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Interview mit Startplatz-Chefs„Start-ups profitieren vom Abschwung der Wirtschaft“

Lesezeit 6 Minuten
Startplatz Lorenz und Lukas Gräf

Lukas (links) und Lorenz Gräf leiten gemeinsam das Startplatz-Gründerzentrum im Mediapark.

  • Lorenz und Lukas Gräf vom Startplatz-Gründerzentrum über...
  • ...den Vorsprung anderer Metropolen: „Vieles, was Start-ups brauchen, um zu wachsen, gibt es in Skandinavien schon lange – im Gegensatz zu Köln oder Düsseldorf."
  • ...die Vorzüge von NRW: „Nicht nur in den Städten, sondern auch im Umland gibt es so viele Hidden Champions und Weltmarktführer.“
  • ...Studenten als Gründer: „Mit einem starken Profil als Start-up-Hochschule kann die Kölner Uni noch besser um die besten Abiturienten werben.“

Köln – Seit sieben Jahren leitet Lorenz Gräf den Startplatz, Kölns bedeutendstes Gründerzentrum mit Sitz im Mediapark. Sein Sohn Lukas ist nun mit eingestiegen, nachdem er vier Jahre in der schwedischen Hauptstadt Stockholm mit Start-ups gearbeitet hat.

Wo ist es einfacher, ein digitales Start-up zu gründen: im Rheinland oder in Stockholm?

Lukas Gräf: Stockholm, ganz klar. Vieles, was Start-ups brauchen, um zu wachsen, gibt es in Skandinavien schon lange – im Gegensatz zu Köln oder Düsseldorf. Jeder Haushalt hat High-Speed-Internet, in ganz Schweden funktioniert das 4G-Netz lückenlos, man kann also von überall programmieren. Kinder werden auch schon früh für die digitalen Berufe ausgebildet und Studenten entwickeln einen starken Willen, eigene Unternehmen zu gründen. In Köln ist gerade der letzte Punkt noch nicht so stark zu beobachten. Auch die Erfolge aus der Vergangenheit sind entscheidend: Skype kommt aus Schweden, Spotify genauso. Das motiviert, zieht Investoren an und sorgt zudem dafür, dass ehemalige Mitarbeiter dieser Firmen mit ihrem Geld und Wissen wiederum eigene Innovationen entwickeln und Firmen mit vielen Arbeitsplätzen gründen.

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Braucht das Rheinland also vor allem große Erfolgsgeschichten, um selbst auf ein solches Level zu kommen?

Lorenz Gräf: Erfolge, an denen sich Gründer orientieren können, sind ein wichtiger Faktor. Wir müssen aber auch junge Menschen grundsätzlich digitaler ausbilden und das nicht erst, wenn sie in der Oberstufe oder im Studium sind. Viele Entwicklungen sind bereits angestoßen worden, aber es dauert seine Zeit, bis sie Wirkung zeigen. NRW und das Rheinland werden noch sehr erfolgreich sein.

Warum sind Sie so sicher?

Lorenz Gräf: Wir haben hier den riesigen Vorteil, dass es in NRW einen großen Kundenmarkt mit fast 18 Millionen Einwohnern gibt, dazu viele Universitäten, deren Absolventen verstärkt für Start-up-Gründungen sensibilisiert werden. Nicht nur in den Städten, sondern auch im Umland gibt es so viele Hidden Champions und Weltmarktführer – vor allem Start-ups, die sich auf Unternehmenskunden konzentrieren, finden hier die besten Voraussetzungen.

Also muss man nur abwarten und dann kommt es schon von selbst?

Lorenz Gräf: Nein, aber ich bin sehr zufrieden, was in den vergangenen eineinhalb  Jahren hier passierte. Die Start-up-Unit der Stadt Köln hat Fahrt aufgenommen und NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart hat viel Gutes losgetreten – zum Beispiel das Gründerstipendium, das sehr gut angenommen wird, oder die Förderung von Start-up-Centern an Hochschulen, die mit  150 Millionen Euro gefördert wird.

Wie bewerten Sie, dass die Kölner Uni in den kommenden fünf Jahren mit bis zu 30 Millionen Euro gefördert wird, um Studenten zum Gründen zu animieren?

Lorenz Gräf: Das hat eine gigantische Bedeutung. Es sind schon bisher nicht die schlechtesten Abiturienten, die an die Uni Köln gehen. Die neue Förderung wird eine neue Wucht entfalten. Die Uni positioniert sich seit Jahren als Exzellenz-Hochschule – gut, dass sie das jetzt auf Start-ups überträgt.

Lukas Gräf: Es ist wichtig, dass Studenten die Möglichkeit einer Gründung immer wieder nahegebracht wird. Mit einem starken Profil als Start-up-Hochschule kann die Kölner Uni noch besser um die besten Abiturienten werben. Das ist viel wert, auch wenn es darum geht, die digitalen Fachkräfte in der Region zu halten.

Wer könnte das erste „Einhorn“ des Rheinlands werden – ein Start-up mit einer Milliardenbewertung?

Lukas Gräf: Direkt bei uns nebenan im Mediapark sitzt DeepL. Das Start-up lässt mit seiner Künstlichen Intelligenz für Übersetzungen sogar Google hinter sich. Mit Benchmark Capital hat kürzlich eine der drei größten Investmentfirmen der Welt in DeepL investiert. Wir hoffen, dass das weitere Investoren anlockt.

Lorenz Gräf: Letztendlich ist das Einhorn ja eine Metapher für ein Start-up, das eine bahnbrechende Entwicklung macht. Das ein Produkt entwickelt, das Märkte umkrempelt. Da ist es nicht wichtig, ob die Bewertung bei 50 oder 100 Millionen Euro liegt. Wenn davon mehrere in der Region auftauchen, kann die regionale Industrie stark von den Innovationen profitieren.

Der Aufschwung in der Wirtschaft lässt nach.  Was bedeutet es für Start-ups, wenn immer mehr Konzerne in der Region – Ford, Kaufhof und Bayer sind nur drei Beispiele – sparen müssen? Trifft das Start-ups, denen Kooperationen verwehrt bleiben könnten?

Lorenz Gräf: Wegbrechende Erfolge bei Konzernen bedeuten für Start-ups zuerst einmal riesige Chancen. Wenn das bisherige Geschäft infrage gestellt wird, sind die Start-ups super Ansprechpartner, um sich nach neuen Geschäftsmodellen umzuschauen. Innovation ist immer eine gute Antwort auf wirtschaftliche Sackgassen.  Und sie findet sich vor allem bei Start-ups. Bei vielen deutschen Firmen, vor allem in der Automobilbranche, zeigt sich die Nokia-Falle: Im alten, bislang gut funktionierenden Geschäftsmodell haben sie viel richtig gemacht, aber sich nicht um neue Wege gekümmert. Nun wundern sie sich, warum sie bei Innovationen hinterherhängen.

Lukas Gräf: Viele gute Gründer kommen ja auch direkt aus den Konzernen – sie haben dort Probleme wahrgenommen, die sie nun auf eigene Faust lösen wollen. Weil sie als Gründer die Freiheit dazu haben.

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Seit einigen Jahren gibt es den Startplatz auch in Düsseldorf. Wie unterscheidet sich die dortige Gründerszene von der in Köln?

Lorenz Gräf: Bei Start-ups ist Köln etwa eineinhalb Jahre weiter als Düsseldorf. Aber ist gibt keine wirklich bedeutenden Unterschiede – beide Start-up-Ökosysteme können sich als Innovationszentren für die umliegende Industrie positionieren. Köln hat noch immer den großen Vorteil seiner Lage: Im letzten Jahr hat sich eine belgische Firma hier angesiedelt, die Straßenlaternen digitalisieren und mit deren Hilfe Smart-City-Konzepte umsetzen möchte. Sie forscht in Darmstadt und sitzt in Lüttich – aber jetzt eben auch in Köln, weil die Verkehrssituation hier ideal ist und der Thalys nach Paris, der ICE aber auch schnell nach Frankfurt fährt.

Lukas Gräf: Es ist wichtig, als Region voranzugehen, nicht als Köln oder Düsseldorf. Das Rheinland muss  gemeinsam agieren. Wenn die Städte konkurrieren, schaden sie sich nur gegenseitig.

Lorenz Gräf: Bei unserem Rheinland-Pitch in Budapest haben wir gemerkt, dass wir internationale Start-ups nicht mit Köln oder Düsseldorf ködern können, wohl aber mit vielen Millionen Haushalten und zahlreichen Weltmarktführern im Rheinland.

Wie finden die internationalen Start-ups und der Mittelstand zusammen?

Lorenz Gräf: Wir starten bald einen neuen Akzelerator:  In dem dreimonatigen Programm holen wir internationale Start-ups nach Köln und vernetzen sie mit den Hidden Champions. Die Gründer aus dem Ausland schaffen so den Eintritt in den deutschen Markt und die Mittelständler lernen Innovationen kennen und sparen sich ein oder zwei Jahre Forschungsarbeit.

Lukas Gräf: Und die lokalen Start-ups werden ebenso gepusht, wenn sie Impulse von außen bekommen.

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