Indus-Vorstände Abromeit und Schmidt„Alle Marktteilnehmer machen sich Sorgen“

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Jürgen Abromeit mit Johannes Schmidt

Jürgen Abromeit (links), scheidender Indus-Chef, und sein Nachfolger Johannes Schmidt.

Köln – Jürgen Abromeit, scheidender Indus-Chef, und sein Nachfolger Johannes Schmidt sprechen im Interview über mögliche Zukäufe, die Folgen der Strafzölle und den technologischen Wandel in der Industrie.

Herr Abromeit, Herr Schmidt: Donald Trump hat ernst gemacht und die EU ist mit Strafzöllen nachgezogen. Was bedeutet das für Indus?

Jürgen Abromeit: Noch ist nicht klar, ob daraus am Ende ein richtiger Handelskrieg wird. Natürlich machen sich alle Marktteilnehmer Sorgen. Wenn man sich Sorgen macht, hält man sich mit Aufträgen und Investitionen zurück.

Johannes Schmidt: Von den höheren Stahlzöllen sind unsere Beteiligungsunternehmen noch nicht unmittelbar betroffen, da ihre Geschäfte nicht so rohstoffintensiv sind. Aber wenn die Wirtschaft leidet, vor allem der Autoexport, werden unsere Firmen das auch spüren.

Welche Einbußen erwarten Sie denn konkret?

Abromeit: Das kann man noch nicht abschätzen. Ein Handelskrieg würde den Wirtschaftsaufschwung abbremsen. Wir machen ein Zehntel des Umsatzes in den USA: Sieben Töchter bauen dort etwa Laborgeräte und Klimatisierungsanlagen für Busse. Spannend wird es, wie sich China weiter verhält, der größte Gläubiger der USA. Was, wenn die Chinesen nur mal vier Wochen den Markt mit US-Staatsanleihen fluten? Dann rauschen die Kurse in den Keller.

Müssten Sie nicht Ihre Prognose korrigieren?

Schmidt: Nein. Wir sind optimistisch ins Jahr gestartet, auch der April und Mai verliefen ordentlich. Es gibt zwar keinen Anlass zur Euphorie, aber die Prognose steht. Wir haben ja auch eine gewisse Flexibilität, etwa in Bezug auf unser ehrgeiziges Investitionsprogramm über 80 Millionen Euro. Wenn eine Krise käme, könnte man das etwas zurückfahren.

Zum Unternehmen

Die Indus Holding AG aus Bergisch Gladbach ist eine Beteiligungsgesellschaft mit 45 Töchtern aus den Bereichen   Bau, Fahrzeugtechnik, Maschinen-/Anlagenbau, Medizin-/ Gesundheitstechnik und Metalltechnik. Gefertigt werden Dichtungssysteme, Werkzeuge, Fördertechnik. Am Sitz des börsennotierten Unternehmens arbeiten 30 Mitarbeiter, weltweit 10.000.

Herr Abromeit, Sie waren elf Jahre Indus-Chef, jetzt übernimmt Ihr Vorstandskollege Johannes Schmidt. Warum wollten Sie nicht verlängern?

Abromeit: Ich wollte mir selbst noch mal einen Wunsch erfüllen und eine neue Herausforderung annehmen. Die letzten elf Jahre waren grandios. Wenn man so ein Unternehmen verlässt, muss man schon ein Stück weit positiv verrückt sein – oder was gutes Neues vorhaben. Ich habe eine interessante neue Herausforderung, möchte zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht verraten, welche.

Die Industrielandschaft hat sich stark verändert. Wie sieht Ihre Strategie aus, Herr Schmidt?

Schmidt: Mess- und Automatisierungstechnik und Medizintechnik sehen wir als spannendes Feld, auch Energie- und Umwelttechnik. In diese Richtung orientieren wir uns bereits. Wir wollen auch noch internationaler werden. Unser Kerngeschäft bleibt aber die Industrie.

Abromeit: Mittelstand ist sexy. Aber wer sich nicht anpasst und sein Portfolio verändert, ist irgendwann raus aus dem Wettbewerb. Durch den Digitalisierungsschub ist der Technologiewandel viel extremer als früher. Die Hälfte des deutschen Mittelstands ist nicht in der Lage, das zu managen. Kleine und mittlere Firmen haben es schwer. Die werden verschwinden, aufgekauft oder sich zusammenschließen.

Neben hoch spezialisierter Technik stellen Ihre Töchter auch Kompressionsstrümpfe her. Das hört sich erstmal nicht so sexy an.

Abromeit: Für uns ist das total sexy. Auch angesichts des demografischen Wandels ist Medizintechnik ein spannendes Zukunfts-Feld.

Wird es bei Ihren Töchtern auch zu Produktionsverlagerungen kommen?

Abromeit: Ja, natürlich, auch Arbeitsplätze werden verschwinden, aber es werden in anderen Bereichen neue Arbeitsplätze entstehen. Verändern müssen sich nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Menschen. Die Welt dreht sich schneller als vor ein paar Jahren.

Schmidt: China darf man nicht unterschätzen. Es beginnt auch bereits eine Reindustrialisierung in den USA und Großbritannien. Da werden künftig Produktionsschwerpunkte sein. Wir folgen unseren Kunden. Wir müssen nicht Massen von Produkten irgendwo möglichst billig herstellen.

2017 sind zwei Ihrer Töchter in Schieflage geraten – aus dem Bahn- und Fahrzeugtechnikbereich. Eigentlich ist Indus an langfristigen Engagements interessiert. Aber muss man sich nicht auch mal von Problemkindern trennen?

Abromeit: Das sind zwei von 45 Töchtern, die uns stark gefordert haben und es auch noch eine Weile tun werden. Beides sind Restrukturierungsfälle, die Ursachen sind vielfältig: Auftragsverzögerung auf Kundenseite, hohe Löhne in der Schweiz, Managementfehler. Wir sind sicher, dass wir die Restrukturierung hinbekommen. Aber: Auch früher haben wir uns von Töchtern getrennt, wenn es notwendig war. Das werden wir auch in Zukunft tun.

Ist das hypothetisch oder konkret in Planung?

Abromeit: An diese beiden Töchter glauben wir. Wir sind von der erfolgreichen Restrukturierung überzeugt. Generell ist unsere Maxime „kaufen und halten“. Das heißt nicht, „bis dass der Tod uns scheidet“ wie in der Ehe. Bevor uns der Tod erwischt, trennen wir uns lieber.

Sind aktuell denn Übernahmen geplant?

Schmidt: Wir hätten genug Geld, um eine ganze Reihe Unternehmen zu kaufen. Aber es gibt immer mehr Interessenten mit viel Geld.

Abromeit: Wir sind immer auf der Pirsch. Aber die Preise sind sehr hoch, alle jagen die wenigen Ziele. Da muss man cool bleiben und im Zweifel ein halbes Jahr am Zaun stehen und zugucken. Wir führen Übernahmen so, als wären sie noch im Familienbesitz – mit ruhiger Hand und gleicher moralisch-ethischer Grundposition. Wir können nicht durch „Scheck und weg“ Preise zahlen wie ein Hedgefonds, der in kurzer Zeit mit maximaler Rendite raus will. Mit so einem Geschäftsmodell sind Sie immer ein Getriebener. Das sind wir nicht.

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