Hilferuf alter Traditionshotels„Wir stehen vor den Trümmern unserer Existenz“

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Dorint

Dorint-Hotel am Kölner Heumarkt

Köln – Große deutsche Hotelunternehmer schlagen Alarm. Rund 300 Unternehmen mit insgesamt 210.000 Mitarbeitern fürchten im Zuge der Corona-Krise um ihre wirtschaftliche Existenz und haben sich in einem eindringlichen Appell an die Bundesregierung gewandt.

Dazu gehören unter anderem Traditionsmarken wie die Dorint- und die Althoff-Gruppe aus Köln sowie Lindner Hotels, Centro, Domero, GSH oder H-Hotels, die seit Jahrzehnten viele Häuser unter einer Marke oder in einem Unternehmensverbund betreiben. Der zentrale Vorwurf: Aufgrund ihrer Größe mit mehr als 250 Mitarbeitern sowie mehr als 50 Millionen Euro Umsatz pro Jahr oder einer Bilanzsumme von mehr als 43 Millionen Euro fallen sie im Gegensatz zu Einzelhoteliers nicht mehr in die Kategorie kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU) und haben nach eigenen Angaben nur begrenzten Zugang zu Staatshilfen.

Bettenbelegung geht um 95 Prozent zurück 

„Keine Krise wie etwa der 11. September oder Finanz-und Wirtschaftskrise 2011 hat zu ähnlichen Verwerfungen geführt“, sagt Dorint-Chef Dirk Iserlohe. Die Belegung der Betten sei im Schnitt um 95 Prozent zurückgegangen. „Die Lage ist dramatisch“, so Iserlohe.

Dorint-Chef Dirk Iserlohe

Dorint-Chef Dirk Iserlohe

Wenige Stunden zuvor hatte die deutsche Hotelkette Maritim angekündigt, sich von einem Teil ihrer Standorte zu trennen. Man habe in Pandemiezeiten einen Liquiditätsverlust von 140 Millionen Euro verkraften müssen, teilte das Unternehmen aus Bad Salzuflen in Nordrhein-Westfalen mit. „Obwohl wir vor der Pandemie über hohe Liquiditätsreserven verfügt haben, müssen wir nun über Hotel-Notverkäufe unser Überleben sichern“, erklärte die Inhaberin des Familienunternehmens, Monika Gommolla. Einzelheiten zu diesen Verkäufen oder den Standorten nannte sie nicht. Dem Vernehmen nach soll das Hotel in Köln am Heumarkt jedoch nicht betroffen sein, wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ aus dem Unternehmensumfeld erfuhr.

Das Unternehmen mit seinen weltweit rund 5000 Beschäftigten hat nach eigenen Angaben 40 Hotels, 29 davon im Inland mit 3000 Beschäftigten. „Die Maritim Hotelgruppe ist von der Pandemie extrem hart getroffen“, sagte die Aufsichtsratsvorsitzende. „Bereits im vergangenen Jahr schlug der erste Lockdown mit fast 90 Prozent Umsatzausfall zu Buche.“ Nach einer kurzen Erholungsphase im Sommer seien durch Beherbergungsverbote touristischer Gäste seit November 2020 wieder 90-prozentige Umsatzausfälle an fast allen Maritim-Hotelstandorten zu verzeichnen, sagte Gommolla. Staatliche Hilfen seien nahezu ausgeblieben, es seien bisher nur zwei Millionen Euro ausgezahlt worden. „Dies erweckt den Eindruck, dass der größere Mittelstand in den betroffenen Branchen sich selbst überlassen und so kaputt gemacht wird“, sagte die Firmeninhaberin. „Die Lage für die Hotellerie ist sehr ernst, so kann es nicht weitergehen.“

Verfehlte Politik der Staatshilfen

Dorint-Chef Iserlohe warnte, dass weitere Fälle dieser Art folgen könnten. Eine Einschätzung, die auch Otto Lindner von der gleichnamigen Hotelgruppe und Vize-Chef des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga teilt. „Wir machen nur noch zehn Prozent des normalen Umsatzes, das kann kein Unternehmen durchhalten“, so der Hotelunternehmer. „Wir brauchen jetzt Hilfe – man verdurstet am Ende der Wüste und nicht am Anfang“, so der Hotelunternehmer. Ähnlich dramatisch schildert Manuela Halm, Chefin der Domero-Gruppe mit 1000 Mitarbeiter die Lage. „Wir stehen vor den Trümmern unserer Existenz“.

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Grund sei eine verfehlte Politik bei den Staatshilfen für größere mittelständische Hotelketten. „Während ein Einzelunternehmer mit seinem 120 Zimmerhotel nahezu 90 des entstandenen Schadens in den Jahren 2020 und 2021 erhält, bekommt ein Verbundunternehmen wie die Dorint Gruppe  nach Inanspruchnahme aller Förderprogramme So m nur rund 38 Prozent des tatsächlich bis Ende Juni 2021 entstanden Schadens.“ Damit bleibe etwa Dorint auf rund 60 Millionen Euro Verlust sitzen. „Eine unterschiedliche Behandlung ist nicht nachvollziehbar und ungerecht“, so Iserlohe.

Zwar gäbe es die November- und Dezemberhilfen und die Überbrückungshilfe 3. „Die Komplexität der Antragsstellung ist nicht nachvollziehbar“, sagt Otto Lindner. Zudem laufe die Auszahlung existenzgefährdend schleppend. „Wir haben gerade erst die Bewilligung bekommen. Wann das Geld kommt, wissen wir nicht“, so Lindner. Auch die GSH-Gruppe hat noch kaum Geld bekommen. „Bis heute haben wir 20 Prozent der Novemberhilfe erhalten und warten auf die restlichen 80 Prozent – und das Mitte April“, sagt Marco El Manchi.

Gerichtsverfahren mit Vermietern

Darüber hinaus berichten die Hoteliers, dass sich viele Vermieter und Verpächter als hartleibig erwiesen und schon zahlreiche Verfahren vor Gericht anhängig seien. Besonders Fonds und Banken zeigten oftmals wenig oder gar kein Verständnis, sagt Manuela Halms von der Domero-Gruppe. Eine weitere Schwierigkeit seien die schwindenden Eigenkapitalreserven, die seitens der Banken zu einer höheren Zinsbelastung führten, sagt Alexander Fitz von H-Hotels. „Viele Kreditinstitute verhalten sich, als ob es keine Pandemie gäbe.“

Gleichzeitig, so die Hoteliers, habe man zu Beginn der Pandemie Millionen in Summe für aufwendige Hygienekonzepte investiert. „Obwohl laut Robert Koch Institut Hotels nachweislich nicht zum Infektionsgeschehen beitragen, sind wir geschlossen und damit unserer Geschäftsgrundlage beraubt“, sagt Otto Lindner.

Entschädigungen gefordert

Die Unternehmer fordern von der Bundesregierung deshalb Entschädigungszahlungen. „Oder aber – wenn es am Mut zu einer solchen angemessenen und gebotenen Gesetzesänderung fehlt, bitten die Hoteliers sowohl um die Erweiterung des Limits für November- und Dezember 2019 auf den Lockdown I als auch um die Eliminierung des Monats- und Totallimits in der Überbrückungshilfe III“, sagt Iserlohe. Das würde den Staat rund 3,3 Milliarden Euro kosten. Der Verweis aus Berlin auf die Einschränkungen durch die EU-Beihilferegelung lassen die Hoteliers nicht gelten. Die Europäische Kommission habe längst festgelegt, dass die Pandemie eine außergewöhnliche Situation darstellt, in der Regeln gelockert werden könne, so Iserlohe.

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