Geldwaschsalon Deutschland?FIU-Chef Schulte jagt Clans, Mafiabanden und Terroristen

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 Christof Schulte, Leiter der Financial Intelligence Unit 

Berlin/Köln – Dass es ein Problem gibt, zeigt sich besonders in der Hauptstadt. Mitglieder eines arabischen Clans sollen neun Millionen Euro aus einer Sparkasse geraubt haben, zudem eine riesige Goldmünze aus dem Bode-Museum. Obwohl diverse Clanmitglieder Hartz IV beziehen, wurden Immobilien in großem Stil gekauft – zum Waschen des Geldes?

Den Clans auf der Spur

Polizisten und Staatsanwälte wühlten sich durch Kontobewegungen und Grundbücher, setzten ein Puzzle zusammen und schlugen im Juli zu. 77 Wohnungen, Häuser und Grundstücke des Clans wurden beschlagnahmt. Das ist wohl nur die berühmte Spitze des Eisbergs. Russische Oligarchen, die auf EU-Sanktionslisten stehen, sollen über Mittelsmänner Filetimmobilien in Berlin an Land gezogen haben. Jemand der Clans, Mafiabanden und Terroristen, die Geld zur Finanzierung von Anschlägen waschen, auf die Spur kommen soll, heißt Christof Schulte.

Anti-Geldwäsche-Einheit

Er sitzt an einem sonnigen Herbsttag in einem kahlen Büro im Bundesfinanzministerium, man sieht aus dem Fenster die Reste der Mauer und die Topographie des Terrors – dort war früher das gefürchtete Hauptquartier der Gestapo. Der Dienstsitz von Schulte ist eigentlich Köln. Aber er ist in Berlin, um Bundestagsabgeordneten über seinen Plan für einen Neustart bei der FIU zu berichten.

Er ist deren Chef. FIU hört sich etwas nach FBI an. Das steht für Financial Intelligence Unit – die Anti-Geldwäsche-Einheit des Bundes, die bis 2017 dem Bundeskriminalamt unterstellt war. Seither gehört sie zum Zoll, oberster Dienstherr ist Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Die FIU galt bisher als ineffektiv, zu langsam und wenig erfolgreich. Viele Verdachtsmeldungen an Landeskriminalämter und Staatsanwaltschaften waren untauglich, weshalb viele Verfahren im Sande verliefen. Aber nun sind tausende Altfälle abgearbeitet und alles wurde auf ein modernes elektronisches Meldesystem umgestellt.

Und so wie der Zoll tausende neue Stellen bekommt, im Kampf gegen Schwarzarbeit und ein Unterlaufen des Mindestlohns, wird auch die FIU aufgestockt. Derzeit gibt es 130 Stammbeschäftigte und 230 Geschäftsaushilfen. Geplant ist ein Aufwuchs auf 475 Beschäftigte.

Banken melden Bewegungen

„Darunter sind unter anderem Bankkaufleute, Steuerexperten, ehemalige Beschäftigte von Versicherungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen, Zollfahnder sowie Polizeibeamte aus Bund und Ländern“, sagt Schulte. Die FIU bekommt vor allem von Banken bisher Meldungen, wenn es verdächtige Geldbewegungen gibt - bis Anfang des Jahres gab es dafür noch ein Faxsystem. Aber auch von Wirtschaftsprüfern, Anwälten oder Spielhallenbesitzern. Jede Meldung – 2017 waren es knapp 60.000 - wird dann überprüft, akribisch recherchiert und wenn sich ein Verdacht erhärtet, an Kriminal- und Strafbehörden weitergeleitet.

Staatliche Kontrollen gibt es kaum

Schultes Problem: Alle wissen zwar, dass über Briefkastenfirmen oder Überweisungen aus dem Ausland verstärkt versucht wird, mit Hilfe von Immobilienkäufen in Deutschland Geld zu waschen. Verdächtig sind gerade Käufe, die in ausländischer Währung beglichen werden, wenn Darlehen zinslos zurückgezahlt werden, oder wenn es zu schnellen Wiederverkäufen kommt. Aber es gibt bisher kaum staatliche Kontrolle und eine hohe Intransparenz bei den Käufen. Zahlen zum Volumen der Geldwäsche kann die Bundesregierung bisher nicht liefern.

„Beim Immobiliensektor handelt es sich aufgrund der dort vorhandenen hohen Transaktionsvolumina um einen Sektor mit herausgehobenem Risiko“, hieß es letztens in einer Antwort auf eine Grünen-Anfrage. Bei 563 Verfahren zur Organisierten Kriminalität gab es 2016 bei 7 Prozent „Geldwäscheaktivitäten mittels Investitionen in Immobilien“.

Steigende Mieten als Folge

Schulte sagt, die FIU habe 2017 lediglich rund 20 Meldungen erhalten von Immobilienmaklern. Auch Notare, die für den Grundbucheintrag verantwortlich sind, melden kaum Verdachtsfälle – beide Berufsgruppen sind im Zwiespalt zwischen Treue zum Mandaten und einem womöglich kriminellen Konstrukt hinter dem Kaufvertrag. Der Präsident der Bundesnotarkammer, Jens Bormann, machte jüngst bei einem Symposium zum Thema „Geldwaschsalon Deutschland“ aber auch auf eine hohe Hürde bei den Meldepflichten aufmerksam. Man solle nur dann etwas melden, „wenn eine positive Kenntnis eines Geldwäschefalls vorliegt.“

Auf dem Podium saß auch Kai Bussmann vom Economy & Crime Research Center Halle, der auf die Folgen für die Allgemeinheit hinwies, wenn praktisch jeder Preis gezahlt wird, Hauptsache das kriminelle Geld verschwindet und wird zu „Betongold“. „Der Schaden zeigt sich in steigenden Immobilienpreisen und steigenden Mieten.“ Und dem Staat entgehen riesige Summen. „Gewaschenes Geld ist nicht versteuert.“

Die Problematik sei gewaltig. Die Vorschläge reichen von Grenzen für Bargeldtransaktionen bis zu einem öffentlichen Immobilienregister, in dem die wahren Eigentümer und Kaufdetails eingetragen werden müssen. Zudem haben viele Bundesländer kaum Personal für das Dunkelfeld Geldwäsche zur Verfügung, die FIU allein kann es kaum richten.

Und vieles endet ergebnislos – die FIU erwartet dieses Jahr zwar über 70.000 Verdachtsmeldungen – ein neuer Rekord. Aber 2017 kam es bei knapp 60.000 Meldungen nur in 474 Fällen zu Urteilen, Strafbefehlen und Anklagen. Die meisten Fälle wurden eingestellt. Schulte sieht im internationalen Austausch große Chancen. In der Egmont-Gruppe seien bereits rund 160 FIU's zusammengeschlossen. „Eine besonders hohe strategische Schlagkraft hat die FIU in den Vereinigten Staaten.“

Helfen soll auch ein besserer Zugang in der EU zu Informationen über Immobilieninvestitionen und Grundbucheinträgen. Die Finanzexpertin der Grünen, Lisa Paus, meint, nur mit mehr Personal sei es nicht getan. „Es kommt darauf an, die richtigen Leute an Bord zu holen: Leute mit kriminalistischen Sachverstand.“ Und es gebe zu unklare Strukturen. „Der Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ist zu wichtig, um an technischen Problemen oder einem Zuständigkeitsgerangel zwischen Bund und Ländern zu scheitern.“ (dpa)

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