InsolvenzBeate Uhse hat den Anschluss an das Online-Geschäft verpasst

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Beate Uhse 1969 vor ihrem Versandhaus in Flensburg.

Beate Uhse 1969 vor ihrem Versandhaus in Flensburg.

Flensburg – Es begann mit Versand von Aufklärungsbroschüren und Kondomen, später wurde der erste Sexshop der Welt eröffnet, woraus sich schnell eine florierende Ladenkette entwickelte.

Nun steht der Pionier der Erotikindustrie vor der Pleite, weil das Management den Niedergang des Unternehmens in den Zeiten der Digitalisierung nicht aufhalten konnte: Die Flensburger Beate Uhse AG hat am Freitag Insolvenz beantragt. Ziel des Verfahrens soll die Sanierung der Firma sein. Die Geschäfte laufen vorerst weiter.

Die AG erwirtschaftete schon länger Verluste

Beate Uhse geht es schon seit längerem schlecht. Im vergangenen Geschäftsjahr erwirtschaftete das Unternehmen einen Verlust in zweistelliger Millionenhöhe.

Erste Anzeichen dafür, dass sich die Probleme zuspitzen, gab es schon Ende November, als die Aktiengesellschaft die eigentlich für kommenden Dienstag geplante Hauptversammlung des Unternehmens absagte und auf nächsten März verschob. Auch der Jahresbericht wurde bisher nicht veröffentlicht.

Beate Uhse ist zwar ein Vorreiter des Versandhandels, hat aber ähnlich wie Quelle den Sprung ins Online-Zeitalter nicht geschafft. Das Geschäft mit Sexfilmen und damit auch mit den früher üblichen Video-Kabinen in Erotikshops ist weggebrochen, seitdem Pornos kostenlos im Internet zu sehen sind.

Gefahr der Zahlungsunfähigkeit bestand

Die Konzentration auf Sexspielzeug oder Dessous hat nicht die erhofft Wende gebracht, obwohl es in diesem Segment erfolgreiche Neugründungen wie Eis.de gibt. Marketing-Experten führen den Niedergang der Flensburger auch darauf zurück, dass die Marke „Beate Uhse“ bei den Deutschen noch immer ein Schmuddelimage hat.

Die drohende Pleite hat mit Problemen bei der Bedienung einer Firmenanleihe über 30 Millionen Euro zu tun. Nach Angaben des Unternehmens konnte mit den Gläubigern keine Einigung erzielt werden, weshalb die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit bestanden habe.

Beantragt wurde ein Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung. Dieses Verfahren zielt nicht auf eine Abwicklung ab, sondern auf eine Sanierung des Unternehmens, indem zum Beispiel Gläubiger auf ihre Forderungen verzichten.

Geschäftsführung bleibt im Amt

Der wichtigste Unterschied zum normalen Insolvenzverfahren besteht darin, dass die Geschäftsführung nicht durch einen Insolvenzverwalter ersetzt wird, sondern im Amt bleibt. Ihr wird aber ein sogenannter Sachwalter von Außen zur Seite gestellt. Das Management behält damit weitgehend die Kontrolle.

Gleichzeitig schützt das Insolvenzverfahren das Unternehmen aber vor Zwangsmaßnahmen der Gläubiger. Dass sich mit dem gewählten Verfahren das zahlungsunfähige Unternehmen tatsächlich sanieren lässt, ist aber unsicher: Auch Air Berlin hatte eine Insolvenz in Eigenverantwortung beantragt, mittlerweile ist die Fluglinie Geschichte.

Tochtergesellschaften laufen weiter

Beim Fernsehhersteller Loewe aus Kronach gelang hingegen auf diesem Weg eine Sanierung. Bei Beate Uhse betrifft das Insolvenzverfahren nach eigenen Angaben des Unternehmens nur die Beate Uhse AG auf Ebene der Holding, weshalb die Tochtergesellschaften, also zum Beispiel die Filialen und der Versandhandel, weiter laufen.

„Die operativen Gesellschaften halten ihren Geschäftsbetrieb uneingeschränkt aufrecht“, erklärte das Unternehmen in einer Pflichtveröffentlichung für die Börse.

Die Unternehmensgründerin Beate Uhse, die im 2. Weltkrieg als Pilotin im Einsatz war, startete 1946 ihr Geschäft mit der selbst verfassten Aufklärungsbroschüre „Schrift X“, in der die Berechnung der unfruchtbaren Tage der Frau beschrieb. Nach der Heirat mit dem Flensburger Kaufmann Ernst-Walter Rodermund weitete sie ihr Geschäft aus und vertrieb auch Kondome.

1962 wurde von Uhse in Flensburg das „Institut für Ehehygiene“ eröffnet - es gilt als der erste Sexshop weltweit. Das Unternehmen wuchs beständig, wobei der Mauerfall einen ungeahnten Aufschwung brachte: Unvergessen sind die langen Schlangen von DDR-Bürgern vor den mobilen Beate-Uhse-Verkaufsstellen.

1999 ging das Unternehmen an die Börse. Die „erste deutsche Erotikaktie“ (Eigenwerbung) war ein Renner, sie war 64-fach überzeichnet und kletterte am dritten Handelstag von 7,20 auf ein Allzeithoch von 28,20 Euro. 2001 starb Beate Uhse.

In den Folgejahren versuchte die Erotikkette eine Neuausrichtung, doch der Umsatz- und Gewinnrückgang konnte nicht aufgehalten werden. Die Aktie war am Freitag nur noch fünf Cent wert.

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