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Job-Abbau beim Chemie-RiesenBayer bietet Mitarbeitern die Rente mit 57

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Werk Wuppertal bayer

Das Bayer-Werk in Wuppertal

Köln/Leverkusen – Es ist eine Woche der Gegensätze für Werner Baumann.Am Montag hatte sich der Bayer-Chef noch per Videoschalte an die deutschen Beschäftigten gewandt, Fehler eingestanden und Verständnis gezeigt für Wut und Trauer der Angestellten, die mit dem 12 000 Stellen umfassenden Jobabbau bei Bayer zu kämpfen haben. Am Mittwoch galt es, selbstbewusst aufzutreten und Analysten und Fondsmanager beim Investorentag in London vom eingeschlagenen Kurs zu überzeugen.

Rund 30 Milliarden Euro Börsenwert hat der Leverkusener Konzern seit dem ersten verlorenen Prozess um Glyphosat eingebüßt. Weil die Anleger bei 9300 verbleibenden Klagen weiterhin hohe Rechtskosten fürchten, stagniert die Bayer-Aktie derzeit. „Wir werden alles tun, um den wahren Wert des Unternehmens zurück in die Aktie zu bringen“, sagte Baumann in London. So sollen die Ankündigungen der vergangenen Woche auch ein Befreiungsschlag sein: Bayer trennt sich sowohl von der Tiermedizinsparte als auch von den Mehrheitsanteilen am Dienstleister Currenta und dem Geschäft mit Sonnenschutz und Fußpflege. Die Verwaltung soll schlanker werden und mehr Gelder in externe Forschungsprojekte fließen, vor allem in Deutschland wird dafür am Personal gespart.

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Die Maßnahmen und der Fokus auf Verbrauchermedizin, Pharma und Pflanzenschutz sollen dabei helfen, dass Bayer bald wieder deutlich besser dasteht als heute. „Alle Divisionen von Bayer sollen bis 2022 und darüber hinaus zu einer verbesserten Performance des Unternehmens beitragen“, sagte Baumann.

Von voraussichtlich 44,6 Milliarden Euro in diesem Jahr soll der Konzernumsatz bis 2022 um durchschnittlich vier bis fünf Prozent jedes Jahr steigen und schließlich rund 52 Milliarden Euro betragen. Indes soll der Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Sondereinflüssen (Ebitda) noch stärker steigen: Das jährliche Wachstum soll bis 2022 bei rund neun Prozent liegen – von 11,5 Milliarden Euro (Prognose für 2018) stiege das Ebitda also auf rund 16 Milliarden. Auch das bereinigte Ergebnis je Aktie soll jährlich um etwa zehn Prozent steigen. Das Sparprogramm soll das möglich machen. Der Konzern prüfe zudem Aktienrückkäufe, kündigte Finanzchef Wolfgang Nickl an.

Zahl der Stellenstreichungen bei Bayer noch unklar

Unterdessen wächst in der Belegschaft des Unternehmens die Unruhe. Vor nächsten März werde nicht klar sein, wie viele der insgesamt 12 000 Bayer-Stellen letztendlich in Deutschland gestrichen werden, schätzt Betriebsratschef Oliver Zühlke. Er setzt dabei auch auf den Zeitfaktor: Weil es einen Kündigungsschutz bis Ende 2025 gibt, sieht Zühlke Spielraum für den Job-Abbau.

Ein Altersteilzeit-Programm mit dem Arbeitstitel „57+“ soll nicht nur die wenigen Mitarbeiter ansprechen, die normalerweise mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen könnten. Auch für andere soll Bayer Verluste in der gesetzlichen und betrieblichen Rente ausgleichen. In der „Gemeinsamen Erklärung“ von Vorstand und Betriebsrat zum Abbau-Programm sind die Weichen dafür gestellt. Außerdem will Zühlke bessere Abfindungen aushandeln. Der Höchstbetrag soll steigen. Unterm Strich werde Bayer das „einiges kosten“, so der Betriebsratsvorsitzende.

Leverkusener Konzern hat 30 Milliarden Euro Börsenwert verloren

Genauso groß wie bei Bayer ist die Verunsicherung indes beim Chempark-Betreiber Currenta. Bayer will seinen 60-Prozent-Anteil abgeben, Gespräche mit Covestro sind allerdings gescheitert. Für den Bayer-Vorstand wäre der Verkauf an die Kunststoff-Ausgründung die naheliegendste Lösung gewesen: Die anderen 40 Prozent an dem Unternehmen, das die drei Chemparks in Leverkusen, Dormagen und Krefeld-Uerdingen betreibt und auch für die Ansiedlung neuer Firmen in den früheren Bayer-Werken verantwortlich ist, gehören Lanxess. Doch die Verkaufsgespräche mit dem Covestro-Vorstand sind gescheitert, obwohl der Kunststoff-Konzern finanziell blendend dasteht (siehe „Covestro schließt Aktien-Rückkauf ab“). Covestro-Chef Markus Steilemann will das Geld aber lieber für die Erweiterung des Produkt-Portfolios ausgeben als für einen Infrastruktur-Betreiber.

Bayers Currenta-Anteil wird auf rund zwei Milliarden Euro taxiert; das Unternehmen gilt mit seinen 5200 Beschäftigten, von denen mehr als die Hälfte in Leverkusen arbeitet, als Schwergewicht. In der Branche dürfte sich so leicht kein Käufer finden. Deshalb gelten Finanzinvestoren als Käufer. Macquarie aus Australien wird genannt, außerdem die schwedische EQT. In einem solchen Fall könnte es besonders wichtig sein, dass eine Zerschlagung der heute schon dreiteiligen Currenta drei Jahre ausgeschlossen werden soll.

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