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Hälfte der NRW-Züge fährt nichtNVR fordert Freigabe des Fernverkehrs für Pendler

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Im Münchner Hauptbahnhof ist auf einer Anzeigentafel zu lesen: „Wenn unterwegs – dann mit Abstand!“

Im Münchner Hauptbahnhof ist auf einer Anzeigentafel zu lesen: „Wenn unterwegs – dann mit Abstand!“

  • In der vergangenen Woche waren nur 47 Prozent der Nahverkehrszüge in NRW unterwegs.
  • Damit liegt das Rheinland weit entfernt von den im Regionalverkehr bundesweit durchschnittlichen 65 Prozent.
  • Die Deutsche Bahn will den Sonderfahrplan weiter verbessern. Nun gibt es auch Forderungen, dass Pendler in NRW die Fernverkehrszüge nutzen sollen dürfen.

Köln/Berlin – Beim Regionalverkehr im Rheinland gibt es weiterhin Probleme mit dem Sonderfahrplan, der wegen der Corona-Krise am 19. März schrittweise in Kraft getreten ist.

Nach Angaben von Bahnchef Richard Lutz sind bundesweit durchschnittlich 75 Prozent aller Fernverkehrszüge unterwegs, im Regionalverkehr seien es 65 Prozent, sagte Lutz am Montag bei einer telefonischen Pressekonferenz mit Journalisten in Berlin.

Nur 47 Prozent der Nahverkehrszüge in NRW unterwegs

Von diesem Wert ist das Rheinland weit entfernt. In der vergangenen Wochen waren nur 47 Prozent der Nahverkehrszüge unterwegs. Auf einigen Linien fielen sogar drei von vier Fahrten aus.

Leider sei das Gebiet des Nahverkehr Rheinland (NVR) „von den Leistungsreduktionen im Sonderfahrplan immer noch stark betroffen. Trotz der Schwierigkeiten ist es uns gemeinsam mit DB Regio in den vergangenen beiden Wochen gelungen, Anpassungen und Nachbesserungen zu erreichen. Daran werden wir mit Hochdruck weiterarbeiten“, sagte NVR-Geschäftsführer Heiko Sedlaczek auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Grund sei der hohe Krankenstand bei DB Regio, so der NVR. Die Regionaltochter der Bahn fährt im Rheinland die meisten Züge, hat den größten Marktanteil.

Fernverkehrzüge sollen für Pendler freigegeben werden

Der NVR fordert zur Entlastung des Regionalverkehrs die generelle Freigabe der Fernverkehrszüge für Pendler auf den Verbindungen Bonn–Köln, Aachen–Köln und Köln–Düsseldorf–Duisburg. Darauf lässt sich die Bahn nicht ein.

Nach Recherchen unserer Zeitung dürfen sie bisher lediglich auf der Strecke Köln–Siegburg/Bonn die ICE nutzen. Und das gilt auch nur für Pendler mit Jahreskarten. Nach Angaben einer Bahnsprecherin in Düsseldorf gehe man bei der Freigabe der ICE und IC „sehr spezifisch vor“.

„Wichtig ist es, dass wir eine Problemlösung vor Ort haben“, sagte Bahnchef Lutz. „Auf den Linien, wo wir Besetzungen hatten, die uns allen nicht gefallen hatten, haben wir nachgesteuert.“ Man bleibe in NRW „in engem Kontakt“ mit den drei Verkehrsverbünden und „natürlich auch mit dem Verkehrsministerium“.

Keine hohe Nachfrage an den Feiertagen

Dabei hat der Fernverkehr auch in der Corona-Krise durchaus freie Kapazitäten. Derzeit liegt das Reiseaufkommen bei zehn bis 15 Prozent des Normalniveaus im Fernverkehr. Das werde sich auch über das Osterwochenende nicht ändern, sagte der Bahnchef. „Unsere Kunden gehen ausgesprochen verantwortungsvoll mit der Krise um. Man verzeichne bei den Buchungen keine erhöhte Nachfrage. „Jeder hat begriffen, dass wir die Abstands- und Kontaktregeln einhalten müssen“, so Lutz.

Vor dem Hintergrund der Grenzschließungen und anderer Beschränkungen zur Eindämmung der Pandemie seien insbesondere Verbindungen ins Ausland, touristische Inlandsverbindungen und von Geschäftsreisenden viel genutzte Sprinterzüge vorübergehend aus dem Fahrplan des Fernverkehrs gestrichen worden.

Wirtschaftliche Ziele im Fernverkehr für 2020 wird man nicht erreichen

Schon jetzt sei klar, dass man sich von den wirtschaftlichen Zielen im Fernverkehr für 2020 verabschieden müsse. 2019 hatte die Zahl der Reisenden mit 151 Millionen erstmal die 150-Millionen-Marke überschritten. Für 2020 lag die Prognose bisher bei bis zu 158 Millionen.

Der Bahnchef zeigte sich aber überzeugt, dass es trotz der weiteren Ausbreitung des Coronavirus nicht zu Personalengpässen kommt und die Fahrpläne nicht weiter ausgedünnt werden müssen: „Wir halten die Dinge am Laufen.“

Rückgang im Güterverkehr

Im Güterverkehr transportiere die Bahn momentan „alles, aber auch wirklich alles, was Kunden gefahren haben möchten“, sagte Lutz weiter. Obwohl sich die Bahn beispielsweise verstärkt auf die Versorgung des Lebensmittelhandels konzentriere, könnten Neukunden den Rückgang bei industriellen Kunden und speziell der in der Krise gebeutelten Autobranche nicht ausgleichen. Lutz betonte die „besondere Verantwortung“ der Bahn, in der Krise einen „Beitrag zum Funktionieren dieser Gesellschaft zu leisten“.

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Die Nachfrageausfälle würden aber in allen Bereichen am Ende „in der Kasse fehlen“. Eine belastbare Prognose zu den diesjährigen Geschäftszahlen sei unmöglich. „Die Corona-Pandemie wird uns, wie viele andere auch, sehr hart treffen“, sagte Lutz. Die Auswirkungen seien vermutlich schlimmer als nach der Finanzkrise 2008.

An Investitionen und Neueinstellungen im Rahmen des Zukunftsprogramms „Starke Schiene“ will die Bahn demnach aber „unbeirrt“ festhalten. „Aus der Not heraus“ würden gerade besonders benötigte Bereiche der Verwaltung wie Kulanz- und Stornoabwicklungen oder Bewerbungsverfahren schneller digitalisiert und ins Internet verlagert, hob Lutz hervor. Großbauprojekte würden uneingeschränkt fortgeführt.

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