Freiwilliger RückzugFlughafen Köln/Bonn braucht einen neuen Chef

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Michael Garvens, derzeit beurlaubter Geschäftsführer des Flughafens

Michael Garvens, derzeit beurlaubter Geschäftsführer des Flughafens

Köln – Die 15 Aufsichtsratsmitglieder des Flughafens Köln/Bonn haben sich am Freitag den gesamten Tag über mit den Vorwürfen der Prüfer der Kanzlei Heuking und Partner sowie der Beratungsgesellschaft EY gegen Flughafen-Chef Michael Garvens und dessen Verteidigung auseinandergesetzt.

Nach zehn Stunden heftigen Streits verkündete Michael Garvens schließlich überraschend seinen freiwilligen Rückzug vom Chefposten. Bis zu diesem Zeitpunkt gelang es den Aufsichtsratsmitgliedern nicht, sich über die Zukunft des Airport-Chefs zu einigen. Zu groß waren die Gräben zwischen CDU und SPD.

Die Streitpunkte im Überblick:

Freistellungen

Vorwurf: Michael Garvens soll als Geschäftsführer 49 Mitarbeiter freigestellt haben. 28 Fälle beziehen sich auf eine Dauer von sechs bis zwölf Monaten, 18 auf einen Zeitraum zwischen einem Jahr und fünf Jahren. Zwei Mitarbeiter wurden für eine Dauer zwischen fünf und zehn Jahren freigestellt, ein weiterer für mehr als zehn Jahre. Als Indiz für die Freistellungskultur des Flughafens bewerteten die Gutachter einen weiteren Fall, bei dem ein Mitarbeiter nach lediglich vierjähriger Zugehörigkeit zum Unternehmen eine dreijährige Freistellungszeit gefordert haben soll. Der Flughafen zahlte für die Freistellungen bislang insgesamt 6,45 Millionen Euro.

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Drei Fälle stechen aufgrund der langen Zeitdauer besonders heraus. So wurde der ehemalige Leiter der Werksfeuerwehr ab 2010 bei vollem Gehalt freigestellt. Er erhielt weiterhin Zuschläge des Führungsdienstes, wie etwa für die Rufbereitschaft am Wochenende, obwohl er nicht mehr arbeitete. Darüber hinaus bezahlte ihm der Flughafen eine Fortbildung zum Brandsachverständigen für 25000 Euro sowie dabei entstehende Reisekosten in Höhe von 11000 Euro. Ein Aufhebungsvertrag sei dem Mann nicht angeboten worden, so die Wirtschaftsprüfer.

Verteidiung: Garvens’ Anwalt Rolf Bietmann erwidert, dass der Feuerwehrchef das Misstrauen seiner Mitarbeiter auf sich gezogen habe, weshalb er abgesetzt werden sollte. Eine Kündigung sei nicht infrage gekommen, weil der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst das verhindere, wenn jemand älter als 40 Jahre und länger als 15 Jahre im Unternehmen beschäftigt sei. Der Aufsichtsrat und der Präsidialausschuss seien über die Freistellung und die Fortbildung informiert gewesen.

Vorwurf: Der zweite Fall betrifft den ehemaligen Leiter der Rechtsabteilung, der zunächst an den Flughafenverband ADV und später an das Bundesverkehrsministerium verliehen wurde. Der Flughafen zahlte während dieser Zeit sein volles Gehalt. Nach seiner Rückkehr 2006 wurde er bis zu seiner Pensionierung 2016 freigestellt. Ein Abfindungsangebot sei ihm nicht unterbreitet worden. Seine Personalakte soll zudem verschwunden gewesen sein.

Verteidung: Bietmann kontert den Vorwurf damit, dass eine Kündigung keine Aussicht auf Erfolg gehabt habe. Eine Aufhebungsvereinbarung soll gescheitert sein, weil der Leiter der Rechtsabteilung als Abfindung einen sechs- bis siebenstelligen Betrag gefordert habe. Die Geschäftsführung sei zur Zahlung aber nicht bereit gewesen, um keinen Präzedenzfall zu schaffen.

Vorwurf: Die Prüfer führen als weiteren Fall den einer Frau an, die im Frachtmarketing arbeitete, wegen Mobbings ausfiel und danach nicht an ihren Arbeitsplatz zurückkehren durfte. Aufgrund ihrer Berufsausbildung, die nicht im Verhältnis zu ihrer tariflichen Einordnung stand, wurde sie im März 2011 freigestellt. Ihr soll weder ein Aufhebungsvertrag noch das Vorruhestandsprogramm angeboten worden sein. Dafür soll sie weiter Tariferhöhungen und Sonderzahlungen erhalten haben, obwohl sie nicht mehr arbeitete. Eine Nebentätigkeit als Imageberaterin sei nicht von ihrem Gehalt abgezogen worden, so die Prüfer.

Verteidigung: Bietmann argumentiert, dass auch in diesem Fall eine Kündigung wegen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst und einem mehr als 15 Jahre dauernden Beschäftigungsverhältnis sowie einer Schwerbehinderung der Frau keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Eine angemessene Tätigkeit sei nicht zu finden gewesen, die Freistellung der einzige Weg geblieben. Der Aufsichtsrat sei informiert gewesen.

Zahlungen ohne Gegenleistungen

Vorwurf: Im Jahr 2015 lagerte der Flughafen die Abfertigung der Luftfracht an das Unternehmen Wisskirchen aus. Allerdings geriet das Unternehmen in wirtschaftliche Schieflage. In Absprache mit dem Aufsichtsrat des Flughafens wurde beschlossen, Wisskirchen dadurch zu stützen, den Kaufpreis für die Fracht-Konzession in Höhe von rund einer Million Euro in Raten über zehn Jahre zu zahlen.

Friedrich Merz, Aufsichtsratsvorsitzender des Flughafens Köln/Bonn

Friedrich Merz, Aufsichtsratsvorsitzender des Flughafens Köln/Bonn

Die Prüfer sehen den Verdacht, dass weitere Zahlungen seitens des Flughafens an Wisskirchen veranlasst worden sein sollen, von denen der Aufsichtsrat nichts wusste. In Rede steht eine Summe in Höhe von mehr als 820 000 Euro. Im Prüfbericht ist von „Subventionen“ zu lesen, um Wisskirchen „auf die Beine zu helfen“. Dabei geht es zum einen um veterinärmedizinische Dienste, die Wisskirchen in Rechnung gestellt haben soll, ohne sie erbracht zu haben. Ein weiterer Vorwurf bezieht sich auf die Prüfung von Frachtdokumenten für das Unternehmen UPS. Ursprünglich zahlte UPS den Flughafen dafür, dass dessen Mitarbeiter das sogenannte Dokumentenhandling erledigten.

Schon 2003 entschied sich UPS, diese Leistung selbst zu erbringen. Das Unternehmen zahlte aber weiter an den Flughafen, weil dieser Mitarbeiter vorhielt, sollte UPS bei Engpässen darauf zurückgreifen wollen. Als das Frachtgeschäft an Wisskirchen ausgelagert wurde, floss das Geld weiter an den Flughafen, der es an Wisskirchen weitergab, obwohl de facto keine Leistungen erbracht wurden. Die Prüfer sprechen von einer möglichen Strafbarkeit wegen Untreue.

Verteidigung: Rolf Bietmann, verweist zum einen darauf, dass es Garvens selbst war, der mögliche Unregelmäßigkeiten im Frachthandling durch die interne Revision und das Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG untersuchen ließ. Des weiteren argumentiert er, dass Wisskirchen sehr wohl Leistungen für die Veterinärstation erbracht hat, nämlich etwa Personenkontrolle, Unterhaltung der Kühllager, Abfallentsorgung sowie Bewachung. In der Frage des Dokumentenhandlings soll der Vorwurf dadurch entkräftet werden, dass der Flughafen verpflichtet gewesen sein soll, das UPS-Geld an Wisskirchen weiterzureichen, weil das Unternehmen bei der Übernahme des Frachtbereichs die Rechtsnachfolge angetreten habe. Damit habe Wisskirchen das Geld von UPS zugestanden.

Flugabrechnungen

Vorwurf: Die Prüfer beanstanden, dass der Fluggesellschaft Nayak besonders günstige Parkgebühren eingeräumt worden seien. Die Prüfer beziffern den Vorteil für 2012 und 2013 auf jeweils 25 000 Euro. Das Unternehmen befand sich in schwieriger wirtschaftlicher Lage und musste schließlich Insolvenz anmelden. Desweiteren wurden Nayak auch Mietstundungen durch den Flughafen gewährt. Auf Anweisung von Garvens wurden gegen die Empfehlung der Rechtsabteilung zudem rund 85 000 Euro Nebenkosten erstattet, obwohl die Firma dem Flughafen noch Mieten in sehr ähnlicher Höhe geschuldet haben soll.

Sehr kritisch bewerten die Prüfer auch Flüge, die Garvens mit einer Nayak-Maschine nach Sylt unternommen haben soll. Es wird hinterfragt, ob er private Flüge korrekt abgerechnet hat. Und auch, ob dem Flughafen Start- und Landegebühren entgangen sind. Auch wurde laut Bericht nur die Flugzeit mit der Maschine berechnet, obwohl Garvens sie zum Teil über Wochen nutzte.

Verteidigung: Die Vergünstigung von Parkgebühren könnten von Prokuristen des Flughafens eigenverantwortlich ausgehandelt werden, so Garvens’ Anwalt Bietmann. Es gebe zudem eine Vielzahl von Sonderkonditionen. Das sei ein Instrument der Wirtschaftsförderung. Über die Mietstundungen für Nayak sei der Ex-Aufsichtsratschef Kurt Bodewig informiert worden. Eine Empfehlung der Rechtsabteilung gegen die Erstattung von 85 000 Euro Nebenkosten habe es nicht gegeben. Zu den Flügen von Garvens führt Bietmann an, dass dies mit dem damaligen Aufsichtsratschef Volker Hauff erörtert worden sei. Neue Regularien seien festgelegt worden, damit die Flüge „beanstandungsfrei“ sein sollten. Das umfasst auch die Start- und Landegebühren. In Bezug auf die lange Überlassung des Flugzeugs führt die Verteidigung ins Feld, dass es „durchgängiger Standard“ sei, dass nur die reinen Flugzeiten berechnet werde.

Brandschutz

Vorwurf: Mit Bezug auf einen Dekra-Prüfbericht listen die Gutachter 236 Brandschutzmängel mit der Kennzeichnung „Gefahr“ im Terminal 1 auf. Die Betriebserlaubnis des Terminals sei erloschen, weil Dekra die Betriebssicherheit der Anlagen nicht bestätigen konnte.

Verteidigung: Der zweite Geschäftsführer Athansios Titonis weist in seiner Stellungnahme gegenüber dem Aufsichtsrat darauf hin, dass für das Terminal 1 überhaupt keine Betriebserlaubnis existiere, weshalb diese auch nicht erlöschen könne. Es bestehe eine Baugenehmigung, die stets eingehalten worden sei.

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