagte Japans Premier Shinzo Abe am Samstag in Tokio. "Wir bauen einen Handelsraum, der von freien und fairen Regeln geprägt ist." Im Rahmen des Japan-EU Free Trade Agreement (Jefta) sollen ab 2019 die Zölle für fast alle Warengruppen abschmelzen. Der zügige Abschluss des Vertrags gilt als Reaktion auf den weltweit grassierenden Protektionismus.

Für die EU handelt es sich um den bisher größten und wichtigsten Freihandelsvertrag - und er kommt aus Sicht von Brüssel zur richtigen Zeit. "Das Abkommen sendet ein klares Signal, dass die EU und Japan sich gegen die Versuchungen des Protektionismus stellen", erklärte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Japan und die EU zusammen machen ein knappes Drittel der weltweiten Wirtschaftsleistung aus. Die Mitgliedsstaaten müssen den fertig ausgehandelten Vertrag noch bestätigen.

Der Abschluss kam am Wochenende nach nur einem halben Jahr intensiver Verhandlungen zustande. Zuvor hatten sich entsprechende Gespräche für vier Jahre dahingeschleppt. Die Beschleunigung geht auf den Wahlsieg von Donald Trump und den Ausstieg Großbritanniens aus der EU zurück. Dazu kommen weitere Rückschläge gegen den freien Handel wie das vorläufige Scheitern des transatlantischen Abkommens TTIP. "Die Politik der neuen US-Regierung hat zweifellos die Motivation erhöht, zügig auf einen Abschluss hinzuarbeiten", sagt Martin Schulz - nicht der SPD-Schulz, sondern der gleichnamige Ökonom am Fujitsu-Forschungsinstitut in Tokio.

Shinzo Abe war ebenfalls erpicht, den Exporteuren seines Landes neue Türen zu öffnen. Denn Trump hat einen mühsam ausgehandelten Handelsvertrag mit Japan gleich zu Amtsantritt vom Tisch gefegt. Tokio besann sich auf das Werben der Europäer - und räumte eine Reihe von Hindernissen aus dem Weg. In Japan gab es beispielsweise heftigen Widerstand der Bauern. Sie befürchten, dass preiswerte Waren aus Europa nun den eigenen Markt fluten. Japan importiert sechs Zehntel seiner Lebensmittel. Europäische Produkte wie Käse, Wein oder Nudeln sind sehr beliebt, bisher jedoch wegen der Schutzzölle auch ziemlich teuer. Doch aus Sicht der Regierung in Tokio überwiegen die Vorteile. Vor allem Firmen wie Toyota, Panasonic, Canon oder Sony rechnen mit einem Exportplus. Bisher belastet die EU Fahrzeuge und Autoteile mit einem Zoll von zehn Prozent des Wertes. Auf der europäischen Seite könnten beispielsweise Arzneimittelanbieter wie Sanofi, Bayer oder Boehringer Ingelheim profitieren. Aus Sicht von Ökonom Schulz ergänzen sich die Volkswirtschaften Japans und der EU unter dem Strich vergleichsweise gut.

In Buenos Aires hat unterdessen eine viertägige Konferenz der Welthandelsorganisation WTO begonnen. Dabei handelt sich in gewissem Sinne um das Gegenprogramm zu Verträgen wie Jefta. Ursprünglich sollte der Welthandel von den Regeln der WTO bestimmt sein - bilaterale Abkommen wären dann überflüssig. Da der WTO-Prozess jedoch immer wieder an nationalen Interessen scheitert, bleibt Wirtschaftsblöcken wie der EU wenig anderes übrig, als weiterhin Einzelverträge auszuhandeln. Entsprechend skeptisch ist WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo: "Die Bedrohung durch protektionistische Maßnahmen besteht weiter."

Zypries warnt vor Protektionismus

Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries warnt vor möglichen negativen Folgen der geplanten US-Steuerreform für deutsche Firmen. Die SPD-Politikerin sagte, zwar sei das parlamentarische Verfahren in den USA noch nicht abgeschlossen. "Aber einige Aspekte des Entwurfes muten wie ein Einstieg in den Protektionismus an und könnten problematische Auswirkungen auf unsere grenzüberschreitend tätigen Unternehmen haben."

Zypries kritisierte außerdem, ein "Unterbietungswettbewerb" bei Steuern sei wenig sinnvoll - das gelte in Europa, aber auch im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten. Sie fügte hinzu: "Ich glaube nicht, dass die USA sich einen Gefallen damit tun, die Steuern so herunterzusetzen, dass sich ihre Staatsverschuldung auf das höchste Niveau seit dem Zweiten Weltkrieg entwickelt."

Zur US-Steuerreform liegen zwei republikanische Entwürfe vor, einer wurde vom Abgeordnetenhaus verabschiedet, der andere vom Senat. Sie müssen jetzt zu einer Vorlage verschmolzen werden, die dann beiden Kammern noch einmal zur Abstimmung vorgelegt wird. Im Hauptpunkt, einer Senkung der Unternehmenssteuern von 35 auf 20 Prozent, stimmen die Entwürfe überein. (dpa)

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