Gute Perspektiven, hoher BedarfKölner Jobcenter bildet mit der AWO Pflegehilfen aus

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Die Programm-Teilnehmerinnen Nela Bayakala, Miryam Abdalla, Pervin Beekman und Jeffrey Chwarscianek (v.l.n.r.) stellen Arbeitssituationen nach.

Die Programm-Teilnehmerinnen Nela Bayakala, Miryam Abdalla, Pervin Beekman und Jeffrey Chwarscianek (v.l.n.r.) stellen Arbeitssituationen nach.

  • In Pflegeberufen wird händeringend Personal gesucht – und der Bedarf steigt weiter stark.
  • Das Kölner Jobcenter bildet nun gemeinsam mit zwei weiteren Trägern Arbeitssuchende zu Pflegehelfern aus. Die Resonanz ist deutlich besser als bei anderen vergleichbaren Programmen.

Köln – Pervin Beekman ist so ein Fall, wie man ihn an einem Jobcenter gerne hat: Im Jahr 2019 tritt sie arbeitssuchend an die Kölner Einrichtung heran. Ende 2019 beginnt sie die Ausbildung zur Betreuungsassistentin in einem Chorweiler Seniorenzentrum. An einem Freitag den 13. absolviert sie inmitten der Corona-Hochphase ihre Abschlussprüfung. Am darauffolgenden Montag tritt sie im gleichen Seniorenzentrum ihre feste Stelle an.

„Ich hätte nie an die Pflege gedacht, als ich zum Jobcenter ging“, sagt Beekman. „Ich wäre nie auf die Betreuungsassistenz gekommen.“ Nach 20 Jahren im Studium und im Berufsleben, nach 13 Jahren als Vollzeitmutter und einer darauffolgenden Scheidung ist die Betreuungsassistenz für die 52-Jährige der Weg, um beruflich wieder Fuß zu fassen. Und die Arbeit – das Gedächtnistraining, Spielen, Spazieren mit den Senioren – ist plötzlich auch so ganz anders als das, was sie sich unter dem Beruf vorgestellt hatte. Jeffrey Chwarscianek drückt es gleich noch euphorischer aus: Der 28-Jährige – vormals Ein-Euro-Jobber und heute ebenfalls Betreuungsassistent – sagt, er habe „seine Berufung“ gefunden.

Für die Altenpflege ausgebildet

Das Programm, das die beiden absolviert haben, nennt sich Qualicare. In acht beziehungsweise vier Monaten (Teil- und Vollzeit) werden die Teilnehmer für eine Tätigkeit in der ambulanten oder stationären Altenpflege ausgebildet. In einer Orientierungsphase entscheiden sie sich mithilfe eines Praktikums entweder für die Alltagsbegleitung, die Pflege- oder Betreuungsassistenz; unterstützen Senioren also wahlweise im Alltag, bei der individuellen Pflege oder im Heim-Alltag bei der Beschäftigung und Bewegung. Das Jobcenter kooperiert bei dem Angebot mit dem Bildungsträger In Via und der Arbeiterwohlfahrt (Awo). Die Absolventen sollen nach Möglichkeit dort weiterarbeiten können, wo sie ausgebildet wurden.

Beim ersten Kursus starteten 26 Teilnehmer in die Orientierungsphase, 15 schafften den Abschluss, zehn von ihnen fanden im Anschluss eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. „Das ist weit mehr als das, was wir von vergleichbaren Angeboten kennen“, sagt Andreas Fuck, der das Konzept beim Jobcenter Köln entworfen hat.

Berührungsängste überwinden

Dabei sind es viele, die wie Beekman erst einmal zurückschrecken, wenn sie den Begriff „Pflege“ hören. Die Arbeit gilt als hart, die Bezahlung als schlecht, die Personaldecke als dünn. Die Pflege aber ist vielfältig – und genau der Mangel an Personal ist das, was die Branche für das Jobcenter so attraktiv macht: „Der Bedarf ist hoch, die Perspektiven sind gut und es gibt immer und überall Möglichkeiten der Beschäftigung“, sagt Martina Würker, Geschäftsführerin des Jobcenter Köln. Gesundheitsminister Jens Spahn beispielsweise kündigte erst im April an, bundesweit 20 000 zusätzliche Stellen in der Pflegehilfe zu finanzieren.

Laut Bundesagentur für Arbeit gab es 2019 deutschlandweit etwa 783 000 Beschäftigte in der Krankenpflege und weitere 312 000 in der Altenpflege, in Nordrhein-Westfalen waren es jeweils etwa 180 000 und 78 000. Den Mangel an Pflegekräften in Zahlen zu fassen ist schwerer. Katharina von Croy, Pressereferentin beim Deutschen Bundesverband für Pflegeberufe (DBfK) Nordwest, drückt es so aus: „Es fehlt an allen Ecken und Enden.“ Besonders kritisch sei die Situation in der Altenpflege, wo die Bezahlung noch schlechter sei als in den Krankenhäusern – also genau dort, wo das Programm des Jobcenters ansetzt.

Der Bedarf steigt

Und es ist klar, dass der Bedarf drastisch steigen wird. Die Bevölkerung wird immer älter, gleichzeitig kommen immer mehr Pflegebedürftige in ein Seniorenheim. „Aktuell sind die Angehörigen der größte Pflegedienst“, sagt von Croy. „Das wird sich ändern.“ Angebote wie die des Jobcenters begrüßt sie, denn „jeder, der in die Pflege geht, ist hier hochwillkommen.“ Mit ein paar zusätzlichen Stellen in der Pflegehilfe sei das Problem aber noch lange nicht gelöst: Es brauche mehr Fachkräfte.

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Elisabeth Römisch, Leiterin eines Awo-Seniorenzentrums in Köln, sieht in Qualicare aber auch dafür den nötigen Anstoß: „Die Erfahrung zeigt, dass viele der Teilnehmer anschließend eine Fachausbildung machen wollen“, sagt sie. Über das Jobcenter können sie dabei einen Zuschuss beantragen, so dass sie auch während der Ausbildung keine finanziellen Einbußen hinnehmen müssen – und sich gleichzeitig eine Stufe hinaufarbeiten.

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